deckt und die enge Verbindung von landschaftlichen und Seelenstim- mungen künstlerisch benützt. Tintoretto und die Bassano gingen ihm nach so weit sie konnten (S. 985). Dosso Dossi kam, vielleicht selb- ständig, fast so weit als Tizian (S. 943, u. f.).
Seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts ist in Italien schon ein allgemeines Bedürfniss nach landschaftlicher Anregung vorhanden, dem aber die noch regierenden Manieristen, wie es scheint aus Hochmuth, zu genügen verschmähten. Da liess man sich ganze Schiffsladungen von Gemälden aus der grossen Antwerpener Fabrik der Breughel kommen. Jede italienische Galerie enthält ein paar, oft viele von diesen grünen, bunten, überladenen, miniaturartig ausgeführten Bildern, welche mit allen möglichen heiligen und profanen Geschichten staffirt sind. Vier von den allerfleissigsten, ohne Zweifel von Jan, dem sog.a Sammetbreughel (1568--1625), in der Ambrosiana zu Mailand; -- ein ganz kleines im Pal. Doria zu Rom vereinigt z. B. folgende Staffage:b Wallfischfang, Austerfang, Eberjagd und eine der Visionen des Jo- hannes auf Pathmos. Dieselbe Galerie, eine der wichtigsten für diec ganze Landschaftmalerei, enthält auch Landschaften der Bassano, u. a. eines sonst nicht genannten Apollonio da Bassano, eine grosse von Gio. Batt. Dossi, staffirt mit einer fürstlichen Begrüssungscene und -- beiläufig gesagt -- auch einen Orpheus in der Unterwelt und eine Versuchung des heil. Antonius, von dem seltenern Höllenbreughel. Die Antwerpener Bilder sind freilich meist durch ihre Buntheit und durch das Mikroskopische ihrer Ausführung stimmungsloser als die der Bassaniden, welche prächtige scharfe Lichter und duftige Schatten über ihre Felsgebirge mit steilen Städten dahinschweben lassen.
Ausser den Gemälden kamen auch Maler aus den Niederlanden, so Matthäus Bril, der z. B. im Vatican (Sala ducale, Biblioteca)d Veduten und freie Compositionen, beide gleich stimmungslos, al fresco malte. (Ein Bild im Pal. Colonna.) Dann sein jüngerer Bruder Paule Bril (1554--1626), der wichtige Mittelsmann für die Verbindung der niederländischen und der italienischen Landschaft. Seine frühen Bilder sind noch bunt (Pal. Sciarra), erst allmälig wird der Poet zum Künst-f ler und lernt sein Naturgefühl grossartig aussprechen. Ob er dem Annibale Caracci oder dieser ihm mehr verdanke, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls ist er der erste Niederländer, in welchem ein hö-
Landschaft des XVI. Jahrhunderts.
deckt und die enge Verbindung von landschaftlichen und Seelenstim- mungen künstlerisch benützt. Tintoretto und die Bassano gingen ihm nach so weit sie konnten (S. 985). Dosso Dossi kam, vielleicht selb- ständig, fast so weit als Tizian (S. 943, u. f.).
Seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts ist in Italien schon ein allgemeines Bedürfniss nach landschaftlicher Anregung vorhanden, dem aber die noch regierenden Manieristen, wie es scheint aus Hochmuth, zu genügen verschmähten. Da liess man sich ganze Schiffsladungen von Gemälden aus der grossen Antwerpener Fabrik der Breughel kommen. Jede italienische Galerie enthält ein paar, oft viele von diesen grünen, bunten, überladenen, miniaturartig ausgeführten Bildern, welche mit allen möglichen heiligen und profanen Geschichten staffirt sind. Vier von den allerfleissigsten, ohne Zweifel von Jan, dem sog.a Sammetbreughel (1568—1625), in der Ambrosiana zu Mailand; — ein ganz kleines im Pal. Doria zu Rom vereinigt z. B. folgende Staffage:b Wallfischfang, Austerfang, Eberjagd und eine der Visionen des Jo- hannes auf Pathmos. Dieselbe Galerie, eine der wichtigsten für diec ganze Landschaftmalerei, enthält auch Landschaften der Bassano, u. a. eines sonst nicht genannten Apollonio da Bassano, eine grosse von Gio. Batt. Dossi, staffirt mit einer fürstlichen Begrüssungscene und — beiläufig gesagt — auch einen Orpheus in der Unterwelt und eine Versuchung des heil. Antonius, von dem seltenern Höllenbreughel. Die Antwerpener Bilder sind freilich meist durch ihre Buntheit und durch das Mikroskopische ihrer Ausführung stimmungsloser als die der Bassaniden, welche prächtige scharfe Lichter und duftige Schatten über ihre Felsgebirge mit steilen Städten dahinschweben lassen.
