Scenen gemalt haben. -- Paolo Veronese: der Raub der Europa, schönster Beleg für die venezianische Umdichtung des Mythologischen in eine theils pomphaft theils anmuthig sinnliche Wirklichkeit; das Vorgefühl der seltsamen Abreise, die eilige Toilette, wozu die Putten Blumen und Kränze bringen, bilden einen köstlichen Moment. -- An der Decke eine thronende Venezia Paolo's, al fresco, das einzige po- litische Bild dieses Saales, wo der venez. Staat sonst nur das Schönste verlangt, das im Bereich seiner damaligen Künstler liegt.
a
Sala del collegio. Tintoretto's vier grosse Votivbilder von Dogen, welche, meist steinalt, in ihrer halbbyzantinischen Amtstracht vor der Madonna oder Christus knieen und dabei von zahlreichen Heiligen empfohlen werden. Ihre streng ceremonielle Andacht würde besser in Mosaiken passen als in die oft sehr affectvolle und bewegte heilige Gesellschaft, unter welche sich hier und anderswo auch alle- gorische Personen handelnd mischen. Übrigens ist schon das Breit- format dem überirdischen Inhalt nicht günstig; die Visionen müssen zur ebenen Erde herabrücken. -- Viel mehr Wärme zeigt an einem dankbarern Gegenstand (hintere Wand) Paolo Veronese; sein Sieger von Lepanto, Seb. Veniero, kommt in hastiger Begeisterung heran, um von seinen Begleitern S. Marcus, Venezia, Fides, S. Justina dem niederschwebenden Christus empfohlen zu werden. -- Die sämmtlichen 11 Gemälde und 6 Chiaroscuri der Decke gehören vollends zu P.'s schönsten und frischesten Malereien; hier u. a. wieder eine thronende Venezia mit zwei andern Göttinnen, welche zeigen wie sich P. bei der Untensicht zu helfen wusste; er gewann seinen allerliebsten Fett- köpfchen gerade diejenigen Reize der Bildung und des Helldunkels, welche sich nur hier offenbaren, ganz meisterlich ab.
b
Sala del Senato. Hier fahren Tintoretto und Palma giov. mit ihren Votivbildern fort; u. a. eine auf Wolken niederschwebende Pieta von 2 Dogen angebetet. -- Das Äusserste von Lächerlichkeit leistet Palma's Allegorie der Liga von Cambray; die Stierreiterin stellt das "verbündete Europa" vor. -- Noch ein Programm der Orthodoxie, von Dolabella: Doge und Procuratoren beten die Hostie an, die auf einem von Geistlichen und Armen umgebenen Altar steht. -- Tinto- retto's Deckenbild zeigt, wie ihn Michelangelo irre gemacht hatte; statt Paolo's Naivetät und Raumsinn ein wüstes Durcheinanderschweben. --
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
Scenen gemalt haben. — Paolo Veronese: der Raub der Europa, schönster Beleg für die venezianische Umdichtung des Mythologischen in eine theils pomphaft theils anmuthig sinnliche Wirklichkeit; das Vorgefühl der seltsamen Abreise, die eilige Toilette, wozu die Putten Blumen und Kränze bringen, bilden einen köstlichen Moment. — An der Decke eine thronende Venezia Paolo’s, al fresco, das einzige po- litische Bild dieses Saales, wo der venez. Staat sonst nur das Schönste verlangt, das im Bereich seiner damaligen Künstler liegt.
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Sala del collegio. Tintoretto’s vier grosse Votivbilder von Dogen, welche, meist steinalt, in ihrer halbbyzantinischen Amtstracht vor der Madonna oder Christus knieen und dabei von zahlreichen Heiligen empfohlen werden. Ihre streng ceremonielle Andacht würde besser in Mosaiken passen als in die oft sehr affectvolle und bewegte heilige Gesellschaft, unter welche sich hier und anderswo auch alle- gorische Personen handelnd mischen. Übrigens ist schon das Breit- format dem überirdischen Inhalt nicht günstig; die Visionen müssen zur ebenen Erde herabrücken. — Viel mehr Wärme zeigt an einem dankbarern Gegenstand (hintere Wand) Paolo Veronese; sein Sieger von Lepanto, Seb. Veniero, kommt in hastiger Begeisterung heran, um von seinen Begleitern S. Marcus, Venezia, Fides, S. Justina dem niederschwebenden Christus empfohlen zu werden. — Die sämmtlichen 11 Gemälde und 6 Chiaroscuri der Decke gehören vollends zu P.’s schönsten und frischesten Malereien; hier u. a. wieder eine thronende Venezia mit zwei andern Göttinnen, welche zeigen wie sich P. bei der Untensicht zu helfen wusste; er gewann seinen allerliebsten Fett- köpfchen gerade diejenigen Reize der Bildung und des Helldunkels, welche sich nur hier offenbaren, ganz meisterlich ab.
