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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Bramante's spätere Werke.

Die erste Stelle wird hier wohl dem grossen Bramante von
Urbino
nicht streitig gemacht werden können (geb. 1444, welches
das Todesjahr Brunellesco's ist; + 1514; bekanntlich Oheim oder Ver-
wandter Rafaels). Er hat noch den ganzen Styl des XV. Jahrhun-
derts in schönster Weise mit durchgemacht und in den letzten Jahr-
zehnden seines Lebens den Styl der neuen Zeit wesentlich geschaffen.
An Höhe der Begabung und an weitgreifendem Einfluss ist ihm bis
auf Michelangelo keiner zu vergleichen.

Seine frühere Thätigkeit gehört der Lombardie an (Seite 199).
Es ist mir nicht möglich zu entscheiden, wie vieles von den ihm dort
zugeschriebenen Bauten ihm wirklich gehört; in der Umgegend von
Mailand wird sein Name, wie gesagt, ein Gattungsbegriff. -- Fra-
gen wir, was er aus dieser oberitalischen Tradition mitbrachte, so
ist es (im Gegensatz die Florentiner) die Vorliebe gegen den ge-
gliederten Pfeiler, für kühnwirkende halbrunde Abschlüsse und hohe
Kuppeln, Elemente, welche die lombardische Frührenaissance aus ihrem
Backsteinbau (S. 151, 203) entwickelt hatte. Seine Grösse liegt nun
darin, dass er in der spätern Zeit seines Lebens diess Alles seinem
hohen Gefühl für Verhältnisse dienstbar machte.

Von den Gebäuden, welche Bramante kurz vor und unter Julius II,
überhaupt in seiner spätern Lebenszeit ausführte, sind die ausserhalb
Roms gelegenen dem Verfasser nicht oder nur aus Abbildungen be-
kannt: die Kirche von Loretto mit Ausnahme der Kuppel; die Santaa
casa in dieser Kirche; der bischöfliche Palast daselbst; S. Maria delb
Monte in Cesena; endlich S. Maria della Consolazione in Todi. Diec
letztere muss, nach den Stichen zu urtheilen, eines der in sich voll-
kommensten Gebäude Italiens sein; über vier (von innen und aussen
mit zwei Pilasterstellungen bekleideten) Halbrotunden, welche die Arme
eines griechischen Kreuzes bilden, erhebt sich eine hohe Kuppel (deren
Cylinder ebenfalls von innen und aussen mit Pilastern versehen ist).
Das Ganze durchaus ein Hochbau, beträchtlich schmaler als hoch,
selbst die Lanterna ungerechnet.

Unter den römischen Bauten gilt als die frühste, vom Jahr 1504,
der Klosterhof bei S. M. della Pace (links von der Vorderseited
der Kirche, durch eine Strasse davon getrennt) 1). Dieser kleine ver-

1) Ganz in der Nähe zwei gute Häuserfassaden derselben Zeit.*
Bramante’s spätere Werke.

Die erste Stelle wird hier wohl dem grossen Bramante von
Urbino
nicht streitig gemacht werden können (geb. 1444, welches
das Todesjahr Brunellesco’s ist; † 1514; bekanntlich Oheim oder Ver-
wandter Rafaels). Er hat noch den ganzen Styl des XV. Jahrhun-
derts in schönster Weise mit durchgemacht und in den letzten Jahr-
zehnden seines Lebens den Styl der neuen Zeit wesentlich geschaffen.
An Höhe der Begabung und an weitgreifendem Einfluss ist ihm bis
auf Michelangelo keiner zu vergleichen.

Seine frühere Thätigkeit gehört der Lombardie an (Seite 199).
Es ist mir nicht möglich zu entscheiden, wie vieles von den ihm dort
zugeschriebenen Bauten ihm wirklich gehört; in der Umgegend von
Mailand wird sein Name, wie gesagt, ein Gattungsbegriff. — Fra-
gen wir, was er aus dieser oberitalischen Tradition mitbrachte, so
ist es (im Gegensatz die Florentiner) die Vorliebe gegen den ge-
gliederten Pfeiler, für kühnwirkende halbrunde Abschlüsse und hohe
Kuppeln, Elemente, welche die lombardische Frührenaissance aus ihrem
Backsteinbau (S. 151, 203) entwickelt hatte. Seine Grösse liegt nun
darin, dass er in der spätern Zeit seines Lebens diess Alles seinem
hohen Gefühl für Verhältnisse dienstbar machte.

