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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Christliche Architektur. Basiliken.
in Übung sind und während die verfügbaren antiken Säulen u. s. w.
bereits auf das Empfindlichste abnehmen. Die einzige wesentliche Ver-
änderung in dieser langen Zeit besteht in einem stärkern Verhältniss
der Höhe zur Breite in den römischen Basiliken des zweiten Jahrtau-
sends. Rom überliess es dem Ausland, aus dem grossen urchristli-
chen Gedanken des perspectivischen Langbaues die weitern Conse-
quenzen zu ziehen. Nach einer Reihe von Umbildungen, die in der
Kunstgeschichte zuerst nach Jahrhunderten, später nach Jahrzehnden
nachzuweisen sind, ging aus der Basilica ein Kölner Dom hervor.

Wenn nun aber auch dieser Bauform jede eigentliche Entwick-
lung fehlt, wenn sie die antiken Überbleibsel in einem ganz andern
Sinne aufbraucht als für den sie geschaffen sind, so giebt sie doch
grosse, einfache Motive und Contraste. Die colossale halbrunde Nische
als Abschluss des quadratischen Ganzen und des langen geraden Haupt-
schiffes hatte vielleicht in keinem antiken Gebäude so hochbedeutend
wirken dürfen. Überdiess lernt man den Werth grosser antiker Colon-
naden, welche ja fast sämmtlich diesen und ähnlichen Zwecken auf-
geopfert wurden, geradezu nur aus den christlichen Basiliken kennen.
Wer Sanct Paul vor dem Brande mit seinen vier Reihen von je zwan-
zig Säulen phrygischen und numidischen Marmors gesehen hat, ver-
sichert, dass ein architektonischer Anblick gleich diesem auf der Welt
nicht mehr vorhanden sei.

Nicht unwesentlich für die Grössenwirkung erscheint es auch, dass
alle Zierbauten im Innern, der Altar sammt Tabernakel, die Kanzeln,
Pulte u. s. w. ziemlich klein gebildet wurden, d. h. nicht grösser als
der Gebrauch es verlangte. Die Decoration der Barockzeit glaubte
diese Stücke in einem vermeintlichen "Verhältniss" zu der Grösse des
Baues bilden zu müssen, während sie doch nur zu der Grösse des
Menschen, der sie bedienen, besteigen etc. soll, in einem natürlichen
Verhältniss stehen. Bernini's Riesentabernakel in S. Peter, die Riesen-
kanzeln im Dom von Mailand und andere Verirrungen dieser Art wer-
den dem Reisenden nur zu nachdrücklich in die Augen fallen.


Von den Basiliken Roms zählen wir hier nur diejenigen auf, in
welchen das Ursprüngliche noch kenntlich vorherrscht.

Christliche Architektur. Basiliken.
in Übung sind und während die verfügbaren antiken Säulen u. s. w.
bereits auf das Empfindlichste abnehmen. Die einzige wesentliche Ver-
änderung in dieser langen Zeit besteht in einem stärkern Verhältniss
der Höhe zur Breite in den römischen Basiliken des zweiten Jahrtau-
sends. Rom überliess es dem Ausland, aus dem grossen urchristli-
chen Gedanken des perspectivischen Langbaues die weitern Conse-
quenzen zu ziehen. Nach einer Reihe von Umbildungen, die in der
Kunstgeschichte zuerst nach Jahrhunderten, später nach Jahrzehnden
nachzuweisen sind, ging aus der Basilica ein Kölner Dom hervor.

Wenn nun aber auch dieser Bauform jede eigentliche Entwick-
lung fehlt, wenn sie die antiken Überbleibsel in einem ganz andern
Sinne aufbraucht als für den sie geschaffen sind, so giebt sie doch
grosse, einfache Motive und Contraste. Die colossale halbrunde Nische
als Abschluss des quadratischen Ganzen und des langen geraden Haupt-
schiffes hatte vielleicht in keinem antiken Gebäude so hochbedeutend
wirken dürfen. Überdiess lernt man den Werth grosser antiker Colon-
naden, welche ja fast sämmtlich diesen und ähnlichen Zwecken auf-
geopfert wurden, geradezu nur aus den christlichen Basiliken kennen.
Wer Sanct Paul vor dem Brande mit seinen vier Reihen von je zwan-
zig Säulen phrygischen und numidischen Marmors gesehen hat, ver-
sichert, dass ein architektonischer Anblick gleich diesem auf der Welt
nicht mehr vorhanden sei.

