Ganze. (Wahrscheinlich war die Fassade einst bemalt.) -- Mit Fal- conetto tritt dann der Styl des XVI. Jahrhunderts in sein Recht.
In Vicenza übersieht man zu leicht neben den Bauten Palla- dio's die schönen Werke der frühern Renaissance, die doch als all- gemeine Zeugnisse eines schon früher vorhandenen Bausinns es erst recht erklären, wie ein solcher Meister aufkommen und eine so glän- zende Laufbahn in der eigenen Heimath finden konnte.
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Im Hof des Vescovato (beim Dom) ist eine zierliche kleine Halle vom Jahr 1494 erhalten; unten Rundbogen, oben eine Fensterreihe mit Pilastern und geradem Gebälk. -- Unweit von der Basilica Pal- bladio's findet sich das steinerne Häuschen N. 1828, noch halb- gothisch obwohl vom Jahr 1481, kenntlich an dem Motto: Il n'est rose sans espine; eines der allerniedlichsten Gebäude dieser Art, mit kleeblattförmig vortretenden Balcons, deren Consolen aus Laubwerk, Greifen, Füllhörnern bestehen; die obern Fenster mit Candelabern ein- gefasst, ihre Zwischenräume mit gemeisselten Arabesken verziert. Ein gleichzeitiger Nebenbau von Mauerwerk war mit farbigen Arabesken cbemalt. -- Ein grösserer Palast, dessen freie untere Halle durch Auf- höhung des Bodens halb vergraben worden ist, steht beim Ponte de' dGiangioli. -- Das Haus N. 1944, mit dem Motto: Omnia praetereunt, redeunt, nihil interit, ist unten mit einer sonderbaren, gitterartigen Verzierung überzogen, sonst von guten Verhältnissen. -- Schon aus eder classischen Zeit stammt dann das Häuschen N. 1276, ein ganz merkwürdiger Versuch, selbst in den allerkleinsten Dimensionen mo- numental bedeutend sein zu wollen. Mit der Fassade gelang es; mit dem Höfchen doch nicht mehr.
Von da bis auf Palladio ist eine zwar nicht reichliche, aber doch nie zu lang unterbrochene Reihe von mehr oder weniger stattlichen Privatgebäuden vorhanden, welche die Vorstufen seiner Werke bilden.
Verona war die Vaterstadt eines der berühmtesten Architekten der Frührenaissance, des Fra Giocondo (geb. um 1435, starb nach 1514). Seine Thätigkeit gehörte meist dem Auslande an, doch hat er
Frührenaissance. Vicenza.
Ganze. (Wahrscheinlich war die Fassade einst bemalt.) — Mit Fal- conetto tritt dann der Styl des XVI. Jahrhunderts in sein Recht.
In Vicenza übersieht man zu leicht neben den Bauten Palla- dio’s die schönen Werke der frühern Renaissance, die doch als all- gemeine Zeugnisse eines schon früher vorhandenen Bausinns es erst recht erklären, wie ein solcher Meister aufkommen und eine so glän- zende Laufbahn in der eigenen Heimath finden konnte.
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Im Hof des Vescovato (beim Dom) ist eine zierliche kleine Halle vom Jahr 1494 erhalten; unten Rundbogen, oben eine Fensterreihe mit Pilastern und geradem Gebälk. — Unweit von der Basilica Pal- bladio’s findet sich das steinerne Häuschen N. 1828, noch halb- gothisch obwohl vom Jahr 1481, kenntlich an dem Motto: Il n’est rose sans espine; eines der allerniedlichsten Gebäude dieser Art, mit kleeblattförmig vortretenden Balcons, deren Consolen aus Laubwerk, Greifen, Füllhörnern bestehen; die obern Fenster mit Candelabern ein- gefasst, ihre Zwischenräume mit gemeisselten Arabesken verziert. Ein gleichzeitiger Nebenbau von Mauerwerk war mit farbigen Arabesken cbemalt. — Ein grösserer Palast, dessen freie untere Halle durch Auf- höhung des Bodens halb vergraben worden ist, steht beim Ponte de’ dGiangioli. — Das Haus N. 1944, mit dem Motto: Omnia prætereunt, redeunt, nihil interit, ist unten mit einer sonderbaren, gitterartigen Verzierung überzogen, sonst von guten Verhältnissen. — Schon aus eder classischen Zeit stammt dann das Häuschen N. 1276, ein ganz merkwürdiger Versuch, selbst in den allerkleinsten Dimensionen mo- numental bedeutend sein zu wollen. Mit der Fassade gelang es; mit dem Höfchen doch nicht mehr.
Von da bis auf Palladio ist eine zwar nicht reichliche, aber doch nie zu lang unterbrochene Reihe von mehr oder weniger stattlichen Privatgebäuden vorhanden, welche die Vorstufen seiner Werke bilden.
Verona war die Vaterstadt eines der berühmtesten Architekten der Frührenaissance, des Fra Giocondo (geb. um 1435, starb nach 1514). Seine Thätigkeit gehörte meist dem Auslande an, doch hat er
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Frührenaissance. Vicenza.
Ganze. (Wahrscheinlich war die Fassade einst bemalt.) — Mit Fal-
conetto tritt dann der Styl des XVI. Jahrhunderts in sein Recht.
In Vicenza übersieht man zu leicht neben den Bauten Palla-
dio’s die schönen Werke der frühern Renaissance, die doch als all-
gemeine Zeugnisse eines schon früher vorhandenen Bausinns es erst
recht erklären, wie ein solcher Meister aufkommen und eine so glän-
zende Laufbahn in der eigenen Heimath finden konnte.
Im Hof des Vescovato (beim Dom) ist eine zierliche kleine Halle
vom Jahr 1494 erhalten; unten Rundbogen, oben eine Fensterreihe
mit Pilastern und geradem Gebälk. — Unweit von der Basilica Pal-
ladio’s findet sich das steinerne Häuschen N. 1828, noch halb-
gothisch obwohl vom Jahr 1481, kenntlich an dem Motto: Il n’est
rose sans espine; eines der allerniedlichsten Gebäude dieser Art, mit
kleeblattförmig vortretenden Balcons, deren Consolen aus Laubwerk,
Greifen, Füllhörnern bestehen; die obern Fenster mit Candelabern ein-
gefasst, ihre Zwischenräume mit gemeisselten Arabesken verziert. Ein
gleichzeitiger Nebenbau von Mauerwerk war mit farbigen Arabesken
bemalt. — Ein grösserer Palast, dessen freie untere Halle durch Auf-
höhung des Bodens halb vergraben worden ist, steht beim Ponte de’
Giangioli. — Das Haus N. 1944, mit dem Motto: Omnia prætereunt,
redeunt, nihil interit, ist unten mit einer sonderbaren, gitterartigen
Verzierung überzogen, sonst von guten Verhältnissen. — Schon aus
der classischen Zeit stammt dann das Häuschen N. 1276, ein ganz
merkwürdiger Versuch, selbst in den allerkleinsten Dimensionen mo-
numental bedeutend sein zu wollen. Mit der Fassade gelang es; mit
dem Höfchen doch nicht mehr.
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Von da bis auf Palladio ist eine zwar nicht reichliche, aber doch
nie zu lang unterbrochene Reihe von mehr oder weniger stattlichen
Privatgebäuden vorhanden, welche die Vorstufen seiner Werke bilden.
Verona war die Vaterstadt eines der berühmtesten Architekten
der Frührenaissance, des Fra Giocondo (geb. um 1435, starb nach
1514). Seine Thätigkeit gehörte meist dem Auslande an, doch hat er
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/246>, abgerufen am 04.12.2024.
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