Von den Gebäuden, welche Bramante kurz vor und unter Julius II,
überhaupt in seiner spätern Lebenszeit ausführte, sind die ausserhalb
Roms gelegenen dem Verfasser nicht oder nur aus Abbildungen be-
kannt: die Kirche von Loretto mit Ausnahme der Kuppel; die Santaa
casa in dieser Kirche; der bischöfliche Palast daselbst; S. Maria delb
Monte in Cesena; endlich S. Maria della Consolazione in Todi. Diec
letztere muss, nach den Stichen zu urtheilen, eines der in sich voll-
kommensten Gebäude Italiens sein; über vier (von innen und aussen
mit zwei Pilasterstellungen bekleideten) Halbrotunden, welche die Arme
eines griechischen Kreuzes bilden, erhebt sich eine hohe Kuppel (deren
Cylinder ebenfalls von innen und aussen mit Pilastern versehen ist).
Das Ganze durchaus ein Hochbau, beträchtlich schmaler als hoch,
selbst die Lanterna ungerechnet.

Unter den römischen Bauten gilt als die frühste, vom Jahr 1504,
der Klosterhof bei S. M. della Pace (links von der Vorderseited
der Kirche, durch eine Strasse davon getrennt) 1). Dieser kleine ver-

1) Ganz in der Nähe zwei gute Häuserfassaden derselben Zeit.*
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[303/0325] Bramante’s spätere Werke. Die erste Stelle wird hier wohl dem grossen Bramante von Urbino nicht streitig gemacht werden können (geb. 1444, welches das Todesjahr Brunellesco’s ist; † 1514; bekanntlich Oheim oder Ver- wandter Rafaels). Er hat noch den ganzen Styl des XV. Jahrhun- derts in schönster Weise mit durchgemacht und in den letzten Jahr- zehnden seines Lebens den Styl der neuen Zeit wesentlich geschaffen. An Höhe der Begabung und an weitgreifendem Einfluss ist ihm bis auf Michelangelo keiner zu vergleichen. Seine frühere Thätigkeit gehört der Lombardie an (Seite 199). Es ist mir nicht möglich zu entscheiden, wie vieles von den ihm dort zugeschriebenen Bauten ihm wirklich gehört; in der Umgegend von Mailand wird sein Name, wie gesagt, ein Gattungsbegriff. — Fra- gen wir, was er aus dieser oberitalischen Tradition mitbrachte, so ist es (im Gegensatz die Florentiner) die Vorliebe gegen den ge- gliederten Pfeiler, für kühnwirkende halbrunde Abschlüsse und hohe Kuppeln, Elemente, welche die lombardische Frührenaissance aus ihrem Backsteinbau (S. 151, 203) entwickelt hatte. Seine Grösse liegt nun darin, dass er in der spätern Zeit seines Lebens diess Alles seinem hohen Gefühl für Verhältnisse dienstbar machte. Von den Gebäuden, welche Bramante kurz vor und unter Julius II, überhaupt in seiner spätern Lebenszeit ausführte, sind die ausserhalb Roms gelegenen dem Verfasser nicht oder nur aus Abbildungen be- kannt: die Kirche von Loretto mit Ausnahme der Kuppel; die Santa casa in dieser Kirche; der bischöfliche Palast daselbst; S. Maria del Monte in Cesena; endlich S. Maria della Consolazione in Todi. Die letztere muss, nach den Stichen zu urtheilen, eines der in sich voll- kommensten Gebäude Italiens sein; über vier (von innen und aussen mit zwei Pilasterstellungen bekleideten) Halbrotunden, welche die Arme eines griechischen Kreuzes bilden, erhebt sich eine hohe Kuppel (deren Cylinder ebenfalls von innen und aussen mit Pilastern versehen ist). Das Ganze durchaus ein Hochbau, beträchtlich schmaler als hoch, selbst die Lanterna ungerechnet. a b c Unter den römischen Bauten gilt als die frühste, vom Jahr 1504, der Klosterhof bei S. M. della Pace (links von der Vorderseite der Kirche, durch eine Strasse davon getrennt) 1). Dieser kleine ver- d 1) Ganz in der Nähe zwei gute Häuserfassaden derselben Zeit.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/325>, abgerufen am 05.12.2024.