scheint. Wer so sehr an der Fähigkeit der Deutschen, sich mit Geist, Grazie, kurz mit Styl auszudrücken, verzweifeln muß, wie der Herausgeber einer kritischen Revue der täglich aufwuchernden literarischen Erscheinungen, muß bei der Be- urtheilung eines Buches, wie Danton's Tod von Büchner ist, eine Freude empfinden, die viel zu nüancirt und zu- sammengesetzt ist, als daß ich sie hier ganz wiedergeben könnte. In Bildern und Antithesen blitzt hier alles von Witz, Geist und Eleganz. Keine verrenkten Gedanken strecken ihre lange Gestalt gen Himmel und schlottern wie gespenstische Vogelscheuchen am Winde hin und her. Keine neugebornen Embryone stehen in Spiritusgläsern um uns herum und beleidigen das Auge durch ihre Unschönheit, sie mögen auf noch so tiefe Entdeckungen zu deuten scheinen. Es ist Alles ganz, fertig, abgerundet. Staub und Schutt, das Atelier des Geistes sieht man nicht. Ich wüßte nicht, worin anders das Kennzeichen eines literarischen Genies besteht. Als ein solches muß man Georg Büchner mit seiner Ideenfülle, seiner erhabenen Auffassung, mit seinem Witz und Humor begrüßen. Was ist Immermann's monotone Jambenclassicität, was ist Grabbe's wahnwitzige Mischung des Trivialen mit dem Regellosen gegen diesen jugendlichen Genius!
Ich bin stolz darauf, der Erste gewesen zu sein, der im literarischen Verkehr und Gespräch den Namen Georg Büchner's genannt hat.
ſcheint. Wer ſo ſehr an der Fähigkeit der Deutſchen, ſich mit Geiſt, Grazie, kurz mit Styl auszudrücken, verzweifeln muß, wie der Herausgeber einer kritiſchen Revue der täglich aufwuchernden literariſchen Erſcheinungen, muß bei der Be- urtheilung eines Buches, wie Danton's Tod von Büchner iſt, eine Freude empfinden, die viel zu nüancirt und zu- ſammengeſetzt iſt, als daß ich ſie hier ganz wiedergeben könnte. In Bildern und Antitheſen blitzt hier alles von Witz, Geiſt und Eleganz. Keine verrenkten Gedanken ſtrecken ihre lange Geſtalt gen Himmel und ſchlottern wie geſpenſtiſche Vogelſcheuchen am Winde hin und her. Keine neugebornen Embryone ſtehen in Spiritusgläſern um uns herum und beleidigen das Auge durch ihre Unſchönheit, ſie mögen auf noch ſo tiefe Entdeckungen zu deuten ſcheinen. Es iſt Alles ganz, fertig, abgerundet. Staub und Schutt, das Atelier des Geiſtes ſieht man nicht. Ich wüßte nicht, worin anders das Kennzeichen eines literariſchen Genies beſteht. Als ein ſolches muß man Georg Büchner mit ſeiner Ideenfülle, ſeiner erhabenen Auffaſſung, mit ſeinem Witz und Humor begrüßen. Was iſt Immermann's monotone Jambenclaſſicität, was iſt Grabbe's wahnwitzige Miſchung des Trivialen mit dem Regelloſen gegen dieſen jugendlichen Genius!
Ich bin ſtolz darauf, der Erſte geweſen zu ſein, der im literariſchen Verkehr und Geſpräch den Namen Georg Büchner's genannt hat.
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ſcheint. Wer ſo ſehr an der Fähigkeit der Deutſchen, ſich
mit Geiſt, Grazie, kurz mit Styl auszudrücken, verzweifeln
muß, wie der Herausgeber einer kritiſchen Revue der täglich
aufwuchernden literariſchen Erſcheinungen, muß bei der Be-
urtheilung eines Buches, wie Danton's Tod von Büchner
iſt, eine Freude empfinden, die viel zu nüancirt und zu-
ſammengeſetzt iſt, als daß ich ſie hier ganz wiedergeben
könnte. In Bildern und Antitheſen blitzt hier alles von
Witz, Geiſt und Eleganz. Keine verrenkten Gedanken ſtrecken
ihre lange Geſtalt gen Himmel und ſchlottern wie geſpenſtiſche
Vogelſcheuchen am Winde hin und her. Keine neugebornen
Embryone ſtehen in Spiritusgläſern um uns herum und
beleidigen das Auge durch ihre Unſchönheit, ſie mögen auf
noch ſo tiefe Entdeckungen zu deuten ſcheinen. Es iſt Alles
ganz, fertig, abgerundet. Staub und Schutt, das Atelier
des Geiſtes ſieht man nicht. Ich wüßte nicht, worin anders
das Kennzeichen eines literariſchen Genies beſteht. Als ein
ſolches muß man Georg Büchner mit ſeiner Ideenfülle, ſeiner
erhabenen Auffaſſung, mit ſeinem Witz und Humor begrüßen.
Was iſt Immermann's monotone Jambenclaſſicität, was iſt
Grabbe's wahnwitzige Miſchung des Trivialen mit dem
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Ich bin ſtolz darauf, der Erſte geweſen zu ſein, der im
literariſchen Verkehr und Geſpräch den Namen Georg Büchner's
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/646>, abgerufen am 24.11.2024.
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