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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Einfassungen von Fresken.
nicht fördern, ja nicht einmal auf der Höhe halten; von Zeit zu Zeit
muss der Historienmaler im Einklang mit dem Architekten die Rich-
tung im Grossen angeben. Die Gattung ist entstanden als Einfas-
sung
um historische Fresken, als deren Begränzung im baulichen
Raum. Schon die Malerei des XIV. Jahrhunderts hatte gerade diese
Arabesken sehr schön in ihrer Art ausgebildet und mit Polygonen,
Medaillons u. dgl. unterbrochen, aus welchen Halbfiguren (Propheten,
Sibyllen u. dgl.) hervorschauen. Die meisten der unten zu nennenden
Fresken dieser Zeit sind so umgeben. Das XV. Jahrhundert konnte
eine solche Einfassung noch viel weniger entbehren; wie der Pracht-
rahmen für das Tafelbild, so war die Wandarabeske für das Fresco
nichts anderes als die nothwendige Form, in welcher der überreiche
Lebensinhalt des Gemäldes harmonisch auszuklingen strebte. Ausser-
dem aber wurde sie auch zur blossen Decoration von Bautheilen nicht
selten angewandt.

Sie will während des XV. Jahrh. meist noch die Architektur und
Sculptur nachahmen; daher ihre Einfarbigkeit, grau in grau, braun
in braun, u. s. w. etwa mit einzelnen aufgesetzten Goldverzierungen;
auch wiederholt sie die uns vom Marmor her bekannten Motive, nur
reicher und mit stärkerem Aufwand figürlicher Zuthaten. In letztern
scheute man sich auch an der heiligsten Stätte nicht vor der antiken
Mythologie. Wo der Raum es zuliess, wurden über Gesimsen und
Postamenten noch allegorische Figuren, Putten u. dgl. meist in der-
selben Farbe hingemalt.

An den gewölbten Decken aber, und bald auch an den Wand-
pfeilern etc. versuchte man gegen Ende des Jahrhunderts reichere Far-
ben, z. B. Gold auf Blau, und colorirte endlich die einzelnen Gegen-
stände theils nach dem Leben, theils conventionell. Einzelne Künstler
setzten auch die Zierrathen plastisch, in Stucco auf. Bisweilen wird
sogar die Wirkung der Fresken durch eine so reiche und bunte Ein-
fassung beeinträchtigt.

Abgesehen von den in den Bildern selbst und zwar sehr reich-
lich (S. 172 etc.) dargestellten Architekturen giebt die Einfassung von
Filippo Lippi's Fresken im Dom von Prato eines der frühern Bei-a
spiele der Gattung; ebenso die Einrahmungen des Benozzo Gozzolib
im Camposanto zu Pisa. Domenico Ghirlandajo ist hierin meist sehr

Einfassungen von Fresken.
nicht fördern, ja nicht einmal auf der Höhe halten; von Zeit zu Zeit
muss der Historienmaler im Einklang mit dem Architekten die Rich-
tung im Grossen angeben. Die Gattung ist entstanden als Einfas-
sung
um historische Fresken, als deren Begränzung im baulichen
Raum. Schon die Malerei des XIV. Jahrhunderts hatte gerade diese
Arabesken sehr schön in ihrer Art ausgebildet und mit Polygonen,
Medaillons u. dgl. unterbrochen, aus welchen Halbfiguren (Propheten,
Sibyllen u. dgl.) hervorschauen. Die meisten der unten zu nennenden
Fresken dieser Zeit sind so umgeben. Das XV. Jahrhundert konnte
eine solche Einfassung noch viel weniger entbehren; wie der Pracht-
rahmen für das Tafelbild, so war die Wandarabeske für das Fresco
nichts anderes als die nothwendige Form, in welcher der überreiche
Lebensinhalt des Gemäldes harmonisch auszuklingen strebte. Ausser-
dem aber wurde sie auch zur blossen Decoration von Bautheilen nicht
selten angewandt.