Ausser den Gemälden kamen auch Maler aus den Niederlanden, so Matthäus Bril, der z. B. im Vatican (Sala ducale, Biblioteca)d Veduten und freie Compositionen, beide gleich stimmungslos, al fresco malte. (Ein Bild im Pal. Colonna.) Dann sein jüngerer Bruder Paule Bril (1554—1626), der wichtige Mittelsmann für die Verbindung der niederländischen und der italienischen Landschaft. Seine frühen Bilder sind noch bunt (Pal. Sciarra), erst allmälig wird der Poet zum Künst-f ler und lernt sein Naturgefühl grossartig aussprechen. Ob er dem Annibale Caracci oder dieser ihm mehr verdanke, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls ist er der erste Niederländer, in welchem ein hö-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f1073"n="1051"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Landschaft des XVI. Jahrhunderts.</hi></fw><lb/>
deckt und die enge Verbindung von landschaftlichen und Seelenstim-<lb/>
mungen künstlerisch benützt. Tintoretto und die Bassano gingen ihm<lb/>
nach so weit sie konnten (S. 985). Dosso Dossi kam, vielleicht selb-<lb/>
ständig, fast so weit als Tizian (S. 943, u. f.).</p><lb/><p>Seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts ist in Italien schon ein<lb/>
allgemeines Bedürfniss nach landschaftlicher Anregung vorhanden, dem<lb/>
aber die noch regierenden Manieristen, wie es scheint aus Hochmuth,<lb/>
zu genügen verschmähten. Da liess man sich ganze Schiffsladungen<lb/>
von Gemälden aus der grossen Antwerpener Fabrik der <hirendition="#g">Breughel</hi><lb/>
kommen. Jede italienische Galerie enthält ein paar, oft viele von<lb/>
diesen grünen, bunten, überladenen, miniaturartig ausgeführten Bildern,<lb/>
welche mit allen möglichen heiligen und profanen Geschichten staffirt<lb/>
sind. Vier von den allerfleissigsten, ohne Zweifel von Jan, dem sog.<noteplace="right">a</note><lb/>
Sammetbreughel (1568—1625), in der Ambrosiana zu Mailand; — ein<lb/>
ganz kleines im Pal. Doria zu Rom vereinigt z. B. folgende Staffage:<noteplace="right">b</note><lb/>
Wallfischfang, Austerfang, Eberjagd und eine der Visionen des Jo-<lb/>
hannes auf Pathmos. Dieselbe Galerie, eine der wichtigsten für die<noteplace="right">c</note><lb/>
ganze Landschaftmalerei, enthält auch Landschaften der Bassano, u. a.<lb/>
eines sonst nicht genannten Apollonio da Bassano, eine grosse von<lb/>
Gio. Batt. Dossi, staffirt mit einer fürstlichen Begrüssungscene und —<lb/>
beiläufig gesagt — auch einen Orpheus in der Unterwelt und eine<lb/>
Versuchung des heil. Antonius, von dem seltenern Höllenbreughel.<lb/>
Die Antwerpener Bilder sind freilich meist durch ihre Buntheit und<lb/>
durch das Mikroskopische ihrer Ausführung stimmungsloser als die<lb/>
der Bassaniden, welche prächtige scharfe Lichter und duftige Schatten<lb/>
über ihre Felsgebirge mit steilen Städten dahinschweben lassen.</p><lb/><p>Ausser den Gemälden kamen auch Maler aus den Niederlanden,<lb/>
so <hirendition="#g">Matthäus Bril</hi>, der z. B. im Vatican (Sala ducale, Biblioteca)<noteplace="right">d</note><lb/>
Veduten und freie Compositionen, beide gleich stimmungslos, al fresco<lb/>
malte. (Ein Bild im Pal. Colonna.) Dann sein jüngerer Bruder <hirendition="#g">Paul</hi><noteplace="right">e</note><lb/><hirendition="#g">Bril</hi> (1554—1626), der wichtige Mittelsmann für die Verbindung der<lb/>
niederländischen und der italienischen Landschaft. Seine frühen Bilder<lb/>
sind noch bunt (Pal. Sciarra), erst allmälig wird der Poet zum Künst-<noteplace="right">f</note><lb/>
ler und lernt sein Naturgefühl grossartig aussprechen. Ob er dem<lb/>
Annibale Caracci oder dieser ihm mehr verdanke, mag dahingestellt<lb/>
bleiben; jedenfalls ist er der erste Niederländer, in welchem ein hö-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[1051/1073]
Landschaft des XVI. Jahrhunderts.
