gehören die beiden Riesenbilder des Lod. Caracci in der Gal. von Parmaa (ehemals Seitenbilder einer Assunta), hauptsächlich die Grabtragung der Maria, wo der Ritus, beherrscht von dem meisterlich verkürzten Leichnam, das subjective Pathos vollkommen zurückdrängt. Auch Do- menichino, dessen Composition so überaus ungleich ist, hat in seinem "Tod der heil. Cäcilia" (S. Luigi in Rom, zweite Cap. rechts)b ein herrliches Beispiel strenger und doch schön aufgehobener Symme- trie geliefert. Von den beiden Bildern der letzten Communion des heil. Hieronymus (Agostino Caracci: Pinac. von Bologna; --c Domenichino: Gal. des Vaticans) hat dasjenige des Domenichino schond darin einen Hauptvorzug, dass die beiden Gruppen (die des Priesters und die des Heiligen) dem Totalwerth nach wie auf der Goldwage gegen einander abgewogen sind, sodass Bewegung und Ruhe, Ornat und freie Gewandung, Geben und Empfangen etc. sich gegenseitig aufheben; ausserdem ist die Gestalt des Heiligen in die Pietät und Andacht der Seinigen wie gebettet und doch für den Anblick ganz freigehalten. Der grösste Verehrer D.'s, Nic. Poussin, geht dann wieder zu weit, sodass seine Gruppen oft absichtlich construirt erscheinen. (Ruhe aufe der Flucht, Acad. von Venedig.) -- Bisweilen überraschen die Mai- länder, so verwildert sonst ihre Composition ist, durch eine gross gefühlte symmetrische Anordnung. Man sehe in der Brera dasf grosse Bild des Cerano-Crespi (Madonna del rosario); im Pal. Brig- nole zu Genua den von Engeln gen Himmel getragenen S. Carlo,g von einem der Procaccini, ein ergreifendes Bild, so naturalistisch die Anstrengung der Engel gegeben sein mag. -- Sassoferrato befolgte in seiner schönen Madonna del rosario (S. Sabina zu Rom, Cap.h rechts vom Chor) mit vollem Bewusstsein die alte strenge Anordnung.
Weit die Meisten aber erkennen die höhern Liniengesetze nur in beschränktem Masse an, die Naturalisten fast gar nicht. Selbst den besten Bolognesen ist eine prächtige Actfigur (womöglich kunstreich verkürzt) im Vordergrunde bisweilen so viel werth als der ganze üb- rige Inhalt des Bildes; einige suchen dergleichen geflissentlich auf (Schidone's S. Sebastian, dessen Wunden von Zigeunern beschauti werden, im Museum von Neapel); die Naturalisten begehren vollends nichts als den leidenschaftlichen Moment. Caravaggio's Grab-k legung (Gal. des Vaticans), immer eines der wichtigsten und gründ-
B. Cicerone. 65
Der Affect im Streit mit der Composition.
gehören die beiden Riesenbilder des Lod. Caracci in der Gal. von Parmaa (ehemals Seitenbilder einer Assunta), hauptsächlich die Grabtragung der Maria, wo der Ritus, beherrscht von dem meisterlich verkürzten Leichnam, das subjective Pathos vollkommen zurückdrängt. Auch Do- menichino, dessen Composition so überaus ungleich ist, hat in seinem „Tod der heil. Cäcilia“ (S. Luigi in Rom, zweite Cap. rechts)b ein herrliches Beispiel strenger und doch schön aufgehobener Symme- trie geliefert. Von den beiden Bildern der letzten Communion des heil. Hieronymus (Agostino Caracci: Pinac. von Bologna; —c Domenichino: Gal. des Vaticans) hat dasjenige des Domenichino schond darin einen Hauptvorzug, dass die beiden Gruppen (die des Priesters und die des Heiligen) dem Totalwerth nach wie auf der Goldwage gegen einander abgewogen sind, sodass Bewegung und Ruhe, Ornat und freie Gewandung, Geben und Empfangen etc. sich gegenseitig aufheben; ausserdem ist die Gestalt des Heiligen in die Pietät und Andacht der Seinigen wie gebettet und doch für den Anblick ganz freigehalten. Der grösste Verehrer D.’s, Nic. Poussin, geht dann wieder zu weit, sodass seine Gruppen oft absichtlich construirt erscheinen. (Ruhe aufe der Flucht, Acad. von Venedig.) — Bisweilen überraschen die Mai- länder, so verwildert sonst ihre Composition ist, durch eine gross gefühlte symmetrische Anordnung. Man sehe in der Brera dasf grosse Bild des Cerano-Crespi (Madonna del rosario); im Pal. Brig- nole zu Genua den von Engeln gen Himmel getragenen S. Carlo,g von einem der Procaccini, ein ergreifendes Bild, so naturalistisch die Anstrengung der Engel gegeben sein mag. — Sassoferrato befolgte in seiner schönen Madonna del rosario (S. Sabina zu Rom, Cap.h rechts vom Chor) mit vollem Bewusstsein die alte strenge Anordnung.
