Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
IX. Die Familie Büchner.

"Wenn der gottbegnadete Strahl des Genius oder her-
vorragender Geisteskraft", bemerkt Ludwig Büchner in einer
seiner Schriften, "sich unter so vielen Tausenden von Durch-
schnitts-Menschen hier oder da auf ein einzelnes Haupt nieder-
läßt, so bietet ein solches Ereigniß an und für sich Grund
des Erstaunens oder der Bewunderung und gibt der großen
Mehrzahl der Menschen hinreichenden Anlaß, an eine gewisse
Art von "Wunder" zu glauben oder der sehr verbreiteten
Meinung zu huldigen, daß die Genies wie man zu sagen
pflegt, "vom Himmel fallen!" In unserer nüchternen Zeit
freilich, die an keine Wunder mehr glaubt oder glauben will,
pflegt man sich nach andern und solchen Gründen für die
Entstehung der Genies umzusehen, welche mehr mit dem
natürlichen Gang der Dinge zusammenhängen. Man forscht
nach ihrer Herkunft, nach ihrer Familie, nach ihrer Erziehung
und Umgebung, kurz nach jenen mannigfaltigen inneren und
äußeren Einflüßen, welche jeden einzelnen Menschen in seinem
Wesen, wie in seinen Handlungen oder Leistungen bis zu
einem solchen Grade beeinflussen oder bestimmen, daß nach
der Meinung der angesehensten Philosophen der Vergangenheit
und Gegenwart nur ein verhältnißmäßig kleiner Spielraum

IX. Die Familie Büchner.

"Wenn der gottbegnadete Strahl des Genius oder her-
vorragender Geiſteskraft", bemerkt Ludwig Büchner in einer
ſeiner Schriften, "ſich unter ſo vielen Tauſenden von Durch-
ſchnitts-Menſchen hier oder da auf ein einzelnes Haupt nieder-
läßt, ſo bietet ein ſolches Ereigniß an und für ſich Grund
des Erſtaunens oder der Bewunderung und gibt der großen
Mehrzahl der Menſchen hinreichenden Anlaß, an eine gewiſſe
Art von "Wunder" zu glauben oder der ſehr verbreiteten
Meinung zu huldigen, daß die Genies wie man zu ſagen
pflegt, "vom Himmel fallen!" In unſerer nüchternen Zeit
freilich, die an keine Wunder mehr glaubt oder glauben will,
pflegt man ſich nach andern und ſolchen Gründen für die
Entſtehung der Genies umzuſehen, welche mehr mit dem
natürlichen Gang der Dinge zuſammenhängen. Man forſcht
nach ihrer Herkunft, nach ihrer Familie, nach ihrer Erziehung
und Umgebung, kurz nach jenen mannigfaltigen inneren und
äußeren Einflüßen, welche jeden einzelnen Menſchen in ſeinem
Weſen, wie in ſeinen Handlungen oder Leiſtungen bis zu
einem ſolchen Grade beeinfluſſen oder beſtimmen, daß nach
der Meinung der angeſehenſten Philoſophen der Vergangenheit
und Gegenwart nur ein verhältnißmäßig kleiner Spielraum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0652" n="[456]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">IX. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Die Familie Büchner</hi>.</hi></hi> </hi> </head><lb/>
          <p>"Wenn der gottbegnadete Strahl des Genius oder her-<lb/>
vorragender Gei&#x017F;teskraft", bemerkt Ludwig Büchner in einer<lb/>
&#x017F;einer Schriften, "&#x017F;ich unter &#x017F;o vielen Tau&#x017F;enden von Durch-<lb/>
&#x017F;chnitts-Men&#x017F;chen hier oder da auf ein einzelnes Haupt nieder-<lb/>
läßt, &#x017F;o bietet ein &#x017F;olches Ereigniß an und für &#x017F;ich Grund<lb/>
des Er&#x017F;taunens oder der Bewunderung und gibt der großen<lb/>
Mehrzahl der Men&#x017F;chen hinreichenden Anlaß, an eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Art von "Wunder" zu glauben oder der &#x017F;ehr verbreiteten<lb/>
Meinung zu huldigen, daß die Genies wie man zu &#x017F;agen<lb/>
pflegt, "vom Himmel fallen!" In un&#x017F;erer nüchternen Zeit<lb/>
freilich, die an keine Wunder mehr glaubt oder glauben will,<lb/>
pflegt man &#x017F;ich nach andern und &#x017F;olchen Gründen für die<lb/>
Ent&#x017F;tehung der Genies umzu&#x017F;ehen, welche mehr mit dem<lb/>
natürlichen Gang der Dinge zu&#x017F;ammenhängen. Man for&#x017F;cht<lb/>
nach ihrer Herkunft, nach ihrer Familie, nach ihrer Erziehung<lb/>
und Umgebung, kurz nach jenen mannigfaltigen inneren und<lb/>
äußeren Einflüßen, welche jeden einzelnen Men&#x017F;chen in &#x017F;einem<lb/>
We&#x017F;en, wie in &#x017F;einen Handlungen oder Lei&#x017F;tungen bis zu<lb/>
einem &#x017F;olchen Grade beeinflu&#x017F;&#x017F;en oder be&#x017F;timmen, daß nach<lb/>
der Meinung der ange&#x017F;ehen&#x017F;ten Philo&#x017F;ophen der Vergangenheit<lb/>
und Gegenwart nur ein verhältnißmäßig kleiner Spielraum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[456]/0652] IX. Die Familie Büchner. "Wenn der gottbegnadete Strahl des Genius oder her- vorragender Geiſteskraft", bemerkt Ludwig Büchner in einer ſeiner Schriften, "ſich unter ſo vielen Tauſenden von Durch- ſchnitts-Menſchen hier oder da auf ein einzelnes Haupt nieder- läßt, ſo bietet ein ſolches Ereigniß an und für ſich Grund des Erſtaunens oder der Bewunderung und gibt der großen Mehrzahl der Menſchen hinreichenden Anlaß, an eine gewiſſe Art von "Wunder" zu glauben oder der ſehr verbreiteten Meinung zu huldigen, daß die Genies wie man zu ſagen pflegt, "vom Himmel fallen!" In unſerer nüchternen Zeit freilich, die an keine Wunder mehr glaubt oder glauben will, pflegt man ſich nach andern und ſolchen Gründen für die Entſtehung der Genies umzuſehen, welche mehr mit dem natürlichen Gang der Dinge zuſammenhängen. Man forſcht nach ihrer Herkunft, nach ihrer Familie, nach ihrer Erziehung und Umgebung, kurz nach jenen mannigfaltigen inneren und äußeren Einflüßen, welche jeden einzelnen Menſchen in ſeinem Weſen, wie in ſeinen Handlungen oder Leiſtungen bis zu einem ſolchen Grade beeinfluſſen oder beſtimmen, daß nach der Meinung der angeſehenſten Philoſophen der Vergangenheit und Gegenwart nur ein verhältnißmäßig kleiner Spielraum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/652
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. [456]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/652>, abgerufen am 21.11.2024.