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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Renaissance-Decoration.

Ein ausserordentlicher Luxus, dessen Fülle jetzt noch in Er-
staunen setzt, wurde auf die Grabmäler verwandt. Gegen das
manierirte italienisch-gothische Grab gehalten, ist das Renaissancegrab
in jeder Beziehung im Vortheil. Der bisherige Sarcophag auf Säulen
oder Tragfiguren, mit seiner unsichtbar hoch angebrachten liegenden
Statue, der Tabernakel auf Säulen mit seinem Gemälde im tiefen
Schatten, seinen allzuhoch aufgestellten Statuetten, seinen Vorhang-
ziehenden Engeln u. s. w. -- Diess Alles wurde schön und sinnvoll
in vernünftigen Verhältnissen umgestaltet. Das Ganze bildet in der
Regel eine nicht zu tiefe Nische, in welcher unten der Sarcophag
steht; auf diesem liegt entweder unmittelbar oder über einem zier-
lichen Paradebette die Statue. Im obern Halbrund findet man ins-
gemein eine Madonna mit Engeln in Hochrelief, oder auch die Ge-
stalten von Schutzheiligen. Die Pfosten der Nische, die Enden des
Sarcophages, die Ansätze und die Mitte des obern Bogens erhalten
dann noch je nach Umständen eine Anzahl von Statuetten oder Re-
lieffiguren, welche Heilige, Kinderengel (Putten), Allegorien etc. dar-
stellen. An Gräbern von Kriegern und Staatsmännern, die zumal in
Venedig und Neapel vorherrschen, macht sich eine sehr vielgestaltige
Composition, bisweilen auch schon ein Missbrauch der Allegorien
geltend.

In den Sacristeien und in der Nähe der Klosterrefectorien finden
sich oft reichverzierte Brunnen.

Das Gitterwerk einzelner Kirchenräume ist nicht selten mit
vielem decorativem Geschick behandelt.

Die wenigen ehernen Kirchenpforten, die man hauptsächlich
um ihrer Sculpturen willen betrachtet, sind durchgängig (Ghiberti's
Thüren) in decorativem Betracht nicht minder bewundernswerth.

Die Holzdecoration (Chorstühle, Sacristeischränke etc.) wird
unten im Zusammenhang erörtert werden.

bia, von welchen z. B. Rafael die (jetzt ganz ausgetretenen) Bodenplatten*
für die Loggien bezog. Etwas besser erhalten: einige Reste in den Stanzen
des Vaticans. Aus früherer Zeit: diejenigen in der Capella Bentivoglio, in
S. Giacomo maggiore zu Bologna; -- und diejenigen in der fünften Capelle
links zu S. Petronio ebenda, letztere sechseckige Plättchen mit Ornamenten
und Figuren. -- In Neapel dauert die Sitte noch heute.
Renaissance-Decoration.

Ein ausserordentlicher Luxus, dessen Fülle jetzt noch in Er-
staunen setzt, wurde auf die Grabmäler verwandt. Gegen das
manierirte italienisch-gothische Grab gehalten, ist das Renaissancegrab
in jeder Beziehung im Vortheil. Der bisherige Sarcophag auf Säulen
oder Tragfiguren, mit seiner unsichtbar hoch angebrachten liegenden
Statue, der Tabernakel auf Säulen mit seinem Gemälde im tiefen
Schatten, seinen allzuhoch aufgestellten Statuetten, seinen Vorhang-
ziehenden Engeln u. s. w. — Diess Alles wurde schön und sinnvoll
in vernünftigen Verhältnissen umgestaltet. Das Ganze bildet in der
Regel eine nicht zu tiefe Nische, in welcher unten der Sarcophag
steht; auf diesem liegt entweder unmittelbar oder über einem zier-
lichen Paradebette die Statue. Im obern Halbrund findet man ins-
gemein eine Madonna mit Engeln in Hochrelief, oder auch die Ge-
stalten von Schutzheiligen. Die Pfosten der Nische, die Enden des
Sarcophages, die Ansätze und die Mitte des obern Bogens erhalten
dann noch je nach Umständen eine Anzahl von Statuetten oder Re-
lieffiguren, welche Heilige, Kinderengel (Putten), Allegorien etc. dar-
stellen. An Gräbern von Kriegern und Staatsmännern, die zumal in
Venedig und Neapel vorherrschen, macht sich eine sehr vielgestaltige
Composition, bisweilen auch schon ein Missbrauch der Allegorien
geltend.