Weit die Meisten aber erkennen die höhern Liniengesetze nur in beschränktem Masse an, die Naturalisten fast gar nicht. Selbst den besten Bolognesen ist eine prächtige Actfigur (womöglich kunstreich verkürzt) im Vordergrunde bisweilen so viel werth als der ganze üb- rige Inhalt des Bildes; einige suchen dergleichen geflissentlich auf (Schidone’s S. Sebastian, dessen Wunden von Zigeunern beschauti werden, im Museum von Neapel); die Naturalisten begehren vollends nichts als den leidenschaftlichen Moment. Caravaggio’s Grab-k legung (Gal. des Vaticans), immer eines der wichtigsten und gründ-
B. Cicerone. 65
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Der Affect im Streit mit der Composition.
gehören die beiden Riesenbilder des Lod. Caracci in der Gal. von Parma
(ehemals Seitenbilder einer Assunta), hauptsächlich die Grabtragung
der Maria, wo der Ritus, beherrscht von dem meisterlich verkürzten
Leichnam, das subjective Pathos vollkommen zurückdrängt. Auch Do-
menichino, dessen Composition so überaus ungleich ist, hat in seinem
„Tod der heil. Cäcilia“ (S. Luigi in Rom, zweite Cap. rechts)
ein herrliches Beispiel strenger und doch schön aufgehobener Symme-
trie geliefert. Von den beiden Bildern der letzten Communion
des heil. Hieronymus (Agostino Caracci: Pinac. von Bologna; —
Domenichino: Gal. des Vaticans) hat dasjenige des Domenichino schon
darin einen Hauptvorzug, dass die beiden Gruppen (die des Priesters und
die des Heiligen) dem Totalwerth nach wie auf der Goldwage gegen
einander abgewogen sind, sodass Bewegung und Ruhe, Ornat und freie
Gewandung, Geben und Empfangen etc. sich gegenseitig aufheben;
ausserdem ist die Gestalt des Heiligen in die Pietät und Andacht der
Seinigen wie gebettet und doch für den Anblick ganz freigehalten.
Der grösste Verehrer D.’s, Nic. Poussin, geht dann wieder zu weit,
sodass seine Gruppen oft absichtlich construirt erscheinen. (Ruhe auf
der Flucht, Acad. von Venedig.) — Bisweilen überraschen die Mai-
länder, so verwildert sonst ihre Composition ist, durch eine
gross gefühlte symmetrische Anordnung. Man sehe in der Brera das
grosse Bild des Cerano-Crespi (Madonna del rosario); im Pal. Brig-
nole zu Genua den von Engeln gen Himmel getragenen S. Carlo,
von einem der Procaccini, ein ergreifendes Bild, so naturalistisch die
Anstrengung der Engel gegeben sein mag. — Sassoferrato befolgte
in seiner schönen Madonna del rosario (S. Sabina zu Rom, Cap.
rechts vom Chor) mit vollem Bewusstsein die alte strenge Anordnung.
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beschränktem Masse an, die Naturalisten fast gar nicht. Selbst den
besten Bolognesen ist eine prächtige Actfigur (womöglich kunstreich
verkürzt) im Vordergrunde bisweilen so viel werth als der ganze üb-
rige Inhalt des Bildes; einige suchen dergleichen geflissentlich auf
(Schidone’s S. Sebastian, dessen Wunden von Zigeunern beschaut
werden, im Museum von Neapel); die Naturalisten begehren vollends
nichts als den leidenschaftlichen Moment. Caravaggio’s Grab-
legung (Gal. des Vaticans), immer eines der wichtigsten und gründ-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1025. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1047>, abgerufen am 05.12.2024.
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