Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Gothischer Profanbau. Florenz.
haben anspruchlose Blättercapitäle. Diese Steinhäuser waren Vesten
und mussten in bürgerlichen Wirren Vieles aushalten können; gerne
behalf man sich unter dieser Bedingung so eng es anging. (Die Gänge
auf starken Consolen rings um einen kleinen Hof hervorragend, in
aeinem vollständigen Beispiel Palast Davanzanti, Via di Porta rossa
Nr. 1125.) Belehrend ist die hier klar zu Tage liegende Entstehungs-
weise der modernen Rustica (Bossagen): weit entfernt, sie als ein
Mittel der ästhetischen Wirkung zu benützen, meisselte man den Qua-
der gern glatt, wenn Zeit und Mittel es zuliessen; blieb er einstwei-
len roh, so wurden doch um der genauen Zusammenfügung willen
seine Ränder scharf und sorgfältig behauen. Eine völlige Gleichmäs-
sigkeit der Schichten oder gar der einzelnen Steine wurde selbst an
öffentlichen Gebäuden nicht erstrebt. Erst die Renaissance fand, dass
man die Rustica als künstlerisches Mittel behandeln und durch Ab-
stufung aus dem Rohern in das Feinere zu bedeutungsvollen Contra-
sten der einzelnen Stockwerke benützen könne. (Vgl. S. 36, Anm.)

Von Privatgebäuden des XIV. Jahrhunderts, in welchen die Säu-
lenhalle des Hofes schlankere Verhältnisse und einen Anfang räumli-
bcher Schönheit zeigt, nenne ich beispielshalber Palazzo Conte Capponi
c(Via de' Bardi) und Palazzo Conte Bardi (Via del fosso 187), dessen
Hof auf zwölf sehr schlanken Säulen mit überhöhten Rundbogen ruht,
angeblich ein Gebäude des Brunellesco, und in diesem Fall ein frühes
Jugendwerk.

Von Arnolfo, dem Erbauer des Domes, rührt bekanntlich auch
dPalazzo Vecchio her (vom Jahr 1298). Grösse, Erinnerungen,
Steinfarbe und phantastischer Thurmbau geben diesem Gebäude einen
Werth, der den künstlerischen bei Weitem übertrifft. Das ganze Innere
nebst dem Hinterbau ist spätern Ursprunges. -- Dem Agnolo Gaddi
egehört die jetzige Gestalt des Palazzo del Podesta (oder del
Bargello, vom Jahr 1345) zu, welcher an malerischer Wirkung zumal
des Hofraumes seines Gleichen sucht, in Beziehung auf das Detail aber
ebenfalls nicht viel mehr bietet als Zinnen, spitzbogige Fenster mit
mässigem Schmuck, sehr bescheidene Gesimse, und im Hof ein (jetzt
vermauertes) Stück Halle.

Bei weitem das schönste gothische Profangebäude der Stadt ist
fOrcagna's Loggia de' Lanzi (begonnen 1376). Hier begegnen

Gothischer Profanbau. Florenz.
haben anspruchlose Blättercapitäle. Diese Steinhäuser waren Vesten
und mussten in bürgerlichen Wirren Vieles aushalten können; gerne
behalf man sich unter dieser Bedingung so eng es anging. (Die Gänge
auf starken Consolen rings um einen kleinen Hof hervorragend, in
aeinem vollständigen Beispiel Palast Davanzanti, Via di Porta rossa
Nr. 1125.) Belehrend ist die hier klar zu Tage liegende Entstehungs-
weise der modernen Rustica (Bossagen): weit entfernt, sie als ein
Mittel der ästhetischen Wirkung zu benützen, meisselte man den Qua-
der gern glatt, wenn Zeit und Mittel es zuliessen; blieb er einstwei-
len roh, so wurden doch um der genauen Zusammenfügung willen
seine Ränder scharf und sorgfältig behauen. Eine völlige Gleichmäs-
sigkeit der Schichten oder gar der einzelnen Steine wurde selbst an
öffentlichen Gebäuden nicht erstrebt. Erst die Renaissance fand, dass
man die Rustica als künstlerisches Mittel behandeln und durch Ab-
stufung aus dem Rohern in das Feinere zu bedeutungsvollen Contra-
sten der einzelnen Stockwerke benützen könne. (Vgl. S. 36, Anm.)

