(Vorzimmer der Capelle: gute Bilder von Bonifazio unda Tintoretto; über Tizians S. Christoph s. S. 970, g.)
Sala del consiglio de' Dieci. Grosse, friesartige Cere-b monienbilder von Leandro Bassano, Marco Vecellio und dem Aliense, in dessen "Anbetung der Könige" Zug, Gepäck und Episoden zwei Drittheile des Raumes einnehmen. Viele sehr schöne Einzelheiten. -- An der Decke fehlt das Mittelbild; ringsum die schön gemalten Al- legorien, welche man durchweg dem Paolo zuschreiben möchte, von welchem doch nur der Alte mit dem reizenden jungen Weib herrührt; das Übrige ist von dem wenig genannten Ponchino, gen. Bazzacco.
Sala della Bussola. Die Übergaben von Brescia und Ber-c gamo, mit guten Episoden, vom Aliense. -- In der Sala de' capi geringere allegorische Malereien.
Noch immer keine römische Geschichte, welche sonst in italieni- schen Rathspalästen so unvermeidlich ist? Es lag ein gerechter und grossartiger Stolz darin, dass man sie im Dogenpalast zu Venedig ent- behren konnte.
Sala del maggior consiglio. In den historischen Wand-d bildern wird der Moment (fast lauter Ceremonien und Schlachten) in der Regel durch Accessorien erstickt. Volksgewühl und Handgemenge, ohne irgend ein Liniengefühl und ohne rechte Naivetät vorgetragen, ermüden den Blick sehr bald. Auch der Kunstverderber Federigo Zuccaro hat sich hier eingedrängt. -- Tintoretto's colossales Paradies galt damals gewiss für schöner als Michelangelo's Weltgericht und ist jedenfalls viel mehr werth als die Kuppelmalerei des Domes von Flo- renz. Allein der Realismus dieser Gestalten ist mit ihrer voraus- gesetzten Coexistenz im Raume ganz unverträglich; Alles ist dermassen angefüllt, dass auch die fernste Tiefe wieder eine ziemlich nahe Wand von Gesichtern zeigt. Um lauter Lebendiges zu geben, beschränkte T. die Wolken auf das Nothwendigste und liess seine Heiligen in einer Art schweben, baumeln, auf dem Mantel oder auf gar nichts lehnen und liegen, dass dem Beschauer in ihrem Namen schwindlich wird; die fliegenden Engel wirken wahrhaft wohlthätig daneben. Die Composition zerstreut sich in lauter Farben- und Lichtflecke, und nimmt nur in der Mitte einen bessern Anlauf. Aber die grosse Menge vorzüglicher Köpfe, meist auf dem hellen Grunde ihres Nimbus, geben
B. Cicerone. 63
Malereien des Dogenpalastes.
(Vorzimmer der Capelle: gute Bilder von Bonifazio unda Tintoretto; über Tizians S. Christoph s. S. 970, g.)
Sala del consiglio de’ Dieci. Grosse, friesartige Cere-b monienbilder von Leandro Bassano, Marco Vecellio und dem Aliense, in dessen „Anbetung der Könige“ Zug, Gepäck und Episoden zwei Drittheile des Raumes einnehmen. Viele sehr schöne Einzelheiten. — An der Decke fehlt das Mittelbild; ringsum die schön gemalten Al- legorien, welche man durchweg dem Paolo zuschreiben möchte, von welchem doch nur der Alte mit dem reizenden jungen Weib herrührt; das Übrige ist von dem wenig genannten Ponchino, gen. Bazzacco.
Sala della Bussola. Die Übergaben von Brescia und Ber-c gamo, mit guten Episoden, vom Aliense. — In der Sala de’ capi geringere allegorische Malereien.
Noch immer keine römische Geschichte, welche sonst in italieni- schen Rathspalästen so unvermeidlich ist? Es lag ein gerechter und grossartiger Stolz darin, dass man sie im Dogenpalast zu Venedig ent- behren konnte.
