Pfeilern und drüber eine spitzbogige auf Pfeilern mit vorgesetzten Säulen -- und auch hier waren sie gebunden durch die Verhältnisse, welche Calendario dem Aussenbau gegeben hatte. Man darf nicht mit allzufrischen Erinnerungen von einem Pal. di Venezia in Rom, einem Pal. Riccardi in Florenz, vollends nicht von den Bauten Bra- mante's hereintreten. Die sämmtlichen obern Stockwerke des Hinter- baues sind dann blosse Decoration eines unter schwankenden Ent- schlüssen allmälig zu Stande gekommenen Innern. Die unabsichtliche Unsymmetrie, welche auf diese Weise in die Fassade kam, ist beinahe ein Glück zu nennen, da die Architekten wohl ohnehin für eine wahre Composition im Grossen nicht ausgereicht hätten. Es kommt dabei freilich zu krausen Extremen; Fenster desselben Stockwerkes von verschiedener Höhe, doppelte Friese u. a. m., was man über dem ungeheuern Reichthum der Decoration vergessen muss. Die Canal- seite ist einfacher und am Sockel facettirt. -- Die artige kleine Fas- sade links von der Riesentreppe hat Guglielmo Bergamasco 1520 hineingebaut; sie möchte leicht das Beste am ganzen Hofe sein.
a
Von den Privatpalästen ist Pal. Vendramin-Calergi da- tirt mit der Jahrzahl 1481 und dem Namen des Pietro Lombardo. Die Säulenordnungen, welche vor die Fassade gesetzt sind, die grossen halbrunden Fenster, das bedeutend vorragende Gesimse und der be- trächtliche Massstab geben diesem Gebäude ausser der ungemeinen Pracht auch einen gewissen Ernst, ohne dass in den Verhältnissen irgend eine höhere Aufgabe gelöst wäre. Die Adler im obern Fries entsprechen auf nicht eben glückliche Weise den Säulen. Die Pilaster des Erdgeschosses, welche der cannelirten mittlern und der glatten obern Säulenordnung entsprechen, sind für ihre Function viel zu zart gebildet.
Alle andern Paläste dieses Styles werden als "in der Art der Lombardi", "aus der Zeit der Lombardi" bezeichnet, aber ohne nähere Beziehung. Am Canal grande, von Marcusplatz aus beginnend, ist bdie Reihenfolge diese: (Links) der kleine Pal. Dario, fröhlich unsym- metrisch, mit bunten Rundplatten in verschiedener Anordnung verziert. c-- (Links) Pal. Manzoni-Angarani, besonders reich und schön,
Frührenaissance. Venedig. Paläste.
Pfeilern und drüber eine spitzbogige auf Pfeilern mit vorgesetzten Säulen — und auch hier waren sie gebunden durch die Verhältnisse, welche Calendario dem Aussenbau gegeben hatte. Man darf nicht mit allzufrischen Erinnerungen von einem Pal. di Venezia in Rom, einem Pal. Riccardi in Florenz, vollends nicht von den Bauten Bra- mante’s hereintreten. Die sämmtlichen obern Stockwerke des Hinter- baues sind dann blosse Decoration eines unter schwankenden Ent- schlüssen allmälig zu Stande gekommenen Innern. Die unabsichtliche Unsymmetrie, welche auf diese Weise in die Fassade kam, ist beinahe ein Glück zu nennen, da die Architekten wohl ohnehin für eine wahre Composition im Grossen nicht ausgereicht hätten. Es kommt dabei freilich zu krausen Extremen; Fenster desselben Stockwerkes von verschiedener Höhe, doppelte Friese u. a. m., was man über dem ungeheuern Reichthum der Decoration vergessen muss. Die Canal- seite ist einfacher und am Sockel facettirt. — Die artige kleine Fas- sade links von der Riesentreppe hat Guglielmo Bergamasco 1520 hineingebaut; sie möchte leicht das Beste am ganzen Hofe sein.
