dieser modernen Kunst hervorgehoben: der Naturalismus in den Formen sowohl als in der ganzen Auffassung des Geschehenden (Wirk- lichkeit) und die Anwendung des Affectes um jeden Preis. Auf diesen ihren geistigen Inhalt hin werden wir im Folgenden die Ma- lerei von den Caracci bis auf Mengs und Batoni zu prüfen haben und zwar als ein -- wenn auch vielgestaltiges -- Ganzes. Wo die Kunst so in die Breite geht wie hier, wäre eine Einzelcharakteristik der Ma- ler die Sache eines umfangreichen Buches; wir müssen uns damit be- gnügen, die wichtigern unter den Tausenden in einer vorläufigen Über- sicht zu nennen. Nicht eine Anleitung zur speciellen Kennerschaft, sondern die Feststellung anregender Gesichtspunkte für diese Periode überhaupt muss unser Zweck sein. In den auf die Übersicht folgen- den fragmentarischen Bemerkungen wird wenigstens jedes Hauptwerk bei irgend einem Anlass vorkommen, allerdings oft in beschränkendem Sinn, in nachtheiliger Parallele mit den Werken der goldenen Zeit. Dass diess nicht geschieht um Missachtung zu erwecken, oder gar um von der Betrachtung der betreffenden Werke abzulenken, wird man beim Durchlesen des Ganzen inne werden. Irgend eine syste- matische oder gar eine sachliche Vollständigkeit ist hier nicht zu ver- langen.
Die Anfänger der neuen Richtung sind theils Eklektiker, theils Naturalisten im besondern Sinne. -- Die Beseitigung der unwah- ren Formen und der conventionellen Ausdrucksweisen schien dieser doppelten Anstrengung zu bedürfen: eines Zurückgehens auf die Prin- cipien der grossen Meister der goldenen Zeit und einer völligen Hin- gebung an die äussere Erscheinung. Der Eklekticismus enthält einen innern Widerspruch, wenn man ihn so auffasst, als sollten die besondern Eigenthümlichkeiten eines Michelangelo, Rafael, Tizian, Co- reggio in Einem Werke vereinigt werden; schon das Verfolgen und Nachahmen der Eigenthümlichkeiten einzelner grosser Meister hatte ja eben die Manieren hervorgerufen, denen man entfliehen wollte. Allein im Sinne eines allseitigen Studiums aufgefasst war er höchst nothwendig.
In der neuen Schule von Bologna ist denn auch die Aneignung der Principien der grossen Vorgänger fast von Anfang an eine har- monische und verständige. Es giebt Bilder derselben, welche in der
Moderne Malerei. Naturalismus und Eklekticismus.
dieser modernen Kunst hervorgehoben: der Naturalismus in den Formen sowohl als in der ganzen Auffassung des Geschehenden (Wirk- lichkeit) und die Anwendung des Affectes um jeden Preis. Auf diesen ihren geistigen Inhalt hin werden wir im Folgenden die Ma- lerei von den Caracci bis auf Mengs und Batoni zu prüfen haben und zwar als ein — wenn auch vielgestaltiges — Ganzes. Wo die Kunst so in die Breite geht wie hier, wäre eine Einzelcharakteristik der Ma- ler die Sache eines umfangreichen Buches; wir müssen uns damit be- gnügen, die wichtigern unter den Tausenden in einer vorläufigen Über- sicht zu nennen. Nicht eine Anleitung zur speciellen Kennerschaft, sondern die Feststellung anregender Gesichtspunkte für diese Periode überhaupt muss unser Zweck sein. In den auf die Übersicht folgen- den fragmentarischen Bemerkungen wird wenigstens jedes Hauptwerk bei irgend einem Anlass vorkommen, allerdings oft in beschränkendem Sinn, in nachtheiliger Parallele mit den Werken der goldenen Zeit. Dass diess nicht geschieht um Missachtung zu erwecken, oder gar um von der Betrachtung der betreffenden Werke abzulenken, wird man beim Durchlesen des Ganzen inne werden. Irgend eine syste- matische oder gar eine sachliche Vollständigkeit ist hier nicht zu ver- langen.