Sala del maggior consiglio. In den historischen Wand-d bildern wird der Moment (fast lauter Ceremonien und Schlachten) in der Regel durch Accessorien erstickt. Volksgewühl und Handgemenge, ohne irgend ein Liniengefühl und ohne rechte Naivetät vorgetragen, ermüden den Blick sehr bald. Auch der Kunstverderber Federigo Zuccaro hat sich hier eingedrängt. — Tintoretto’s colossales Paradies galt damals gewiss für schöner als Michelangelo’s Weltgericht und ist jedenfalls viel mehr werth als die Kuppelmalerei des Domes von Flo- renz. Allein der Realismus dieser Gestalten ist mit ihrer voraus- gesetzten Coexistenz im Raume ganz unverträglich; Alles ist dermassen angefüllt, dass auch die fernste Tiefe wieder eine ziemlich nahe Wand von Gesichtern zeigt. Um lauter Lebendiges zu geben, beschränkte T. die Wolken auf das Nothwendigste und liess seine Heiligen in einer Art schweben, baumeln, auf dem Mantel oder auf gar nichts lehnen und liegen, dass dem Beschauer in ihrem Namen schwindlich wird; die fliegenden Engel wirken wahrhaft wohlthätig daneben. Die Composition zerstreut sich in lauter Farben- und Lichtflecke, und nimmt nur in der Mitte einen bessern Anlauf. Aber die grosse Menge vorzüglicher Köpfe, meist auf dem hellen Grunde ihres Nimbus, geben
B. Cicerone. 63
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Malereien des Dogenpalastes.
(Vorzimmer der Capelle: gute Bilder von Bonifazio und
Tintoretto; über Tizians S. Christoph s. S. 970, g.)
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Sala del consiglio de’ Dieci. Grosse, friesartige Cere-
monienbilder von Leandro Bassano, Marco Vecellio und dem Aliense,
in dessen „Anbetung der Könige“ Zug, Gepäck und Episoden zwei
Drittheile des Raumes einnehmen. Viele sehr schöne Einzelheiten. —
An der Decke fehlt das Mittelbild; ringsum die schön gemalten Al-
legorien, welche man durchweg dem Paolo zuschreiben möchte, von
welchem doch nur der Alte mit dem reizenden jungen Weib herrührt;
das Übrige ist von dem wenig genannten Ponchino, gen. Bazzacco.
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Sala della Bussola. Die Übergaben von Brescia und Ber-
gamo, mit guten Episoden, vom Aliense. — In der Sala de’ capi
geringere allegorische Malereien.
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Noch immer keine römische Geschichte, welche sonst in italieni-
schen Rathspalästen so unvermeidlich ist? Es lag ein gerechter und
grossartiger Stolz darin, dass man sie im Dogenpalast zu Venedig ent-
behren konnte.
Sala del maggior consiglio. In den historischen Wand-
bildern wird der Moment (fast lauter Ceremonien und Schlachten) in
der Regel durch Accessorien erstickt. Volksgewühl und Handgemenge,
ohne irgend ein Liniengefühl und ohne rechte Naivetät vorgetragen,
ermüden den Blick sehr bald. Auch der Kunstverderber Federigo
Zuccaro hat sich hier eingedrängt. — Tintoretto’s colossales Paradies
galt damals gewiss für schöner als Michelangelo’s Weltgericht und ist
jedenfalls viel mehr werth als die Kuppelmalerei des Domes von Flo-
renz. Allein der Realismus dieser Gestalten ist mit ihrer voraus-
gesetzten Coexistenz im Raume ganz unverträglich; Alles ist dermassen
angefüllt, dass auch die fernste Tiefe wieder eine ziemlich nahe Wand
von Gesichtern zeigt. Um lauter Lebendiges zu geben, beschränkte
T. die Wolken auf das Nothwendigste und liess seine Heiligen in
einer Art schweben, baumeln, auf dem Mantel oder auf gar nichts
lehnen und liegen, dass dem Beschauer in ihrem Namen schwindlich
wird; die fliegenden Engel wirken wahrhaft wohlthätig daneben. Die
Composition zerstreut sich in lauter Farben- und Lichtflecke, und
nimmt nur in der Mitte einen bessern Anlauf. Aber die grosse Menge
vorzüglicher Köpfe, meist auf dem hellen Grunde ihres Nimbus, geben
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 993. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1015>, abgerufen am 05.12.2024.
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