Zum Beschlusse mus ich noch etwas von meiner Rechtschreibung erwänen, wiewol mir die lange Vorrede schon selbst fatal zu werden anfängt. Ich neme Klopstocks Saz, der auch der Saz der gesunden Ver- nunft ist, an: Man schreibt nicht für das Auge, sondern für das Ohr, und mus da- her nicht mehr schreiben, als man ausspre- chen hört. Klopstock fügt hinzu: Auch nicht weniger! wogegen ich aber doch einiges Be- denken zu äusern habe. -- Bin ich aber der Hauptregel überal nachgekommen? -- Nein! und zwar aus der Vorsicht, die ebenfals Klopstock aus gutem Grunde em- pfielt. Man mus nicht alles auf einmal thun wollen, wenn es glüklich von Stat- ten gehn sol. Die Misbräuche eines Tyrannen, wie der Sprachgebrauch ist, lassen sich nur nach und nach untergraben und auswurzeln. Sobald aber die gesun- de Vernunft sie wirklich für Misbräuche er- kent, so mus man es nicht immer gleich-
gültig
Zum Beſchluſſe mus ich noch etwas von meiner Rechtſchreibung erwaͤnen, wiewol mir die lange Vorrede ſchon ſelbſt fatal zu werden anfaͤngt. Ich neme Klopſtocks Saz, der auch der Saz der geſunden Ver- nunft iſt, an: Man ſchreibt nicht fuͤr das Auge, ſondern fuͤr das Ohr, und mus da- her nicht mehr ſchreiben, als man ausſpre- chen hoͤrt. Klopſtock fuͤgt hinzu: Auch nicht weniger! wogegen ich aber doch einiges Be- denken zu aͤuſern habe. — Bin ich aber der Hauptregel uͤberal nachgekommen? — Nein! und zwar aus der Vorſicht, die ebenfals Klopſtock aus gutem Grunde em- pfielt. Man mus nicht alles auf einmal thun wollen, wenn es gluͤklich von Stat- ten gehn ſol. Die Misbraͤuche eines Tyrannen, wie der Sprachgebrauch iſt, laſſen ſich nur nach und nach untergraben und auswurzeln. Sobald aber die geſun- de Vernunft ſie wirklich fuͤr Misbraͤuche er- kent, ſo mus man es nicht immer gleich-
guͤltig
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[XV/0054]
Zum Beſchluſſe mus ich noch etwas von
meiner Rechtſchreibung erwaͤnen, wiewol
mir die lange Vorrede ſchon ſelbſt fatal zu
werden anfaͤngt. Ich neme Klopſtocks
Saz, der auch der Saz der geſunden Ver-
nunft iſt, an: Man ſchreibt nicht fuͤr das
Auge, ſondern fuͤr das Ohr, und mus da-
her nicht mehr ſchreiben, als man ausſpre-
chen hoͤrt. Klopſtock fuͤgt hinzu: Auch nicht
weniger! wogegen ich aber doch einiges Be-
denken zu aͤuſern habe. — Bin ich aber
der Hauptregel uͤberal nachgekommen? —
Nein! und zwar aus der Vorſicht, die
ebenfals Klopſtock aus gutem Grunde em-
pfielt. Man mus nicht alles auf einmal
thun wollen, wenn es gluͤklich von Stat-
ten gehn ſol. Die Misbraͤuche eines
Tyrannen, wie der Sprachgebrauch iſt,
laſſen ſich nur nach und nach untergraben
und auswurzeln. Sobald aber die geſun-
de Vernunft ſie wirklich fuͤr Misbraͤuche er-
kent, ſo mus man es nicht immer gleich-
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Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/54>, abgerufen am 21.11.2024.
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