Bilder in der Pinacoteca. (Über Laureti vgl. S. 964.) -- Sie allea überragt der schon als Baumeister (S. 347) genannte Pellegrino Tibaldi (1527--1591), welchen die Caracci als den wahren Reprä- sentanten des Überganges von den grossen Meistern auf ihre Epoche anerkannten. Er ist einer von den Wenigen, welche dem emsigen Naturstudium treu blieben und die Formen nicht aus zweiter Hand produciren wollten; seine Fresken im untern Saal der Universität ent-b halten u. a. jene vier nackten, auf bekränzten Balustraden sitzenden Füllfiguren, deren Trefflichkeit neben den mythologischen Hauptbil- dern wunderbar absticht; -- das grosse Fresco in S. Giacomo mag-c giore aber (Cap. am rechten Querschiff) ist auch in der Verwirklichung eines bedeutenden symbolischen Gedankens ("Viele sind berufen, We- nige auserwählet") beinahe grossartig zu nennen; von den Fresken in der Remigiuscapelle zu S. Luigi de' Francesi in Rom (vierte Ca-d pelle rechts) gehört ihm das schon manierirtere Deckenbild; die Wand- bilder mit Chlodwigs Heerzug und Eidschwur sind von Sermoneta und Giac. del Conte.
Für Ravenna ist Luca Longhi zu nennen, der bisweilen noch in der Art der bolognesischen Nachahmer Rafaels (S. 940) an die beste Zeit erinnert, öfter aber sich in's Süsse und Schwache neigt. (Refec- torium der Camaldulenser in Ravenna: grosse Hochzeit von Cana.)e
Seit den 1580er Jahren beginnt der Manierismus einem neuen, bestimmten Styl zu weichen, der schon als geschichtliche Erscheinung ein hohes Interesse hat. Der Geist der Gegenreformation, welcher da- mals den weiträumigen, prachtvollen Kirchentypus des Barockstyles hervorbrachte, verlangt zugleich von der Malerei eine möglichst auf- regende, eindringliche Behandlung der heiligen Gegenstände; einen höchsten Ausdruck himmlischer Herrlichkeit und frommen Sehnens danach, verbunden mit populärer Begreiflichkeit und lockendem For- menreiz. Bei Anlass der Sculptur, welche 50 Jahre später den Bahnen der Malerei folgte, wurden vorläufig (S. 692) die wesentlichen Mittel
Ferraresen und Bolognesen.
Bilder in der Pinacoteca. (Über Laureti vgl. S. 964.) — Sie allea überragt der schon als Baumeister (S. 347) genannte Pellegrino Tibaldi (1527—1591), welchen die Caracci als den wahren Reprä- sentanten des Überganges von den grossen Meistern auf ihre Epoche anerkannten. Er ist einer von den Wenigen, welche dem emsigen Naturstudium treu blieben und die Formen nicht aus zweiter Hand produciren wollten; seine Fresken im untern Saal der Universität ent-b halten u. a. jene vier nackten, auf bekränzten Balustraden sitzenden Füllfiguren, deren Trefflichkeit neben den mythologischen Hauptbil- dern wunderbar absticht; — das grosse Fresco in S. Giacomo mag-c giore aber (Cap. am rechten Querschiff) ist auch in der Verwirklichung eines bedeutenden symbolischen Gedankens („Viele sind berufen, We- nige auserwählet“) beinahe grossartig zu nennen; von den Fresken in der Remigiuscapelle zu S. Luigi de’ Francesi in Rom (vierte Ca-d pelle rechts) gehört ihm das schon manierirtere Deckenbild; die Wand- bilder mit Chlodwigs Heerzug und Eidschwur sind von Sermoneta und Giac. del Conte.
Für Ravenna ist Luca Longhi zu nennen, der bisweilen noch in der Art der bolognesischen Nachahmer Rafaels (S. 940) an die beste Zeit erinnert, öfter aber sich in’s Süsse und Schwache neigt. (Refec- torium der Camaldulenser in Ravenna: grosse Hochzeit von Cana.)e
Seit den 1580er Jahren beginnt der Manierismus einem neuen, bestimmten Styl zu weichen, der schon als geschichtliche Erscheinung ein hohes Interesse hat. Der Geist der Gegenreformation, welcher da- mals den weiträumigen, prachtvollen Kirchentypus des Barockstyles hervorbrachte, verlangt zugleich von der Malerei eine möglichst auf- regende, eindringliche Behandlung der heiligen Gegenstände; einen höchsten Ausdruck himmlischer Herrlichkeit und frommen Sehnens danach, verbunden mit populärer Begreiflichkeit und lockendem For- menreiz. Bei Anlass der Sculptur, welche 50 Jahre später den Bahnen der Malerei folgte, wurden vorläufig (S. 692) die wesentlichen Mittel
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Ferraresen und Bolognesen.
Bilder in der Pinacoteca. (Über Laureti vgl. S. 964.) — Sie alle
überragt der schon als Baumeister (S. 347) genannte Pellegrino
Tibaldi (1527—1591), welchen die Caracci als den wahren Reprä-
sentanten des Überganges von den grossen Meistern auf ihre Epoche
anerkannten. Er ist einer von den Wenigen, welche dem emsigen
Naturstudium treu blieben und die Formen nicht aus zweiter Hand
produciren wollten; seine Fresken im untern Saal der Universität ent-
halten u. a. jene vier nackten, auf bekränzten Balustraden sitzenden
Füllfiguren, deren Trefflichkeit neben den mythologischen Hauptbil-
dern wunderbar absticht; — das grosse Fresco in S. Giacomo mag-
giore aber (Cap. am rechten Querschiff) ist auch in der Verwirklichung
eines bedeutenden symbolischen Gedankens („Viele sind berufen, We-
nige auserwählet“) beinahe grossartig zu nennen; von den Fresken
in der Remigiuscapelle zu S. Luigi de’ Francesi in Rom (vierte Ca-
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in der Art der bolognesischen Nachahmer Rafaels (S. 940) an die beste
Zeit erinnert, öfter aber sich in’s Süsse und Schwache neigt. (Refec-
torium der Camaldulenser in Ravenna: grosse Hochzeit von Cana.)
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Seit den 1580er Jahren beginnt der Manierismus einem neuen,
bestimmten Styl zu weichen, der schon als geschichtliche Erscheinung
ein hohes Interesse hat. Der Geist der Gegenreformation, welcher da-
mals den weiträumigen, prachtvollen Kirchentypus des Barockstyles
hervorbrachte, verlangt zugleich von der Malerei eine möglichst auf-
regende, eindringliche Behandlung der heiligen Gegenstände; einen
höchsten Ausdruck himmlischer Herrlichkeit und frommen Sehnens
danach, verbunden mit populärer Begreiflichkeit und lockendem For-
menreiz. Bei Anlass der Sculptur, welche 50 Jahre später den Bahnen
der Malerei folgte, wurden vorläufig (S. 692) die wesentlichen Mittel
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1003. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1025>, abgerufen am 05.12.2024.
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