Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778.Der schönste der Diener trug hohes Gemüt, Obschon nicht entsprossen aus hohem Geblüt. Gott schuf ja aus Erden den Ritter und Knecht. Ein hoher Sin adelt auch niedres Geschlecht. Und als sie 'mal draussen in frölicher Schaar, Von Schranzen umlagert, am Apfelbaum war, Und alle genossen der lieblichen Frucht, Die ämsig der flinke Lenardo gesucht; Da bot die Prinzessin ein Aepfelchen rar Aus ihrem helsilbernem Körbchen ihm dar, Ein Aepfelchen, rosig und gülden und rund, Dazu sprach ihr holdseliger Mund: "Nim hin für die Mühe! der Apfel sey dein! Das Leckere wuchs nicht für Prinzen allein. Er ist ja so lieblich von aussen zu sehn; Wil wünschen, das drinnen sey zehnmal so schön." Und
Der ſchoͤnſte der Diener trug hohes Gemuͤt, Obſchon nicht entſproſſen aus hohem Gebluͤt. Gott ſchuf ja aus Erden den Ritter und Knecht. Ein hoher Sin adelt auch niedres Geſchlecht. Und als ſie ’mal drauſſen in froͤlicher Schaar, Von Schranzen umlagert, am Apfelbaum war, Und alle genoſſen der lieblichen Frucht, Die aͤmſig der flinke Lenardo geſucht; Da bot die Prinzeſſin ein Aepfelchen rar Aus ihrem helſilbernem Koͤrbchen ihm dar, Ein Aepfelchen, roſig und guͤlden und rund, Dazu ſprach ihr holdſeliger Mund: „Nim hin fuͤr die Muͤhe! der Apfel ſey dein! Das Leckere wuchs nicht fuͤr Prinzen allein. Er iſt ja ſo lieblich von auſſen zu ſehn; Wil wuͤnſchen, das drinnen ſey zehnmal ſo ſchoͤn.„ Und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0281" n="210"/> </l> <lg n="4"> <l>Der ſchoͤnſte der Diener trug hohes Gemuͤt,</l><lb/> <l>Obſchon nicht entſproſſen aus hohem Gebluͤt.</l><lb/> <l>Gott ſchuf ja aus Erden den Ritter und Knecht.</l><lb/> <l>Ein hoher Sin adelt auch niedres Geſchlecht.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und als ſie ’mal drauſſen in froͤlicher Schaar,</l><lb/> <l>Von Schranzen umlagert, am Apfelbaum war,</l><lb/> <l>Und alle genoſſen der lieblichen Frucht,</l><lb/> <l>Die aͤmſig der flinke Lenardo geſucht;</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Da bot die Prinzeſſin ein Aepfelchen rar</l><lb/> <l>Aus ihrem helſilbernem Koͤrbchen ihm dar,</l><lb/> <l>Ein Aepfelchen, roſig und guͤlden und rund,</l><lb/> <l>Dazu ſprach ihr holdſeliger Mund:</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>„Nim hin fuͤr die Muͤhe! der Apfel ſey dein!</l><lb/> <l>Das Leckere wuchs nicht fuͤr Prinzen allein.</l><lb/> <l>Er iſt ja ſo lieblich von auſſen zu ſehn;</l><lb/> <l>Wil wuͤnſchen, das drinnen ſey zehnmal ſo ſchoͤn.„</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0281]
Der ſchoͤnſte der Diener trug hohes Gemuͤt,
Obſchon nicht entſproſſen aus hohem Gebluͤt.
Gott ſchuf ja aus Erden den Ritter und Knecht.
Ein hoher Sin adelt auch niedres Geſchlecht.
Und als ſie ’mal drauſſen in froͤlicher Schaar,
Von Schranzen umlagert, am Apfelbaum war,
Und alle genoſſen der lieblichen Frucht,
Die aͤmſig der flinke Lenardo geſucht;
Da bot die Prinzeſſin ein Aepfelchen rar
Aus ihrem helſilbernem Koͤrbchen ihm dar,
Ein Aepfelchen, roſig und guͤlden und rund,
Dazu ſprach ihr holdſeliger Mund:
„Nim hin fuͤr die Muͤhe! der Apfel ſey dein!
Das Leckere wuchs nicht fuͤr Prinzen allein.
Er iſt ja ſo lieblich von auſſen zu ſehn;
Wil wuͤnſchen, das drinnen ſey zehnmal ſo ſchoͤn.„
Und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/281 |
Zitationshilfe: | Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/281>, abgerufen am 21.06.2024. |