wirkung ausgeht und z. B. keine Arabesken an Pilastern und Friesen zulässt, gehört diess Gebäude wie S. Maria presso S. Celso zu Mai- land schon eher der classischen Zeit als der Frührenaissance an.
Schon die genannten Bauten geben einige gemeinsame Züge kund, die auch für die folgenden wesentlich sind. Die Lombardie war schon in der vorigen Periode das Land des grossartigen und verfeinerten Backsteinbaues gewesen und behielt jetzt dieses Material bei, abgesehen natürlich von Gebäuden des äussersten Luxus wie z. B. die Fassade der Certosa. Zweierlei Consequenzen hievon sind: 1) die Vorliebe für den Pfeilerbau mit Stucchirung; dieser gestattete kühne Gewölbe; die Säule und mit ihr die flachgedeckte Basilica kom- men zur Renaissancezeit im Ganzen selten vor. 2) Die Vorliebe für reiche, kecke Dispositionen, hauptsächlich runde Abschlüsse, grosse Nischen u. s. w., die im Backstein, wo man es im Detail nicht so genau nimmt, ungleich leichter darzustellen sind als im Stein, der eine sehr consequente Durchführung des Details und eine hier müh- same Messung verlangt. Diese reichen Formen sind gleichsam ein Ersatz für den mangelnden Adel des Materials. -- Weitere Folgen sind: die stets einfache und befangene Bildung der Säule, wo sie vorkömmt, wie z. B. an vielen (doch nicht den meisten) Kloster- höfen; die Decoration des Innenpfeilers, den man doch ein- mal nicht roh lassen wollte, durch gemalte oder selbst erhabene Ara- besken; eine ähnliche Behandlung der Gesimse, der Gewölbe (Rippen sowohl als ganze Kappen, Halbkuppeln u. s. w.). Die Kuppel bleibt noch längere Zeit die mittelalterliche, polygone, aussen flach- gedeckte, mit Galerien umgebene. Man sieht an der Certosa von Pavia recht deutlich, wie sie sich steigern und verklären möchte, es aber nicht über die Vervielfachung der Galerien hinaus bringt.
Die Dauer der Frührenaissance ist hier eine längere als in Mit- telitalien; Bramante (oder wer es sonst war) drang mit der gross- artigen Vereinfachung der Formen, die man z. B. an S. Maria presso S. Celso bemerkt, zunächst nicht durch. Der Bruch erfolgt hier erst gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts und dann ziemlich unvermittelt.
Die nächste bedeutende Gruppe von Kirchen, welche der Verfas-
Grundzüge des lombardischen Kirchenbaues.
wirkung ausgeht und z. B. keine Arabesken an Pilastern und Friesen zulässt, gehört diess Gebäude wie S. Maria presso S. Celso zu Mai- land schon eher der classischen Zeit als der Frührenaissance an.
Schon die genannten Bauten geben einige gemeinsame Züge kund, die auch für die folgenden wesentlich sind. Die Lombardie war schon in der vorigen Periode das Land des grossartigen und verfeinerten Backsteinbaues gewesen und behielt jetzt dieses Material bei, abgesehen natürlich von Gebäuden des äussersten Luxus wie z. B. die Fassade der Certosa. Zweierlei Consequenzen hievon sind: 1) die Vorliebe für den Pfeilerbau mit Stucchirung; dieser gestattete kühne Gewölbe; die Säule und mit ihr die flachgedeckte Basilica kom- men zur Renaissancezeit im Ganzen selten vor. 2) Die Vorliebe für reiche, kecke Dispositionen, hauptsächlich runde Abschlüsse, grosse Nischen u. s. w., die im Backstein, wo man es im Detail nicht so genau nimmt, ungleich leichter darzustellen sind als im Stein, der eine sehr consequente Durchführung des Details und eine hier müh- same Messung verlangt. Diese reichen Formen sind gleichsam ein Ersatz für den mangelnden Adel des Materials. — Weitere Folgen sind: die stets einfache und befangene Bildung der Säule, wo sie vorkömmt, wie z. B. an vielen (doch nicht den meisten) Kloster- höfen; die Decoration des Innenpfeilers, den man doch ein- mal nicht roh lassen wollte, durch gemalte oder selbst erhabene Ara- besken; eine ähnliche Behandlung der Gesimse, der Gewölbe (Rippen sowohl als ganze Kappen, Halbkuppeln u. s. w.). Die Kuppel bleibt noch längere Zeit die mittelalterliche, polygone, aussen flach- gedeckte, mit Galerien umgebene. Man sieht an der Certosa von Pavia recht deutlich, wie sie sich steigern und verklären möchte, es aber nicht über die Vervielfachung der Galerien hinaus bringt.
Die Dauer der Frührenaissance ist hier eine längere als in Mit- telitalien; Bramante (oder wer es sonst war) drang mit der gross- artigen Vereinfachung der Formen, die man z. B. an S. Maria presso S. Celso bemerkt, zunächst nicht durch. Der Bruch erfolgt hier erst gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts und dann ziemlich unvermittelt.
