Aus der allgemeinen Anerkennung dieser und meh- rerer Wahrheiten des Natur- und Völkerrechts ist dann zwar das sogenannte Recht der neutralen Flagge dem Namen nach allgemein gültig gewor- den. Zwar schließt der Begrif des Krieges den Vor- saz ein, dem bekriegten Volke nicht nur allen mögli- chen Schaden bis zu dessen äusserstem Verderben zu tuhn, sondern auch alle Vorteile desselben zu stören und deren Quellen ihm zu verstopfen, auch dem zu- folge das feindliche Gut zu nehmen, wo es nur zu finden ist. Allein einerseits ist die Denkungsart der cultivirten Völker in Ansehung des Krieges viel menschlicher geworden, und der Gedanke an gänzliche Zerstörung und Zernichtung des Feindes jezt so gut als unausführbar. Andererseits haben die handelnden Völker einsehen gelernt, daß, wenn sie die Handlung des Volkes durch Wegnehmung des feindlichen Eigen- tuhms, wo sie es finden, stören, sie ihren eigenen Schaden bewirken. Kein Volk kann die Bedürfnisse ganz und gar entbehren, welche der Boden und der Kunstfleis des bekriegten Volkes ihm gewährt, oder mögte gerne dem Gewinn ganz entsagen, den es aus dem Handel mit demselben zu ziehen gewohnt war. Man hat also schon lange eine jede Handlung und Schiffahrt als den Krieg nicht angehend angesehen, welche von einem friedlichen Volke auf eine solche Art
C. 6. In Anſehung der Schiffahrt.
§. 12.
Aus der allgemeinen Anerkennung dieſer und meh- rerer Wahrheiten des Natur- und Voͤlkerrechts iſt dann zwar das ſogenannte Recht der neutralen Flagge dem Namen nach allgemein guͤltig gewor- den. Zwar ſchließt der Begrif des Krieges den Vor- ſaz ein, dem bekriegten Volke nicht nur allen moͤgli- chen Schaden bis zu deſſen aͤuſſerſtem Verderben zu tuhn, ſondern auch alle Vorteile deſſelben zu ſtoͤren und deren Quellen ihm zu verſtopfen, auch dem zu- folge das feindliche Gut zu nehmen, wo es nur zu finden iſt. Allein einerſeits iſt die Denkungsart der cultivirten Voͤlker in Anſehung des Krieges viel menſchlicher geworden, und der Gedanke an gaͤnzliche Zerſtoͤrung und Zernichtung des Feindes jezt ſo gut als unausfuͤhrbar. Andererſeits haben die handelnden Voͤlker einſehen gelernt, daß, wenn ſie die Handlung des Volkes durch Wegnehmung des feindlichen Eigen- tuhms, wo ſie es finden, ſtoͤren, ſie ihren eigenen Schaden bewirken. Kein Volk kann die Beduͤrfniſſe ganz und gar entbehren, welche der Boden und der Kunſtfleis des bekriegten Volkes ihm gewaͤhrt, oder moͤgte gerne dem Gewinn ganz entſagen, den es aus dem Handel mit demſelben zu ziehen gewohnt war. Man hat alſo ſchon lange eine jede Handlung und Schiffahrt als den Krieg nicht angehend angeſehen, welche von einem friedlichen Volke auf eine ſolche Art
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C. 6. In Anſehung der Schiffahrt.
§. 12.
Aus der allgemeinen Anerkennung dieſer und meh-
rerer Wahrheiten des Natur- und Voͤlkerrechts iſt dann
zwar das ſogenannte Recht der neutralen
Flagge dem Namen nach allgemein guͤltig gewor-
den. Zwar ſchließt der Begrif des Krieges den Vor-
ſaz ein, dem bekriegten Volke nicht nur allen moͤgli-
chen Schaden bis zu deſſen aͤuſſerſtem Verderben zu
tuhn, ſondern auch alle Vorteile deſſelben zu ſtoͤren
und deren Quellen ihm zu verſtopfen, auch dem zu-
folge das feindliche Gut zu nehmen, wo es nur zu
finden iſt. Allein einerſeits iſt die Denkungsart der
cultivirten Voͤlker in Anſehung des Krieges viel
menſchlicher geworden, und der Gedanke an gaͤnzliche
Zerſtoͤrung und Zernichtung des Feindes jezt ſo gut
als unausfuͤhrbar. Andererſeits haben die handelnden
Voͤlker einſehen gelernt, daß, wenn ſie die Handlung
des Volkes durch Wegnehmung des feindlichen Eigen-
tuhms, wo ſie es finden, ſtoͤren, ſie ihren eigenen
Schaden bewirken. Kein Volk kann die Beduͤrfniſſe
ganz und gar entbehren, welche der Boden und der
Kunſtfleis des bekriegten Volkes ihm gewaͤhrt, oder
moͤgte gerne dem Gewinn ganz entſagen, den es aus
dem Handel mit demſelben zu ziehen gewohnt war.
Man hat alſo ſchon lange eine jede Handlung und
Schiffahrt als den Krieg nicht angehend angeſehen,
welche von einem friedlichen Volke auf eine ſolche Art
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Büsch, Johann Georg: Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften. Bd. 2. Hamburg, 1792, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buesch_handlung02_1792/307>, abgerufen am 22.11.2024.
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