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Von den Privatpalästen ist Pal. Vendramin-Calergi da- tirt mit der Jahrzahl 1481 und dem Namen des Pietro Lombardo. Die Säulenordnungen, welche vor die Fassade gesetzt sind, die grossen halbrunden Fenster, das bedeutend vorragende Gesimse und der be- trächtliche Massstab geben diesem Gebäude ausser der ungemeinen Pracht auch einen gewissen Ernst, ohne dass in den Verhältnissen irgend eine höhere Aufgabe gelöst wäre. Die Adler im obern Fries entsprechen auf nicht eben glückliche Weise den Säulen. Die Pilaster des Erdgeschosses, welche der cannelirten mittlern und der glatten obern Säulenordnung entsprechen, sind für ihre Function viel zu zart gebildet.
Alle andern Paläste dieses Styles werden als „in der Art der Lombardi“, „aus der Zeit der Lombardi“ bezeichnet, aber ohne nähere Beziehung. Am Canal grande, von Marcusplatz aus beginnend, ist bdie Reihenfolge diese: (Links) der kleine Pal. Dario, fröhlich unsym- metrisch, mit bunten Rundplatten in verschiedener Anordnung verziert. c— (Links) Pal. Manzoni-Angarani, besonders reich und schön,
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Frührenaissance. Venedig. Paläste.
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Säulen — und auch hier waren sie gebunden durch die Verhältnisse,
welche Calendario dem Aussenbau gegeben hatte. Man darf nicht
mit allzufrischen Erinnerungen von einem Pal. di Venezia in Rom,
einem Pal. Riccardi in Florenz, vollends nicht von den Bauten Bra-
mante’s hereintreten. Die sämmtlichen obern Stockwerke des Hinter-
baues sind dann blosse Decoration eines unter schwankenden Ent-
schlüssen allmälig zu Stande gekommenen Innern. Die unabsichtliche
Unsymmetrie, welche auf diese Weise in die Fassade kam, ist beinahe
ein Glück zu nennen, da die Architekten wohl ohnehin für eine wahre
Composition im Grossen nicht ausgereicht hätten. Es kommt dabei
freilich zu krausen Extremen; Fenster desselben Stockwerkes von
verschiedener Höhe, doppelte Friese u. a. m., was man über dem
ungeheuern Reichthum der Decoration vergessen muss. Die Canal-
seite ist einfacher und am Sockel facettirt. — Die artige kleine Fas-
sade links von der Riesentreppe hat Guglielmo Bergamasco
1520 hineingebaut; sie möchte leicht das Beste am ganzen Hofe sein.
Von den Privatpalästen ist Pal. Vendramin-Calergi da-
tirt mit der Jahrzahl 1481 und dem Namen des Pietro Lombardo.
Die Säulenordnungen, welche vor die Fassade gesetzt sind, die grossen
halbrunden Fenster, das bedeutend vorragende Gesimse und der be-
trächtliche Massstab geben diesem Gebäude ausser der ungemeinen
Pracht auch einen gewissen Ernst, ohne dass in den Verhältnissen
irgend eine höhere Aufgabe gelöst wäre. Die Adler im obern Fries
entsprechen auf nicht eben glückliche Weise den Säulen. Die Pilaster
des Erdgeschosses, welche der cannelirten mittlern und der glatten
obern Säulenordnung entsprechen, sind für ihre Function viel zu zart
gebildet.
Alle andern Paläste dieses Styles werden als „in der Art der
Lombardi“, „aus der Zeit der Lombardi“ bezeichnet, aber ohne nähere
Beziehung. Am Canal grande, von Marcusplatz aus beginnend, ist
die Reihenfolge diese: (Links) der kleine Pal. Dario, fröhlich unsym-
metrisch, mit bunten Rundplatten in verschiedener Anordnung verziert.
— (Links) Pal. Manzoni-Angarani, besonders reich und schön,
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/244>, abgerufen am 04.12.2024.
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