Von Privatgebäuden des XIV. Jahrhunderts, in welchen die Säu-
lenhalle des Hofes schlankere Verhältnisse und einen Anfang räumli-
bcher Schönheit zeigt, nenne ich beispielshalber Palazzo Conte Capponi
c(Via de’ Bardi) und Palazzo Conte Bardi (Via del fosso 187), dessen
Hof auf zwölf sehr schlanken Säulen mit überhöhten Rundbogen ruht,
angeblich ein Gebäude des Brunellesco, und in diesem Fall ein frühes
Jugendwerk.

Von Arnolfo, dem Erbauer des Domes, rührt bekanntlich auch
dPalazzo Vecchio her (vom Jahr 1298). Grösse, Erinnerungen,
Steinfarbe und phantastischer Thurmbau geben diesem Gebäude einen
Werth, der den künstlerischen bei Weitem übertrifft. Das ganze Innere
nebst dem Hinterbau ist spätern Ursprunges. — Dem Agnolo Gaddi
egehört die jetzige Gestalt des Palazzo del Podestà (oder del
Bargello, vom Jahr 1345) zu, welcher an malerischer Wirkung zumal
des Hofraumes seines Gleichen sucht, in Beziehung auf das Detail aber
ebenfalls nicht viel mehr bietet als Zinnen, spitzbogige Fenster mit
mässigem Schmuck, sehr bescheidene Gesimse, und im Hof ein (jetzt
vermauertes) Stück Halle.

