abekannter Architekt in Pistoja, Ventura Vitoni, die Kirche Madonna dell' Umilta. Das Achteck, welches gleichzeitig Cronaca und Bramante nicht mehr für Baptisterien, sondern für Sacristeien an- wandten, ist hier in bedeutender Grösse, mit einer eleganten Innen- bekleidung korinthischer Pilaster und zierlicher Fenster, zum Haupt- raum einer Kirche geworden, die nur leider erst in später Zeit (durch Vasari) ihre Kuppel erhalten hat, dunkel wie die florentinische. (Vi- toni's Kuppel hätte vielleicht derjenigen von S. Maria delle Grazie zu Mailand ähnlich werden sollen.) Ausserordentlich fein und edel ist besonders die Vorhalle gedacht, zwei Tonnengewölbe und in der Mitte eine kleine Kuppel, über einer Pilasterarchitektur, unten herum Sockel und Sitze von Marmor. Die äussere Incrustation fehlt oder bist ärmlich modern. -- Von demselben Baumeister das einfach niedliche Kirchlein S. Giovanni della Monache in Pistoja.
Den Beschluss der toscanischen Frührenaissance macht der schon cöfter genannte Cronaca (1454--1509). Die Vollendung des Pal. Strozzi durch das schöne Gesimse, dessen Formen er nach einem in Rom gefundenen Fragment in vergrössertem Massstab bildete, war in doppelter Beziehung ein Ereigniss: in Beziehung auf die Form, die hier zum erstenmal das römische Vorbild mit ganzem vollem Ernst nachahmte; sodann in Beziehung auf die Verhältnisse. Hatte man bis- her geschwankt, ob das Kranzgesimse bloss im Verhältniss zum ober- sten Stockwerk oder zum ganzen Gebäude zu bilden sei, hatten viele florentinische Paläste durch das weit vorragende Dach mit seinen consolenartig abgestuften Balken das Kranzgesimse geradezu ersetzt oder gleichsam für unnöthig erklärt, so wurde hier ein Muster hin- gestellt, dessen grandioser und wohlthuender Wirkung sich kein Auge entziehen konnte. Sein Verhältniss zur Höhe und Form des Baues ist an sich ein rein willkürliches, weil seine Bildung das Resultat eines ganz andern Ensemble ist, nämlich irgend einer altrömischen Säulenhalle, die zu diesem Gesimse bei weitem nicht so hoch sein dürfte als der Palast Strozzi; gleichwohl wirkt es schön und richtig zu dieser Art von Wandfläche.
Frührenaissance. Vitoni. Cronaca.
abekannter Architekt in Pistoja, Ventura Vitoni, die Kirche Madonna dell’ Umilta. Das Achteck, welches gleichzeitig Cronaca und Bramante nicht mehr für Baptisterien, sondern für Sacristeien an- wandten, ist hier in bedeutender Grösse, mit einer eleganten Innen- bekleidung korinthischer Pilaster und zierlicher Fenster, zum Haupt- raum einer Kirche geworden, die nur leider erst in später Zeit (durch Vasari) ihre Kuppel erhalten hat, dunkel wie die florentinische. (Vi- toni’s Kuppel hätte vielleicht derjenigen von S. Maria delle Grazie zu Mailand ähnlich werden sollen.) Ausserordentlich fein und edel ist besonders die Vorhalle gedacht, zwei Tonnengewölbe und in der Mitte eine kleine Kuppel, über einer Pilasterarchitektur, unten herum Sockel und Sitze von Marmor. Die äussere Incrustation fehlt oder bist ärmlich modern. — Von demselben Baumeister das einfach niedliche Kirchlein S. Giovanni della Monache in Pistoja.
Den Beschluss der toscanischen Frührenaissance macht der schon cöfter genannte Cronaca (1454—1509). Die Vollendung des Pal. Strozzi durch das schöne Gesimse, dessen Formen er nach einem in Rom gefundenen Fragment in vergrössertem Massstab bildete, war in doppelter Beziehung ein Ereigniss: in Beziehung auf die Form, die hier zum erstenmal das römische Vorbild mit ganzem vollem Ernst nachahmte; sodann in Beziehung auf die Verhältnisse. Hatte man bis- her geschwankt, ob das Kranzgesimse bloss im Verhältniss zum ober- sten Stockwerk oder zum ganzen Gebäude zu bilden sei, hatten viele florentinische Paläste durch das weit vorragende Dach mit seinen consolenartig abgestuften Balken das Kranzgesimse geradezu ersetzt oder gleichsam für unnöthig erklärt, so wurde hier ein Muster hin- gestellt, dessen grandioser und wohlthuender Wirkung sich kein Auge entziehen konnte. Sein Verhältniss zur Höhe und Form des Baues ist an sich ein rein willkürliches, weil seine Bildung das Resultat eines ganz andern Ensemble ist, nämlich irgend einer altrömischen Säulenhalle, die zu diesem Gesimse bei weitem nicht so hoch sein dürfte als der Palast Strozzi; gleichwohl wirkt es schön und richtig zu dieser Art von Wandfläche.
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Frührenaissance. Vitoni. Cronaca.
bekannter Architekt in Pistoja, Ventura Vitoni, die Kirche
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Bramante nicht mehr für Baptisterien, sondern für Sacristeien an-
wandten, ist hier in bedeutender Grösse, mit einer eleganten Innen-
bekleidung korinthischer Pilaster und zierlicher Fenster, zum Haupt-
raum einer Kirche geworden, die nur leider erst in später Zeit (durch
Vasari) ihre Kuppel erhalten hat, dunkel wie die florentinische. (Vi-
toni’s Kuppel hätte vielleicht derjenigen von S. Maria delle Grazie
zu Mailand ähnlich werden sollen.) Ausserordentlich fein und edel
ist besonders die Vorhalle gedacht, zwei Tonnengewölbe und in der
Mitte eine kleine Kuppel, über einer Pilasterarchitektur, unten herum
Sockel und Sitze von Marmor. Die äussere Incrustation fehlt oder
ist ärmlich modern. — Von demselben Baumeister das einfach niedliche
Kirchlein S. Giovanni della Monache in Pistoja.
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Den Beschluss der toscanischen Frührenaissance macht der schon
öfter genannte Cronaca (1454—1509). Die Vollendung des Pal.
Strozzi durch das schöne Gesimse, dessen Formen er nach einem
in Rom gefundenen Fragment in vergrössertem Massstab bildete, war
in doppelter Beziehung ein Ereigniss: in Beziehung auf die Form, die
hier zum erstenmal das römische Vorbild mit ganzem vollem Ernst
nachahmte; sodann in Beziehung auf die Verhältnisse. Hatte man bis-
her geschwankt, ob das Kranzgesimse bloss im Verhältniss zum ober-
sten Stockwerk oder zum ganzen Gebäude zu bilden sei, hatten viele
florentinische Paläste durch das weit vorragende Dach mit seinen
consolenartig abgestuften Balken das Kranzgesimse geradezu ersetzt
oder gleichsam für unnöthig erklärt, so wurde hier ein Muster hin-
gestellt, dessen grandioser und wohlthuender Wirkung sich kein Auge
entziehen konnte. Sein Verhältniss zur Höhe und Form des Baues
ist an sich ein rein willkürliches, weil seine Bildung das Resultat
eines ganz andern Ensemble ist, nämlich irgend einer altrömischen
Säulenhalle, die zu diesem Gesimse bei weitem nicht so hoch sein
dürfte als der Palast Strozzi; gleichwohl wirkt es schön und richtig
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/210>, abgerufen am 04.12.2024.
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