Nicht unwesentlich für die Grössenwirkung erscheint es auch, dass
alle Zierbauten im Innern, der Altar sammt Tabernakel, die Kanzeln,
Pulte u. s. w. ziemlich klein gebildet wurden, d. h. nicht grösser als
der Gebrauch es verlangte. Die Decoration der Barockzeit glaubte
diese Stücke in einem vermeintlichen „Verhältniss“ zu der Grösse des
Baues bilden zu müssen, während sie doch nur zu der Grösse des
Menschen, der sie bedienen, besteigen etc. soll, in einem natürlichen
Verhältniss stehen. Bernini’s Riesentabernakel in S. Peter, die Riesen-
kanzeln im Dom von Mailand und andere Verirrungen dieser Art wer-
den dem Reisenden nur zu nachdrücklich in die Augen fallen.


Von den Basiliken Roms zählen wir hier nur diejenigen auf, in
welchen das Ursprüngliche noch kenntlich vorherrscht.

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[80/0102] Christliche Architektur. Basiliken. in Übung sind und während die verfügbaren antiken Säulen u. s. w. bereits auf das Empfindlichste abnehmen. Die einzige wesentliche Ver- änderung in dieser langen Zeit besteht in einem stärkern Verhältniss der Höhe zur Breite in den römischen Basiliken des zweiten Jahrtau- sends. Rom überliess es dem Ausland, aus dem grossen urchristli- chen Gedanken des perspectivischen Langbaues die weitern Conse- quenzen zu ziehen. Nach einer Reihe von Umbildungen, die in der Kunstgeschichte zuerst nach Jahrhunderten, später nach Jahrzehnden nachzuweisen sind, ging aus der Basilica ein Kölner Dom hervor. Wenn nun aber auch dieser Bauform jede eigentliche Entwick- lung fehlt, wenn sie die antiken Überbleibsel in einem ganz andern Sinne aufbraucht als für den sie geschaffen sind, so giebt sie doch grosse, einfache Motive und Contraste. Die colossale halbrunde Nische als Abschluss des quadratischen Ganzen und des langen geraden Haupt- schiffes hatte vielleicht in keinem antiken Gebäude so hochbedeutend wirken dürfen. Überdiess lernt man den Werth grosser antiker Colon- naden, welche ja fast sämmtlich diesen und ähnlichen Zwecken auf- geopfert wurden, geradezu nur aus den christlichen Basiliken kennen. Wer Sanct Paul vor dem Brande mit seinen vier Reihen von je zwan- zig Säulen phrygischen und numidischen Marmors gesehen hat, ver- sichert, dass ein architektonischer Anblick gleich diesem auf der Welt nicht mehr vorhanden sei. Nicht unwesentlich für die Grössenwirkung erscheint es auch, dass alle Zierbauten im Innern, der Altar sammt Tabernakel, die Kanzeln, Pulte u. s. w. ziemlich klein gebildet wurden, d. h. nicht grösser als der Gebrauch es verlangte. Die Decoration der Barockzeit glaubte diese Stücke in einem vermeintlichen „Verhältniss“ zu der Grösse des Baues bilden zu müssen, während sie doch nur zu der Grösse des Menschen, der sie bedienen, besteigen etc. soll, in einem natürlichen Verhältniss stehen. Bernini’s Riesentabernakel in S. Peter, die Riesen- kanzeln im Dom von Mailand und andere Verirrungen dieser Art wer- den dem Reisenden nur zu nachdrücklich in die Augen fallen. Von den Basiliken Roms zählen wir hier nur diejenigen auf, in welchen das Ursprüngliche noch kenntlich vorherrscht.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/102>, abgerufen am 04.12.2024.