nachlässigte Hof ist an und für sich schon eine Revolution des ganzen bisherigen Hallenbaues. Unten Pfeiler mit Pilastern und Bogen; oben Pilasterpfeiler mit geradem Gebälk, das in der Mitte jedes Intervalls durch eine Säule unterstützt wird; -- in dieser Form motivirte Bra- mante die Nothwendigkeit, das obere Stockwerk von seinem bisherigen Holzgesimse mit Consolen (S. 177, oben) zu befreien und ihm eine mo- numentale Bildung zu geben, die mit dem Erdgeschoss in reinster Har- monie steht. (Baupedanten tadeln jede Säule über der Mitte eines Bogens, allein hier ist durch das bedeutende Zwischengesimse mit At- tica und durch die Schmächtigkeit der Säule jedes Bedenken gehoben.)
Es folgt Bramante's einzig ganz ausgeführtes und erhaltenes Mei- asterwerk: die schon früher begonnene aber erst später vollendete Cancelleria mit Einschluss der Kirche S. Lorenzo in Damaso. Die gewaltige Fassade, welche beide Gebäude mit einander umfasst, zeigt eine ähnliche Verbindung von Rustica und Wandpilastern wie Alber- ti's Pal. Ruccellai in Florenz, aber ungleich grandioser und weniger spielend. Das Erdgeschoss, hoch und bedeutend, bleibt ohne Pilaster; sie beleben erst, je zwei zwischen den Fenstern, die beiden obern Stockwerke. Das stufenweise Leichterwerden ist sowohl in der Gra- dation der Rustica und in der Form der Fenster als auch in jener obern Reihe kleiner Fenster des obersten Stockwerkes ausgedrückt; letztern zu Gefallen hätten die Baumeister der höchsten Blüthezeit noch kein besonderes Stockwerk creirt, wie Spätere thaten. Gestalt und Profilirung der Fenster, der Gesimse 1), sowie alles Einzelnen sind an sich schön und in reinster Harmonie mit dem Ganzen gebildet. Allerdings gowöhnt sich das Auge in Rom leicht an den starken und wirksamen Schattenschlag der Barockbauten und vermisst diesen an Bramante's mässigen Profilen; allein mit welcher Aufopferung aller Hauptlinien pflegt er erkauft und verbunden zu sein. -- An den Sei- tenfassaden Backsteinbau statt der Rustica.
Der Hof der Cancelleria ist der letzte grossartige Säulenhof Roms. Bramante benützte dazu wahrscheinlich die Säulen der alten (fünf- schiffigen oder zweistöckigen) Basilica S. Lorenzo in Damaso, die er
1) Von den Thüren ist die störend barocke des Palastes von Domenico Fon- tana, die sehr schöne der Kirche von Vignola, dem man sie kaum zutrauen würde.
Hochrenaissance. Rom. Bramante.
nachlässigte Hof ist an und für sich schon eine Revolution des ganzen bisherigen Hallenbaues. Unten Pfeiler mit Pilastern und Bogen; oben Pilasterpfeiler mit geradem Gebälk, das in der Mitte jedes Intervalls durch eine Säule unterstützt wird; — in dieser Form motivirte Bra- mante die Nothwendigkeit, das obere Stockwerk von seinem bisherigen Holzgesimse mit Consolen (S. 177, oben) zu befreien und ihm eine mo- numentale Bildung zu geben, die mit dem Erdgeschoss in reinster Har- monie steht. (Baupedanten tadeln jede Säule über der Mitte eines Bogens, allein hier ist durch das bedeutende Zwischengesimse mit At- tica und durch die Schmächtigkeit der Säule jedes Bedenken gehoben.)