Die Anfänger der neuen Richtung sind theils Eklektiker, theils Naturalisten im besondern Sinne. — Die Beseitigung der unwah- ren Formen und der conventionellen Ausdrucksweisen schien dieser doppelten Anstrengung zu bedürfen: eines Zurückgehens auf die Prin- cipien der grossen Meister der goldenen Zeit und einer völligen Hin- gebung an die äussere Erscheinung. Der Eklekticismus enthält einen innern Widerspruch, wenn man ihn so auffasst, als sollten die besondern Eigenthümlichkeiten eines Michelangelo, Rafael, Tizian, Co- reggio in Einem Werke vereinigt werden; schon das Verfolgen und Nachahmen der Eigenthümlichkeiten einzelner grosser Meister hatte ja eben die Manieren hervorgerufen, denen man entfliehen wollte. Allein im Sinne eines allseitigen Studiums aufgefasst war er höchst nothwendig.
In der neuen Schule von Bologna ist denn auch die Aneignung der Principien der grossen Vorgänger fast von Anfang an eine har- monische und verständige. Es giebt Bilder derselben, welche in der
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Moderne Malerei. Naturalismus und Eklekticismus.
dieser modernen Kunst hervorgehoben: der Naturalismus in den
Formen sowohl als in der ganzen Auffassung des Geschehenden (Wirk-
lichkeit) und die Anwendung des Affectes um jeden Preis. Auf
diesen ihren geistigen Inhalt hin werden wir im Folgenden die Ma-
lerei von den Caracci bis auf Mengs und Batoni zu prüfen haben und
zwar als ein — wenn auch vielgestaltiges — Ganzes. Wo die Kunst
so in die Breite geht wie hier, wäre eine Einzelcharakteristik der Ma-
ler die Sache eines umfangreichen Buches; wir müssen uns damit be-
gnügen, die wichtigern unter den Tausenden in einer vorläufigen Über-
sicht zu nennen. Nicht eine Anleitung zur speciellen Kennerschaft,
sondern die Feststellung anregender Gesichtspunkte für diese Periode
überhaupt muss unser Zweck sein. In den auf die Übersicht folgen-
den fragmentarischen Bemerkungen wird wenigstens jedes Hauptwerk
bei irgend einem Anlass vorkommen, allerdings oft in beschränkendem
Sinn, in nachtheiliger Parallele mit den Werken der goldenen Zeit.
Dass diess nicht geschieht um Missachtung zu erwecken, oder gar
um von der Betrachtung der betreffenden Werke abzulenken, wird
man beim Durchlesen des Ganzen inne werden. Irgend eine syste-
matische oder gar eine sachliche Vollständigkeit ist hier nicht zu ver-
langen.
Die Anfänger der neuen Richtung sind theils Eklektiker, theils
Naturalisten im besondern Sinne. — Die Beseitigung der unwah-
ren Formen und der conventionellen Ausdrucksweisen schien dieser
doppelten Anstrengung zu bedürfen: eines Zurückgehens auf die Prin-
cipien der grossen Meister der goldenen Zeit und einer völligen Hin-
gebung an die äussere Erscheinung. Der Eklekticismus enthält
einen innern Widerspruch, wenn man ihn so auffasst, als sollten die
besondern Eigenthümlichkeiten eines Michelangelo, Rafael, Tizian, Co-
reggio in Einem Werke vereinigt werden; schon das Verfolgen und
Nachahmen der Eigenthümlichkeiten einzelner grosser Meister hatte ja
eben die Manieren hervorgerufen, denen man entfliehen wollte. Allein im
Sinne eines allseitigen Studiums aufgefasst war er höchst nothwendig.
In der neuen Schule von Bologna ist denn auch die Aneignung
der Principien der grossen Vorgänger fast von Anfang an eine har-
monische und verständige. Es giebt Bilder derselben, welche in der
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1004. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1026>, abgerufen am 05.12.2024.
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