Die nächste bedeutende Gruppe von Kirchen, welche der Verfas-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0225"n="203"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Grundzüge des lombardischen Kirchenbaues.</hi></fw><lb/>
wirkung ausgeht und z. B. keine Arabesken an Pilastern und Friesen<lb/>
zulässt, gehört diess Gebäude wie S. Maria presso S. Celso zu Mai-<lb/>
land schon eher der classischen Zeit als der Frührenaissance an.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Schon die genannten Bauten geben einige gemeinsame Züge kund,<lb/>
die auch für die folgenden wesentlich sind. Die Lombardie war schon<lb/>
in der vorigen Periode das Land des grossartigen und verfeinerten<lb/><hirendition="#g">Backstein</hi>baues gewesen und behielt jetzt dieses Material bei,<lb/>
abgesehen natürlich von Gebäuden des äussersten Luxus wie z. B.<lb/>
die Fassade der Certosa. Zweierlei Consequenzen hievon sind: 1) die<lb/>
Vorliebe für den <hirendition="#g">Pfeilerbau</hi> mit Stucchirung; dieser gestattete<lb/>
kühne Gewölbe; die Säule und mit ihr die flachgedeckte Basilica kom-<lb/>
men zur Renaissancezeit im Ganzen selten vor. 2) Die Vorliebe für<lb/>
reiche, kecke Dispositionen, hauptsächlich <hirendition="#g">runde Abschlüsse</hi>,<lb/>
grosse Nischen u. s. w., die im Backstein, wo man es im Detail nicht<lb/>
so genau nimmt, ungleich leichter darzustellen sind als im Stein, der<lb/>
eine sehr consequente Durchführung des Details und eine hier müh-<lb/>
same Messung verlangt. Diese reichen Formen sind gleichsam ein<lb/>
Ersatz für den mangelnden Adel des Materials. — Weitere Folgen<lb/>
sind: die stets einfache und <hirendition="#g">befangene</hi> Bildung der <hirendition="#g">Säule</hi>, wo<lb/>
sie vorkömmt, wie z. B. an vielen (doch nicht den meisten) Kloster-<lb/>
höfen; die <hirendition="#g">Decoration des Innenpfeilers</hi>, den man doch ein-<lb/>
mal nicht roh lassen wollte, durch gemalte oder selbst erhabene Ara-<lb/>
besken; eine ähnliche Behandlung der Gesimse, der Gewölbe (Rippen<lb/>
sowohl als ganze Kappen, Halbkuppeln u. s. w.). Die <hirendition="#g">Kuppel</hi><lb/>
bleibt noch längere Zeit die mittelalterliche, polygone, aussen flach-<lb/>
gedeckte, mit Galerien umgebene. Man sieht an der Certosa von<lb/>
Pavia recht deutlich, wie sie sich steigern und verklären möchte, es<lb/>
aber nicht über die Vervielfachung der Galerien hinaus bringt.</p><lb/><p>Die Dauer der Frührenaissance ist hier eine längere als in Mit-<lb/>
telitalien; Bramante (oder wer es sonst war) drang mit der gross-<lb/>
artigen Vereinfachung der Formen, die man z. B. an S. Maria presso<lb/>
S. Celso bemerkt, zunächst nicht durch. Der Bruch erfolgt hier erst<lb/>
gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts und dann ziemlich unvermittelt.</p><lb/><p>Die nächste bedeutende Gruppe von Kirchen, welche der Verfas-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[203/0225]
Grundzüge des lombardischen Kirchenbaues.
wirkung ausgeht und z. B. keine Arabesken an Pilastern und Friesen
zulässt, gehört diess Gebäude wie S. Maria presso S. Celso zu Mai-
land schon eher der classischen Zeit als der Frührenaissance an.
Schon die genannten Bauten geben einige gemeinsame Züge kund,
die auch für die folgenden wesentlich sind. Die Lombardie war schon
in der vorigen Periode das Land des grossartigen und verfeinerten
Backsteinbaues gewesen und behielt jetzt dieses Material bei,
abgesehen natürlich von Gebäuden des äussersten Luxus wie z. B.
die Fassade der Certosa. Zweierlei Consequenzen hievon sind: 1) die
Vorliebe für den Pfeilerbau mit Stucchirung; dieser gestattete
kühne Gewölbe; die Säule und mit ihr die flachgedeckte Basilica kom-
men zur Renaissancezeit im Ganzen selten vor. 2) Die Vorliebe für
reiche, kecke Dispositionen, hauptsächlich runde Abschlüsse,
grosse Nischen u. s. w., die im Backstein, wo man es im Detail nicht
so genau nimmt, ungleich leichter darzustellen sind als im Stein, der
eine sehr consequente Durchführung des Details und eine hier müh-
same Messung verlangt. Diese reichen Formen sind gleichsam ein
Ersatz für den mangelnden Adel des Materials. — Weitere Folgen
sind: die stets einfache und befangene Bildung der Säule, wo
sie vorkömmt, wie z. B. an vielen (doch nicht den meisten) Kloster-
höfen; die Decoration des Innenpfeilers, den man doch ein-
mal nicht roh lassen wollte, durch gemalte oder selbst erhabene Ara-
besken; eine ähnliche Behandlung der Gesimse, der Gewölbe (Rippen
sowohl als ganze Kappen, Halbkuppeln u. s. w.). Die Kuppel
bleibt noch längere Zeit die mittelalterliche, polygone, aussen flach-
gedeckte, mit Galerien umgebene. Man sieht an der Certosa von
Pavia recht deutlich, wie sie sich steigern und verklären möchte, es
aber nicht über die Vervielfachung der Galerien hinaus bringt.
Die Dauer der Frührenaissance ist hier eine längere als in Mit-
telitalien; Bramante (oder wer es sonst war) drang mit der gross-
artigen Vereinfachung der Formen, die man z. B. an S. Maria presso
S. Celso bemerkt, zunächst nicht durch. Der Bruch erfolgt hier erst
gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts und dann ziemlich unvermittelt.
Die nächste bedeutende Gruppe von Kirchen, welche der Verfas-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/225>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.