In den Sacristeien und in der Nähe der Klosterrefectorien finden
sich oft reichverzierte Brunnen.

Das Gitterwerk einzelner Kirchenräume ist nicht selten mit
vielem decorativem Geschick behandelt.

Die wenigen ehernen Kirchenpforten, die man hauptsächlich
um ihrer Sculpturen willen betrachtet, sind durchgängig (Ghiberti’s
Thüren) in decorativem Betracht nicht minder bewundernswerth.

Die Holzdecoration (Chorstühle, Sacristeischränke etc.) wird
unten im Zusammenhang erörtert werden.

bia, von welchen z. B. Rafael die (jetzt ganz ausgetretenen) Bodenplatten*
für die Loggien bezog. Etwas besser erhalten: einige Reste in den Stanzen
des Vaticans. Aus früherer Zeit: diejenigen in der Capella Bentivoglio, in
S. Giacomo maggiore zu Bologna; — und diejenigen in der fünften Capelle
links zu S. Petronio ebenda, letztere sechseckige Plättchen mit Ornamenten
und Figuren. — In Neapel dauert die Sitte noch heute.
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[229/0251] Renaissance-Decoration. Ein ausserordentlicher Luxus, dessen Fülle jetzt noch in Er- staunen setzt, wurde auf die Grabmäler verwandt. Gegen das manierirte italienisch-gothische Grab gehalten, ist das Renaissancegrab in jeder Beziehung im Vortheil. Der bisherige Sarcophag auf Säulen oder Tragfiguren, mit seiner unsichtbar hoch angebrachten liegenden Statue, der Tabernakel auf Säulen mit seinem Gemälde im tiefen Schatten, seinen allzuhoch aufgestellten Statuetten, seinen Vorhang- ziehenden Engeln u. s. w. — Diess Alles wurde schön und sinnvoll in vernünftigen Verhältnissen umgestaltet. Das Ganze bildet in der Regel eine nicht zu tiefe Nische, in welcher unten der Sarcophag steht; auf diesem liegt entweder unmittelbar oder über einem zier- lichen Paradebette die Statue. Im obern Halbrund findet man ins- gemein eine Madonna mit Engeln in Hochrelief, oder auch die Ge- stalten von Schutzheiligen. Die Pfosten der Nische, die Enden des Sarcophages, die Ansätze und die Mitte des obern Bogens erhalten dann noch je nach Umständen eine Anzahl von Statuetten oder Re- lieffiguren, welche Heilige, Kinderengel (Putten), Allegorien etc. dar- stellen. An Gräbern von Kriegern und Staatsmännern, die zumal in Venedig und Neapel vorherrschen, macht sich eine sehr vielgestaltige Composition, bisweilen auch schon ein Missbrauch der Allegorien geltend. In den Sacristeien und in der Nähe der Klosterrefectorien finden sich oft reichverzierte Brunnen. Das Gitterwerk einzelner Kirchenräume ist nicht selten mit vielem decorativem Geschick behandelt. Die wenigen ehernen Kirchenpforten, die man hauptsächlich um ihrer Sculpturen willen betrachtet, sind durchgängig (Ghiberti’s Thüren) in decorativem Betracht nicht minder bewundernswerth. Die Holzdecoration (Chorstühle, Sacristeischränke etc.) wird unten im Zusammenhang erörtert werden. 1) 1) bia, von welchen z. B. Rafael die (jetzt ganz ausgetretenen) Bodenplatten für die Loggien bezog. Etwas besser erhalten: einige Reste in den Stanzen des Vaticans. Aus früherer Zeit: diejenigen in der Capella Bentivoglio, in S. Giacomo maggiore zu Bologna; — und diejenigen in der fünften Capelle links zu S. Petronio ebenda, letztere sechseckige Plättchen mit Ornamenten und Figuren. — In Neapel dauert die Sitte noch heute.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/251>, abgerufen am 05.12.2024.