Es folgt Bramante’s einzig ganz ausgeführtes und erhaltenes Mei- asterwerk: die schon früher begonnene aber erst später vollendete Cancelleria mit Einschluss der Kirche S. Lorenzo in Damaso. Die gewaltige Fassade, welche beide Gebäude mit einander umfasst, zeigt eine ähnliche Verbindung von Rustica und Wandpilastern wie Alber- ti’s Pal. Ruccellai in Florenz, aber ungleich grandioser und weniger spielend. Das Erdgeschoss, hoch und bedeutend, bleibt ohne Pilaster; sie beleben erst, je zwei zwischen den Fenstern, die beiden obern Stockwerke. Das stufenweise Leichterwerden ist sowohl in der Gra- dation der Rustica und in der Form der Fenster als auch in jener obern Reihe kleiner Fenster des obersten Stockwerkes ausgedrückt; letztern zu Gefallen hätten die Baumeister der höchsten Blüthezeit noch kein besonderes Stockwerk creirt, wie Spätere thaten. Gestalt und Profilirung der Fenster, der Gesimse 1), sowie alles Einzelnen sind an sich schön und in reinster Harmonie mit dem Ganzen gebildet. Allerdings gowöhnt sich das Auge in Rom leicht an den starken und wirksamen Schattenschlag der Barockbauten und vermisst diesen an Bramante’s mässigen Profilen; allein mit welcher Aufopferung aller Hauptlinien pflegt er erkauft und verbunden zu sein. — An den Sei- tenfassaden Backsteinbau statt der Rustica.
Der Hof der Cancelleria ist der letzte grossartige Säulenhof Roms. Bramante benützte dazu wahrscheinlich die Säulen der alten (fünf- schiffigen oder zweistöckigen) Basilica S. Lorenzo in Damaso, die er
1) Von den Thüren ist die störend barocke des Palastes von Domenico Fon- tana, die sehr schöne der Kirche von Vignola, dem man sie kaum zutrauen würde.
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Hochrenaissance. Rom. Bramante.
nachlässigte Hof ist an und für sich schon eine Revolution des ganzen
bisherigen Hallenbaues. Unten Pfeiler mit Pilastern und Bogen; oben
Pilasterpfeiler mit geradem Gebälk, das in der Mitte jedes Intervalls
durch eine Säule unterstützt wird; — in dieser Form motivirte Bra-
mante die Nothwendigkeit, das obere Stockwerk von seinem bisherigen
Holzgesimse mit Consolen (S. 177, oben) zu befreien und ihm eine mo-
numentale Bildung zu geben, die mit dem Erdgeschoss in reinster Har-
monie steht. (Baupedanten tadeln jede Säule über der Mitte eines
Bogens, allein hier ist durch das bedeutende Zwischengesimse mit At-
tica und durch die Schmächtigkeit der Säule jedes Bedenken gehoben.)
Es folgt Bramante’s einzig ganz ausgeführtes und erhaltenes Mei-
sterwerk: die schon früher begonnene aber erst später vollendete
Cancelleria mit Einschluss der Kirche S. Lorenzo in Damaso. Die
gewaltige Fassade, welche beide Gebäude mit einander umfasst, zeigt
eine ähnliche Verbindung von Rustica und Wandpilastern wie Alber-
ti’s Pal. Ruccellai in Florenz, aber ungleich grandioser und weniger
spielend. Das Erdgeschoss, hoch und bedeutend, bleibt ohne Pilaster;
sie beleben erst, je zwei zwischen den Fenstern, die beiden obern
Stockwerke. Das stufenweise Leichterwerden ist sowohl in der Gra-
dation der Rustica und in der Form der Fenster als auch in jener
obern Reihe kleiner Fenster des obersten Stockwerkes ausgedrückt;
letztern zu Gefallen hätten die Baumeister der höchsten Blüthezeit
noch kein besonderes Stockwerk creirt, wie Spätere thaten. Gestalt
und Profilirung der Fenster, der Gesimse 1), sowie alles Einzelnen
sind an sich schön und in reinster Harmonie mit dem Ganzen gebildet.
Allerdings gowöhnt sich das Auge in Rom leicht an den starken und
wirksamen Schattenschlag der Barockbauten und vermisst diesen an
Bramante’s mässigen Profilen; allein mit welcher Aufopferung aller
Hauptlinien pflegt er erkauft und verbunden zu sein. — An den Sei-
tenfassaden Backsteinbau statt der Rustica.
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Der Hof der Cancelleria ist der letzte grossartige Säulenhof Roms.
Bramante benützte dazu wahrscheinlich die Säulen der alten (fünf-
schiffigen oder zweistöckigen) Basilica S. Lorenzo in Damaso, die er
1) Von den Thüren ist die störend barocke des Palastes von Domenico Fon-
tana, die sehr schöne der Kirche von Vignola, dem man sie kaum zutrauen
würde.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/326>, abgerufen am 05.12.2024.
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