Bei weitem das schönste gothische Profangebäude der Stadt ist
fOrcagna’s Loggia de’ Lanzi (begonnen 1376). Hier begegnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gothischer Profanbau. Florenz.</hi></fw><lb/>
haben anspruchlose Blättercapitäle. Diese Steinhäuser waren Vesten<lb/>
und mussten in bürgerlichen Wirren Vieles aushalten können; gerne<lb/>
behalf man sich unter dieser Bedingung so eng es anging. (Die Gänge<lb/>
auf starken Consolen rings um einen kleinen Hof hervorragend, in<lb/><note place="left">a</note>einem vollständigen Beispiel Palast Davanzanti, Via di Porta rossa<lb/>
Nr. 1125.) Belehrend ist die hier klar zu Tage liegende Entstehungs-<lb/>
weise der modernen <hi rendition="#g">Rustica</hi> (Bossagen): weit entfernt, sie als ein<lb/>
Mittel der ästhetischen Wirkung zu benützen, meisselte man den Qua-<lb/>
der gern glatt, wenn Zeit und Mittel es zuliessen; blieb er einstwei-<lb/>
len roh, so wurden doch um der genauen Zusammenfügung willen<lb/>
seine Ränder scharf und sorgfältig behauen. Eine völlige Gleichmäs-<lb/>
sigkeit der Schichten oder gar der einzelnen Steine wurde selbst an<lb/>
öffentlichen Gebäuden nicht erstrebt. Erst die Renaissance fand, dass<lb/>
man die Rustica als künstlerisches Mittel behandeln und durch Ab-<lb/>
stufung aus dem Rohern in das Feinere zu bedeutungsvollen Contra-<lb/>
sten der einzelnen Stockwerke benützen könne. (Vgl. S. 36, Anm.)</p><lb/>
        <p>Von Privatgebäuden des XIV. Jahrhunderts, in welchen die Säu-<lb/>
lenhalle des Hofes schlankere Verhältnisse und einen Anfang räumli-<lb/><note place="left">b</note>cher Schönheit zeigt, nenne ich beispielshalber Palazzo Conte Capponi<lb/><note place="left">c</note>(Via de&#x2019; Bardi) und Palazzo Conte Bardi (Via del fosso 187), dessen<lb/>
Hof auf zwölf sehr schlanken Säulen mit überhöhten Rundbogen ruht,<lb/>
angeblich ein Gebäude des Brunellesco, und in diesem Fall ein frühes<lb/>
Jugendwerk.</p><lb/>
        <p>Von <hi rendition="#g">Arnolfo</hi>, dem Erbauer des Domes, rührt bekanntlich auch<lb/><note place="left">d</note><hi rendition="#g">Palazzo Vecchio</hi> her (vom Jahr 1298). Grösse, Erinnerungen,<lb/>
Steinfarbe und phantastischer Thurmbau geben diesem Gebäude einen<lb/>
Werth, der den künstlerischen bei Weitem übertrifft. Das ganze Innere<lb/>
nebst dem Hinterbau ist spätern Ursprunges. &#x2014; Dem <hi rendition="#g">Agnolo Gaddi</hi><lb/><note place="left">e</note>gehört die jetzige Gestalt des <hi rendition="#g">Palazzo del Podestà</hi> (oder del<lb/>
Bargello, vom Jahr 1345) zu, welcher an malerischer Wirkung zumal<lb/>
des Hofraumes seines Gleichen sucht, in Beziehung auf das Detail aber<lb/>
ebenfalls nicht viel mehr bietet als Zinnen, spitzbogige Fenster mit<lb/>
mässigem Schmuck, sehr bescheidene Gesimse, und im Hof ein (jetzt<lb/>
vermauertes) Stück Halle.</p><lb/>
        <p>Bei weitem das schönste gothische Profangebäude der Stadt ist<lb/><note place="left">f</note><hi rendition="#g">Orcagna&#x2019;s Loggia de&#x2019; Lanzi</hi> (begonnen 1376). Hier begegnen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0180] Gothischer Profanbau. Florenz. haben anspruchlose Blättercapitäle. Diese Steinhäuser waren Vesten und mussten in bürgerlichen Wirren Vieles aushalten können; gerne behalf man sich unter dieser Bedingung so eng es anging. (Die Gänge auf starken Consolen rings um einen kleinen Hof hervorragend, in einem vollständigen Beispiel Palast Davanzanti, Via di Porta rossa Nr. 1125.) Belehrend ist die hier klar zu Tage liegende Entstehungs- weise der modernen Rustica (Bossagen): weit entfernt, sie als ein Mittel der ästhetischen Wirkung zu benützen, meisselte man den Qua- der gern glatt, wenn Zeit und Mittel es zuliessen; blieb er einstwei- len roh, so wurden doch um der genauen Zusammenfügung willen seine Ränder scharf und sorgfältig behauen. Eine völlige Gleichmäs- sigkeit der Schichten oder gar der einzelnen Steine wurde selbst an öffentlichen Gebäuden nicht erstrebt. Erst die Renaissance fand, dass man die Rustica als künstlerisches Mittel behandeln und durch Ab- stufung aus dem Rohern in das Feinere zu bedeutungsvollen Contra- sten der einzelnen Stockwerke benützen könne. (Vgl. S. 36, Anm.) a Von Privatgebäuden des XIV. Jahrhunderts, in welchen die Säu- lenhalle des Hofes schlankere Verhältnisse und einen Anfang räumli- cher Schönheit zeigt, nenne ich beispielshalber Palazzo Conte Capponi (Via de’ Bardi) und Palazzo Conte Bardi (Via del fosso 187), dessen Hof auf zwölf sehr schlanken Säulen mit überhöhten Rundbogen ruht, angeblich ein Gebäude des Brunellesco, und in diesem Fall ein frühes Jugendwerk. b c Von Arnolfo, dem Erbauer des Domes, rührt bekanntlich auch Palazzo Vecchio her (vom Jahr 1298). Grösse, Erinnerungen, Steinfarbe und phantastischer Thurmbau geben diesem Gebäude einen Werth, der den künstlerischen bei Weitem übertrifft. Das ganze Innere nebst dem Hinterbau ist spätern Ursprunges. — Dem Agnolo Gaddi gehört die jetzige Gestalt des Palazzo del Podestà (oder del Bargello, vom Jahr 1345) zu, welcher an malerischer Wirkung zumal des Hofraumes seines Gleichen sucht, in Beziehung auf das Detail aber ebenfalls nicht viel mehr bietet als Zinnen, spitzbogige Fenster mit mässigem Schmuck, sehr bescheidene Gesimse, und im Hof ein (jetzt vermauertes) Stück Halle. d e Bei weitem das schönste gothische Profangebäude der Stadt ist Orcagna’s Loggia de’ Lanzi (begonnen 1376). Hier begegnen f

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/180
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/180>, abgerufen am 04.12.2024.