chen Venedig wimmelt, sind fast lauter Improvisationen. Wer sie durchgeht, wird neben den schnöden, von Tintoretto erborgten Ma- nieren hie und da einen guten Gedanken und schöne Farbenpartien finden, aber als Ganzes lohnen sie diess Studium nicht. -- Ungleich ehrlicher war Alessandro Varotari, gen. Padovanino (1590 bis 1650) auf das wahre Ziel der Kunst gerichtet, brachte es aber nicht über die Nachahmung Tizians und Paolo's hinaus und vermischte mit diesen Studien einen etwas leblosen Idealismus. Immerhin ist aseine Hochzeit von Kana (Academie) ein höchst achtungswerthes und schönes Werk.
Noch später stärkten sich einzelne Talente an dem Vorbild Pao- lo's und brachten zu guter Stunde sehr ansprechende Werke hervor. So Lazzarini, Angeli, Fumiani, auch Tiepolo (st. 1770), wenn er nicht schmiert. Von Fumiani (st. 1710) ist u. a. die unge- bheure Deckenmalerei in S. Pantaleone merkwürdig, welche nicht mehr aus vielen einzeln eingerahmten Bildern, sondern aus Einer grossen Composition mit perspectivischer Anordnung in Pozzo's Art (S. 387) besteht, übrigens doch nicht al fresco, sondern auf aufgenagelten Tuch- flächen gemalt ist; Thaten und Glorie S. Pantaleons enthaltend. -- Pietro Liberi hängt in den Formen schon sehr von Pietro da Cor- tona ab. Sein Schüler war Carlo Lotti (st. 1698). -- Von Piaz- zetta's Genrebildern wie von den Veduten der beiden Canaletti wird man das Beste ausserhalb Venedigs und Italiens suchen müssen. -- Von dem brillanten Orbetto (eigentl. Aless. Turchi aus Verona) ist in öffentlichen Galerien und Kirchen nur Weniges vorhanden.
Wie die älteste venezianische Malerei in der Marcuskirche, so hat sich die späteste, die der Nachfolger Tizians im Dogenpalast (Räume des zweiten Stockwerkes) verewigt. Die decorative Anord- nung und Einrahmung wurde oben (S. 291) geschildert; hier handelt es sich wesentlich um die Frage: wie die Künstler ihr Gesammtthema: die Verherrlichung Venedigs, auffassten.
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Schon im Atrio quadrato empfängt uns Tintoretto mit einem jener Votivbilder (an der Decke), welche den Dogen mit Heiligen und Allegorien umgeben darstellen, wovon unten. -- Die perspectivische
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
chen Venedig wimmelt, sind fast lauter Improvisationen. Wer sie durchgeht, wird neben den schnöden, von Tintoretto erborgten Ma- nieren hie und da einen guten Gedanken und schöne Farbenpartien finden, aber als Ganzes lohnen sie diess Studium nicht. — Ungleich ehrlicher war Alessandro Varotari, gen. Padovanino (1590 bis 1650) auf das wahre Ziel der Kunst gerichtet, brachte es aber nicht über die Nachahmung Tizians und Paolo’s hinaus und vermischte mit diesen Studien einen etwas leblosen Idealismus. Immerhin ist aseine Hochzeit von Kana (Academie) ein höchst achtungswerthes und schönes Werk.