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Sala del Senato. Hier fahren Tintoretto und Palma giov. mit ihren Votivbildern fort; u. a. eine auf Wolken niederschwebende Pietà von 2 Dogen angebetet. — Das Äusserste von Lächerlichkeit leistet Palma’s Allegorie der Liga von Cambray; die Stierreiterin stellt das „verbündete Europa“ vor. — Noch ein Programm der Orthodoxie, von Dolabella: Doge und Procuratoren beten die Hostie an, die auf einem von Geistlichen und Armen umgebenen Altar steht. — Tinto- retto’s Deckenbild zeigt, wie ihn Michelangelo irre gemacht hatte; statt Paolo’s Naivetät und Raumsinn ein wüstes Durcheinanderschweben. —
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
Scenen gemalt haben. — Paolo Veronese: der Raub der Europa,
schönster Beleg für die venezianische Umdichtung des Mythologischen
in eine theils pomphaft theils anmuthig sinnliche Wirklichkeit; das
Vorgefühl der seltsamen Abreise, die eilige Toilette, wozu die Putten
Blumen und Kränze bringen, bilden einen köstlichen Moment. — An
der Decke eine thronende Venezia Paolo’s, al fresco, das einzige po-
litische Bild dieses Saales, wo der venez. Staat sonst nur das Schönste
verlangt, das im Bereich seiner damaligen Künstler liegt.
Sala del collegio. Tintoretto’s vier grosse Votivbilder von
Dogen, welche, meist steinalt, in ihrer halbbyzantinischen Amtstracht
vor der Madonna oder Christus knieen und dabei von zahlreichen
Heiligen empfohlen werden. Ihre streng ceremonielle Andacht würde
besser in Mosaiken passen als in die oft sehr affectvolle und bewegte
heilige Gesellschaft, unter welche sich hier und anderswo auch alle-
gorische Personen handelnd mischen. Übrigens ist schon das Breit-
format dem überirdischen Inhalt nicht günstig; die Visionen müssen
zur ebenen Erde herabrücken. — Viel mehr Wärme zeigt an einem
dankbarern Gegenstand (hintere Wand) Paolo Veronese; sein Sieger
von Lepanto, Seb. Veniero, kommt in hastiger Begeisterung heran,
um von seinen Begleitern S. Marcus, Venezia, Fides, S. Justina dem
niederschwebenden Christus empfohlen zu werden. — Die sämmtlichen
11 Gemälde und 6 Chiaroscuri der Decke gehören vollends zu P.’s
schönsten und frischesten Malereien; hier u. a. wieder eine thronende
Venezia mit zwei andern Göttinnen, welche zeigen wie sich P. bei
der Untensicht zu helfen wusste; er gewann seinen allerliebsten Fett-
köpfchen gerade diejenigen Reize der Bildung und des Helldunkels,
welche sich nur hier offenbaren, ganz meisterlich ab.
Sala del Senato. Hier fahren Tintoretto und Palma giov.
mit ihren Votivbildern fort; u. a. eine auf Wolken niederschwebende
Pietà von 2 Dogen angebetet. — Das Äusserste von Lächerlichkeit
leistet Palma’s Allegorie der Liga von Cambray; die Stierreiterin stellt
das „verbündete Europa“ vor. — Noch ein Programm der Orthodoxie,
von Dolabella: Doge und Procuratoren beten die Hostie an, die auf
einem von Geistlichen und Armen umgebenen Altar steht. — Tinto-
retto’s Deckenbild zeigt, wie ihn Michelangelo irre gemacht hatte; statt
Paolo’s Naivetät und Raumsinn ein wüstes Durcheinanderschweben. —
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 992. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1014>, abgerufen am 05.12.2024.
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