sich auf ganz andere Wirkungsmittel glauben verlassen zu dürfen. So gemein überdiess ihre Formen sind, so wenig kann man doch im einzelnen Fall darauf bauen, dass sie wirklich aus dem Leben ge- griffen seien; in ihrer Gemeinheit sind sie nur zu oft auch allgemein. Der gewissenhaften Bilder sind in dieser Schule überhaupt wenige. Von Luca Giordano abwärts fällt die Zeichnung der neap. Schule dem liederlichsten Extemporiren anheim. Luca selbst hält sich noch durch angeborene Anmuth in einer gewissen Höhe.
Bei Pietro da Cortona ist es nicht schwer, eine durchgehende Gleichgültigkeit gegen die wahre Formendarstellung zu erkennen, so wie der Ausdruck seiner Köpfe zum Erschrecken leer wird. Man ahnt auf einmal, dass der sittliche Halt, welchen die Caracci (zu ihrer ewigen Ehre) der Kunst zurückgegeben, von Neuem tief erschüttert ist. Wenn ein Künstler von dieser Begabung das Beste so offen- kundig Preis gab, so war nur ein noch weiteres Sinken zu erwarten. Der letzte grosse Zeichner, Carlo Maratta, war durch seine Nach- ahmung des Guido Reni zu befangen, durch seinen Mangel an indi- vidueller Wärme zu machtlos, um auch nur sich selber auf die Länge dem Verderben zu entziehen. (Einzelne Apostelfiguren in den oberna Zimmern des Pal. Barberini zu Rom; Assunta mit den vier Kirchen-b lehrern, in S. M. del popolo, 2. Cap. r.) Unmittelbar auf ihn folgen noch ein paar Maler, die in der Formengebung nahezu so gewissen- haft sind als er; man lernt sie z. B. in Pal. Corsini zu Rom kennen,c die Muratori, Ghezzi, Zoboli, Luti, auch den angenehmsten der Cor- tonisten: Donato Creti; -- ganze Kirchen, wie S. Gregorio, SS.d Apostoli sind wieder mit leidlich gewissenhaften Altarbildern einese Luti, Costanzi, Gauli u. A. gefüllt (von Gauli das Deckenfresco im Gesu, von Costanzi das in S. Gregorio); -- ja die höchste Blüthe der römischen Mosaiktechnik, welche gewissermassen nur neben einer gründlichen Ölmalerei denkbar scheint, fällt gerade in die ersten Jahr- zehnde des vorigen Jahrh. (Altarblätter in S. Peter, mosaicirt unterf der Leitung des Cristofaris.) Allein diese späte, mehr locale als allgemeine Besserung ist das rein äusserliche Resultat academischen Fleisses, ein neuer geistiger Gehalt, eine tiefere Anschauung der dar- zustellenden Gegenstände war damit nicht mehr verbunden. Den Gipfelpunkt dieser Art von Besserung bezeichnet dann Pompeo
Die Formenbildung im Einzelnen.
sich auf ganz andere Wirkungsmittel glauben verlassen zu dürfen. So gemein überdiess ihre Formen sind, so wenig kann man doch im einzelnen Fall darauf bauen, dass sie wirklich aus dem Leben ge- griffen seien; in ihrer Gemeinheit sind sie nur zu oft auch allgemein. Der gewissenhaften Bilder sind in dieser Schule überhaupt wenige. Von Luca Giordano abwärts fällt die Zeichnung der neap. Schule dem liederlichsten Extemporiren anheim. Luca selbst hält sich noch durch angeborene Anmuth in einer gewissen Höhe.