Noch später stärkten sich einzelne Talente an dem Vorbild Pao- lo’s und brachten zu guter Stunde sehr ansprechende Werke hervor. So Lazzarini, Angeli, Fumiani, auch Tiepolo (st. 1770), wenn er nicht schmiert. Von Fumiani (st. 1710) ist u. a. die unge- bheure Deckenmalerei in S. Pantaleone merkwürdig, welche nicht mehr aus vielen einzeln eingerahmten Bildern, sondern aus Einer grossen Composition mit perspectivischer Anordnung in Pozzo’s Art (S. 387) besteht, übrigens doch nicht al fresco, sondern auf aufgenagelten Tuch- flächen gemalt ist; Thaten und Glorie S. Pantaleons enthaltend. — Pietro Liberi hängt in den Formen schon sehr von Pietro da Cor- tona ab. Sein Schüler war Carlo Lotti (st. 1698). — Von Piaz- zetta’s Genrebildern wie von den Veduten der beiden Canaletti wird man das Beste ausserhalb Venedigs und Italiens suchen müssen. — Von dem brillanten Orbetto (eigentl. Aless. Turchi aus Verona) ist in öffentlichen Galerien und Kirchen nur Weniges vorhanden.
Wie die älteste venezianische Malerei in der Marcuskirche, so hat sich die späteste, die der Nachfolger Tizians im Dogenpalast (Räume des zweiten Stockwerkes) verewigt. Die decorative Anord- nung und Einrahmung wurde oben (S. 291) geschildert; hier handelt es sich wesentlich um die Frage: wie die Künstler ihr Gesammtthema: die Verherrlichung Venedigs, auffassten.
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Schon im Atrio quadrato empfängt uns Tintoretto mit einem jener Votivbilder (an der Decke), welche den Dogen mit Heiligen und Allegorien umgeben darstellen, wovon unten. — Die perspectivische
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
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nieren hie und da einen guten Gedanken und schöne Farbenpartien
finden, aber als Ganzes lohnen sie diess Studium nicht. — Ungleich
ehrlicher war Alessandro Varotari, gen. Padovanino (1590
bis 1650) auf das wahre Ziel der Kunst gerichtet, brachte es aber
nicht über die Nachahmung Tizians und Paolo’s hinaus und vermischte
mit diesen Studien einen etwas leblosen Idealismus. Immerhin ist
seine Hochzeit von Kana (Academie) ein höchst achtungswerthes und
schönes Werk.
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Noch später stärkten sich einzelne Talente an dem Vorbild Pao-
lo’s und brachten zu guter Stunde sehr ansprechende Werke hervor.
So Lazzarini, Angeli, Fumiani, auch Tiepolo (st. 1770),
wenn er nicht schmiert. Von Fumiani (st. 1710) ist u. a. die unge-
heure Deckenmalerei in S. Pantaleone merkwürdig, welche nicht mehr
aus vielen einzeln eingerahmten Bildern, sondern aus Einer grossen
Composition mit perspectivischer Anordnung in Pozzo’s Art (S. 387)
besteht, übrigens doch nicht al fresco, sondern auf aufgenagelten Tuch-
flächen gemalt ist; Thaten und Glorie S. Pantaleons enthaltend. —
Pietro Liberi hängt in den Formen schon sehr von Pietro da Cor-
tona ab. Sein Schüler war Carlo Lotti (st. 1698). — Von Piaz-
zetta’s Genrebildern wie von den Veduten der beiden Canaletti
wird man das Beste ausserhalb Venedigs und Italiens suchen müssen.
— Von dem brillanten Orbetto (eigentl. Aless. Turchi aus Verona)
ist in öffentlichen Galerien und Kirchen nur Weniges vorhanden.
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Wie die älteste venezianische Malerei in der Marcuskirche, so
hat sich die späteste, die der Nachfolger Tizians im Dogenpalast
(Räume des zweiten Stockwerkes) verewigt. Die decorative Anord-
nung und Einrahmung wurde oben (S. 291) geschildert; hier handelt
es sich wesentlich um die Frage: wie die Künstler ihr Gesammtthema:
die Verherrlichung Venedigs, auffassten.
Schon im Atrio quadrato empfängt uns Tintoretto mit einem
jener Votivbilder (an der Decke), welche den Dogen mit Heiligen und
Allegorien umgeben darstellen, wovon unten. — Die perspectivische
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 990. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1012>, abgerufen am 05.12.2024.
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