dorther entlehnt sein mag, so ist eben die Composition im Ganzen eine völlig neue und originelle. Gerade das Wesentliche, die aufstei- gende Pilasterverzierung, gewährten die antiken Vorbilder nicht, oder ganz anders.
Das grosse Geheimniss, wie das Unendlich-Viele zu einem har- monischen Eindruck zu gestalten sei, ist hier vermöge der Gliederung und Abstufung gelöst. Die Hauptpilaster, die Nebenpilaster, die Bögen, die Bänder und Gesimse verschiedenen Ranges erhalten jede Gattung ihr besonderes System von Verzierung; die Architektur bleibt noch immer die Herrin des Ganzen. Was die Fenster der Mauerseite von Wandfläche übrig liessen, wurde durchsichtig gedacht und erhielt auf himmelblauem Grunde jene unübertrefflich schönen Fruchtschnüre, in welchen der höchste decorative Styl sich mit der schönsten Natur- wahrheit verbindet, ohne dass nach einer optischen Illusion gestrebt worden wäre, die das Auge hier gar nicht begehrt. Innerhalb der viereckigen Kuppelräume ist die Umgebung der je vier Gemälde sehr frei und verschiedenartig verziert, wie dies bei einer Reihenfolge iso- lirter Räume angemessen war.
Eine Analyse dieses Ganzen würde ein umfangreiches Buch wer- den. Wie hier Stuccatur und Malerei, Figur und Ornament, die Far- ben der Gegenstände und ihrer Gründe sich zu einander verhalten (oder verhielten), davon muss das Auge sich im Detail überzeugen 1). Wer sich die Aufgabe setzt, bei jedem Besuch des Vaticans etwa eine Abtheilung des Ganges genau durchzusehen, der wird einen bleibenden Eindruck davon tragen und vielleicht in einer Anzahl von Figuren und Gruppen die unmittelbare rafaelische Zeichnung erken- anen. (Die Gewölbemalereien in dem Gang zunächst unter diesen Log- gien sind ganz von Giov. da Udine; sie stellen Rebenlauben dar, mit andern Pflanzen schön durchflochten und mit Thieren belebt.)
Ein ähnliches decoratives Gefühl, nur in einem andern Stoff anders ausgesprochen, offenbart sich in den wenigen erhaltenen Randarabesken
1) Auch die Mitwirkung der einst glasirten Bodenplatten (S. 228, Anm.) ist dabei in Erinnerung zu bringen.
Renaissance. Decorirende Malerei. Loggien.
dorther entlehnt sein mag, so ist eben die Composition im Ganzen eine völlig neue und originelle. Gerade das Wesentliche, die aufstei- gende Pilasterverzierung, gewährten die antiken Vorbilder nicht, oder ganz anders.
Das grosse Geheimniss, wie das Unendlich-Viele zu einem har- monischen Eindruck zu gestalten sei, ist hier vermöge der Gliederung und Abstufung gelöst. Die Hauptpilaster, die Nebenpilaster, die Bögen, die Bänder und Gesimse verschiedenen Ranges erhalten jede Gattung ihr besonderes System von Verzierung; die Architektur bleibt noch immer die Herrin des Ganzen. Was die Fenster der Mauerseite von Wandfläche übrig liessen, wurde durchsichtig gedacht und erhielt auf himmelblauem Grunde jene unübertrefflich schönen Fruchtschnüre, in welchen der höchste decorative Styl sich mit der schönsten Natur- wahrheit verbindet, ohne dass nach einer optischen Illusion gestrebt worden wäre, die das Auge hier gar nicht begehrt. Innerhalb der viereckigen Kuppelräume ist die Umgebung der je vier Gemälde sehr frei und verschiedenartig verziert, wie dies bei einer Reihenfolge iso- lirter Räume angemessen war.
Eine Analyse dieses Ganzen würde ein umfangreiches Buch wer- den. Wie hier Stuccatur und Malerei, Figur und Ornament, die Far- ben der Gegenstände und ihrer Gründe sich zu einander verhalten (oder verhielten), davon muss das Auge sich im Detail überzeugen 1). Wer sich die Aufgabe setzt, bei jedem Besuch des Vaticans etwa eine Abtheilung des Ganges genau durchzusehen, der wird einen bleibenden Eindruck davon tragen und vielleicht in einer Anzahl von Figuren und Gruppen die unmittelbare rafaelische Zeichnung erken- anen. (Die Gewölbemalereien in dem Gang zunächst unter diesen Log- gien sind ganz von Giov. da Udine; sie stellen Rebenlauben dar, mit andern Pflanzen schön durchflochten und mit Thieren belebt.)
Ein ähnliches decoratives Gefühl, nur in einem andern Stoff anders ausgesprochen, offenbart sich in den wenigen erhaltenen Randarabesken
1) Auch die Mitwirkung der einst glasirten Bodenplatten (S. 228, Anm.) ist dabei in Erinnerung zu bringen.
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Renaissance. Decorirende Malerei. Loggien.
dorther entlehnt sein mag, so ist eben die Composition im Ganzen
eine völlig neue und originelle. Gerade das Wesentliche, die aufstei-
gende Pilasterverzierung, gewährten die antiken Vorbilder nicht, oder
ganz anders.
Das grosse Geheimniss, wie das Unendlich-Viele zu einem har-
monischen Eindruck zu gestalten sei, ist hier vermöge der Gliederung
und Abstufung gelöst. Die Hauptpilaster, die Nebenpilaster, die
Bögen, die Bänder und Gesimse verschiedenen Ranges erhalten jede
Gattung ihr besonderes System von Verzierung; die Architektur bleibt
noch immer die Herrin des Ganzen. Was die Fenster der Mauerseite
von Wandfläche übrig liessen, wurde durchsichtig gedacht und erhielt
auf himmelblauem Grunde jene unübertrefflich schönen Fruchtschnüre,
in welchen der höchste decorative Styl sich mit der schönsten Natur-
wahrheit verbindet, ohne dass nach einer optischen Illusion gestrebt
worden wäre, die das Auge hier gar nicht begehrt. Innerhalb der
viereckigen Kuppelräume ist die Umgebung der je vier Gemälde sehr
frei und verschiedenartig verziert, wie dies bei einer Reihenfolge iso-
lirter Räume angemessen war.
Eine Analyse dieses Ganzen würde ein umfangreiches Buch wer-
den. Wie hier Stuccatur und Malerei, Figur und Ornament, die Far-
ben der Gegenstände und ihrer Gründe sich zu einander verhalten
(oder verhielten), davon muss das Auge sich im Detail überzeugen 1).
Wer sich die Aufgabe setzt, bei jedem Besuch des Vaticans etwa
eine Abtheilung des Ganges genau durchzusehen, der wird einen
bleibenden Eindruck davon tragen und vielleicht in einer Anzahl von
Figuren und Gruppen die unmittelbare rafaelische Zeichnung erken-
nen. (Die Gewölbemalereien in dem Gang zunächst unter diesen Log-
gien sind ganz von Giov. da Udine; sie stellen Rebenlauben dar,
mit andern Pflanzen schön durchflochten und mit Thieren belebt.)
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Ein ähnliches decoratives Gefühl, nur in einem andern Stoff anders
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1) Auch die Mitwirkung der einst glasirten Bodenplatten (S. 228, Anm.) ist dabei
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/306>, abgerufen am 05.12.2024.
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