deckt und die enge Verbindung von landschaftlichen und Seelenstim-
mungen künstlerisch benützt. Tintoretto und die Bassano gingen ihm
nach so weit sie konnten (S. 985). Dosso Dossi kam, vielleicht selb-
ständig, fast so weit als Tizian (S. 943, u. f.).
Seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts ist in Italien schon ein
allgemeines Bedürfniss nach landschaftlicher Anregung vorhanden, dem
aber die noch regierenden Manieristen, wie es scheint aus Hochmuth,
zu genügen verschmähten. Da liess man sich ganze Schiffsladungen
von Gemälden aus der grossen Antwerpener Fabrik der Breughel
kommen. Jede italienische Galerie enthält ein paar, oft viele von
diesen grünen, bunten, überladenen, miniaturartig ausgeführten Bildern,
welche mit allen möglichen heiligen und profanen Geschichten staffirt
sind. Vier von den allerfleissigsten, ohne Zweifel von Jan, dem sog.
Sammetbreughel (1568—1625), in der Ambrosiana zu Mailand; — ein
ganz kleines im Pal. Doria zu Rom vereinigt z. B. folgende Staffage:
Wallfischfang, Austerfang, Eberjagd und eine der Visionen des Jo-
hannes auf Pathmos. Dieselbe Galerie, eine der wichtigsten für die
ganze Landschaftmalerei, enthält auch Landschaften der Bassano, u. a.
eines sonst nicht genannten Apollonio da Bassano, eine grosse von
Gio. Batt. Dossi, staffirt mit einer fürstlichen Begrüssungscene und —
beiläufig gesagt — auch einen Orpheus in der Unterwelt und eine
Versuchung des heil. Antonius, von dem seltenern Höllenbreughel.
Die Antwerpener Bilder sind freilich meist durch ihre Buntheit und
durch das Mikroskopische ihrer Ausführung stimmungsloser als die
der Bassaniden, welche prächtige scharfe Lichter und duftige Schatten
über ihre Felsgebirge mit steilen Städten dahinschweben lassen.
a
b
c
Ausser den Gemälden kamen auch Maler aus den Niederlanden,
so Matthäus Bril, der z. B. im Vatican (Sala ducale, Biblioteca)
Veduten und freie Compositionen, beide gleich stimmungslos, al fresco
malte. (Ein Bild im Pal. Colonna.) Dann sein jüngerer Bruder Paul
Bril (1554—1626), der wichtige Mittelsmann für die Verbindung der
niederländischen und der italienischen Landschaft. Seine frühen Bilder
sind noch bunt (Pal. Sciarra), erst allmälig wird der Poet zum Künst-
ler und lernt sein Naturgefühl grossartig aussprechen. Ob er dem
Annibale Caracci oder dieser ihm mehr verdanke, mag dahingestellt
bleiben; jedenfalls ist er der erste Niederländer, in welchem ein hö-
d
e
f
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1051. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1073>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.