Sie will während des XV. Jahrh. meist noch die Architektur und
Sculptur nachahmen; daher ihre Einfarbigkeit, grau in grau, braun
in braun, u. s. w. etwa mit einzelnen aufgesetzten Goldverzierungen;
auch wiederholt sie die uns vom Marmor her bekannten Motive, nur
reicher und mit stärkerem Aufwand figürlicher Zuthaten. In letztern
scheute man sich auch an der heiligsten Stätte nicht vor der antiken
Mythologie. Wo der Raum es zuliess, wurden über Gesimsen und
Postamenten noch allegorische Figuren, Putten u. dgl. meist in der-
selben Farbe hingemalt.

An den gewölbten Decken aber, und bald auch an den Wand-
pfeilern etc. versuchte man gegen Ende des Jahrhunderts reichere Far-
ben, z. B. Gold auf Blau, und colorirte endlich die einzelnen Gegen-
stände theils nach dem Leben, theils conventionell. Einzelne Künstler
setzten auch die Zierrathen plastisch, in Stucco auf. Bisweilen wird
sogar die Wirkung der Fresken durch eine so reiche und bunte Ein-
fassung beeinträchtigt.

Abgesehen von den in den Bildern selbst und zwar sehr reich-
lich (S. 172 etc.) dargestellten Architekturen giebt die Einfassung von
Filippo Lippi’s Fresken im Dom von Prato eines der frühern Bei-a
spiele der Gattung; ebenso die Einrahmungen des Benozzo Gozzolib
im Camposanto zu Pisa. Domenico Ghirlandajo ist hierin meist sehr

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[277/0299] Einfassungen von Fresken. nicht fördern, ja nicht einmal auf der Höhe halten; von Zeit zu Zeit muss der Historienmaler im Einklang mit dem Architekten die Rich- tung im Grossen angeben. Die Gattung ist entstanden als Einfas- sung um historische Fresken, als deren Begränzung im baulichen Raum. Schon die Malerei des XIV. Jahrhunderts hatte gerade diese Arabesken sehr schön in ihrer Art ausgebildet und mit Polygonen, Medaillons u. dgl. unterbrochen, aus welchen Halbfiguren (Propheten, Sibyllen u. dgl.) hervorschauen. Die meisten der unten zu nennenden Fresken dieser Zeit sind so umgeben. Das XV. Jahrhundert konnte eine solche Einfassung noch viel weniger entbehren; wie der Pracht- rahmen für das Tafelbild, so war die Wandarabeske für das Fresco nichts anderes als die nothwendige Form, in welcher der überreiche Lebensinhalt des Gemäldes harmonisch auszuklingen strebte. Ausser- dem aber wurde sie auch zur blossen Decoration von Bautheilen nicht selten angewandt. Sie will während des XV. Jahrh. meist noch die Architektur und Sculptur nachahmen; daher ihre Einfarbigkeit, grau in grau, braun in braun, u. s. w. etwa mit einzelnen aufgesetzten Goldverzierungen; auch wiederholt sie die uns vom Marmor her bekannten Motive, nur reicher und mit stärkerem Aufwand figürlicher Zuthaten. In letztern scheute man sich auch an der heiligsten Stätte nicht vor der antiken Mythologie. Wo der Raum es zuliess, wurden über Gesimsen und Postamenten noch allegorische Figuren, Putten u. dgl. meist in der- selben Farbe hingemalt. An den gewölbten Decken aber, und bald auch an den Wand- pfeilern etc. versuchte man gegen Ende des Jahrhunderts reichere Far- ben, z. B. Gold auf Blau, und colorirte endlich die einzelnen Gegen- stände theils nach dem Leben, theils conventionell. Einzelne Künstler setzten auch die Zierrathen plastisch, in Stucco auf. Bisweilen wird sogar die Wirkung der Fresken durch eine so reiche und bunte Ein- fassung beeinträchtigt. Abgesehen von den in den Bildern selbst und zwar sehr reich- lich (S. 172 etc.) dargestellten Architekturen giebt die Einfassung von Filippo Lippi’s Fresken im Dom von Prato eines der frühern Bei- spiele der Gattung; ebenso die Einrahmungen des Benozzo Gozzoli im Camposanto zu Pisa. Domenico Ghirlandajo ist hierin meist sehr a b

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/299>, abgerufen am 05.12.2024.