Bei Pietro da Cortona ist es nicht schwer, eine durchgehende Gleichgültigkeit gegen die wahre Formendarstellung zu erkennen, so wie der Ausdruck seiner Köpfe zum Erschrecken leer wird. Man ahnt auf einmal, dass der sittliche Halt, welchen die Caracci (zu ihrer ewigen Ehre) der Kunst zurückgegeben, von Neuem tief erschüttert ist. Wenn ein Künstler von dieser Begabung das Beste so offen- kundig Preis gab, so war nur ein noch weiteres Sinken zu erwarten. Der letzte grosse Zeichner, Carlo Maratta, war durch seine Nach- ahmung des Guido Reni zu befangen, durch seinen Mangel an indi- vidueller Wärme zu machtlos, um auch nur sich selber auf die Länge dem Verderben zu entziehen. (Einzelne Apostelfiguren in den oberna Zimmern des Pal. Barberini zu Rom; Assunta mit den vier Kirchen-b lehrern, in S. M. del popolo, 2. Cap. r.) Unmittelbar auf ihn folgen noch ein paar Maler, die in der Formengebung nahezu so gewissen- haft sind als er; man lernt sie z. B. in Pal. Corsini zu Rom kennen,c die Muratori, Ghezzi, Zoboli, Luti, auch den angenehmsten der Cor- tonisten: Donato Creti; — ganze Kirchen, wie S. Gregorio, SS.d Apostoli sind wieder mit leidlich gewissenhaften Altarbildern einese Luti, Costanzi, Gauli u. A. gefüllt (von Gauli das Deckenfresco im Gesù, von Costanzi das in S. Gregorio); — ja die höchste Blüthe der römischen Mosaiktechnik, welche gewissermassen nur neben einer gründlichen Ölmalerei denkbar scheint, fällt gerade in die ersten Jahr- zehnde des vorigen Jahrh. (Altarblätter in S. Peter, mosaicirt unterf der Leitung des Cristofaris.) Allein diese späte, mehr locale als allgemeine Besserung ist das rein äusserliche Resultat academischen Fleisses, ein neuer geistiger Gehalt, eine tiefere Anschauung der dar- zustellenden Gegenstände war damit nicht mehr verbunden. Den Gipfelpunkt dieser Art von Besserung bezeichnet dann Pompeo
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[1013/1035]
Die Formenbildung im Einzelnen.
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So gemein überdiess ihre Formen sind, so wenig kann man doch im
einzelnen Fall darauf bauen, dass sie wirklich aus dem Leben ge-
griffen seien; in ihrer Gemeinheit sind sie nur zu oft auch allgemein.
Der gewissenhaften Bilder sind in dieser Schule überhaupt wenige.
Von Luca Giordano abwärts fällt die Zeichnung der neap. Schule
dem liederlichsten Extemporiren anheim. Luca selbst hält sich noch
durch angeborene Anmuth in einer gewissen Höhe.
Bei Pietro da Cortona ist es nicht schwer, eine durchgehende
Gleichgültigkeit gegen die wahre Formendarstellung zu erkennen, so
wie der Ausdruck seiner Köpfe zum Erschrecken leer wird. Man
ahnt auf einmal, dass der sittliche Halt, welchen die Caracci (zu ihrer
ewigen Ehre) der Kunst zurückgegeben, von Neuem tief erschüttert
ist. Wenn ein Künstler von dieser Begabung das Beste so offen-
kundig Preis gab, so war nur ein noch weiteres Sinken zu erwarten.
Der letzte grosse Zeichner, Carlo Maratta, war durch seine Nach-
ahmung des Guido Reni zu befangen, durch seinen Mangel an indi-
vidueller Wärme zu machtlos, um auch nur sich selber auf die Länge
dem Verderben zu entziehen. (Einzelne Apostelfiguren in den obern
Zimmern des Pal. Barberini zu Rom; Assunta mit den vier Kirchen-
lehrern, in S. M. del popolo, 2. Cap. r.) Unmittelbar auf ihn folgen
noch ein paar Maler, die in der Formengebung nahezu so gewissen-
haft sind als er; man lernt sie z. B. in Pal. Corsini zu Rom kennen,
die Muratori, Ghezzi, Zoboli, Luti, auch den angenehmsten der Cor-
tonisten: Donato Creti; — ganze Kirchen, wie S. Gregorio, SS.
Apostoli sind wieder mit leidlich gewissenhaften Altarbildern eines
Luti, Costanzi, Gauli u. A. gefüllt (von Gauli das Deckenfresco im
Gesù, von Costanzi das in S. Gregorio); — ja die höchste Blüthe der
römischen Mosaiktechnik, welche gewissermassen nur neben einer
gründlichen Ölmalerei denkbar scheint, fällt gerade in die ersten Jahr-
zehnde des vorigen Jahrh. (Altarblätter in S. Peter, mosaicirt unter
der Leitung des Cristofaris.) Allein diese späte, mehr locale als
allgemeine Besserung ist das rein äusserliche Resultat academischen
Fleisses, ein neuer geistiger Gehalt, eine tiefere Anschauung der dar-
zustellenden Gegenstände war damit nicht mehr verbunden. Den
Gipfelpunkt dieser Art von Besserung bezeichnet dann Pompeo
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1013. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1035>, abgerufen am 05.12.2024.
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