aporte; das Kloster der Osservanza ausserhalb der Stadt; die Kirchen S. Sebastiano und del Carmine, die Fassade von S. Marta, das Meiste an S. Giuseppe, der jetzige Innenbau der Servi (oder Concezione) und der kleine Hof hinten über S. Caterina. So vieles mir von diesen Bauten bekannt ist, sind es lauter Aufgaben, bei welchen mit sehr sparsamen Mitteln, hauptsächlich durch mässiges Vortreten backstei- nerner Pfeiler und Gesimse in schönen Verhältnissen, das Mögliche geleistet ist, mehrmals mit genialer Benützung des steil abfallenden Erdreichs. Für das flüchtige Auge ist hier kein auffallender Reiz ge- boten; man muss die äusserste Beschränkung des Aufwandes mit erwägen, um das Verdienst des Baumeisters zu würdigen. Vielleicht bwird das in seiner Armuth so reizend schöne Höfchen bei S. Caterina, in welchem der Geist Bramante's lebt, am ehesten den Beschauer für cdiese unscheinbaren Denkmäler gewinnen 1). (In der Concezione dürfen die spitzbogigen Gewölbe der Seitenschiffe der Basilica nicht befrem- den; Peruzzi hatte das Gothische studirt und sogar für S. Petronio in Bologna eine Fassade dieses Styles entworfen. S. 148, a.)
In Rom hatte er bedeutenden Antheil am Bau von S. Peter (s. dunten bei Michelangelo). Sodann gehört ihm die berühmte Farnesina, die er im Auftrag des sienesischen Bankiers Agostino Chigi erbaute. Es ist unmöglich, eine gegebene Zahl von Sälen, Hallen und Ge- mächern anmuthiger in zwei Stockwerken zu disponiren als hier ge- schehen ist. Neben der vornehm grandiosen Villa Madama erscheint diese Farnesina als das harmlos schönste Sommerhaus eines reichen Kunstfreundes. Durch die besonnenste Mässigung der architektonischen Formen behält der mittlere Hallenbau mit den vortretenden Seiten- flügeln eine Harmonie, die ihm eine Zuthat von äussern Portiken mit Giebeln u. dgl. nur rauben könnte. Die einfachsten Pilaster fassen das obere und das untere Stockwerk gleichsam nur erklärend ein; das einzige plastische Schmuckstück, das denn auch wirkt wie es soll, ist der obere Fries. (Über die Bemalung s. S. 293, a.) Die klei- nen Mittelstockwerke (Mezzaninen) sind (wie in der guten Zeit über- haupt, zumal an einem kleinen Gebäude) verhehlt; die Fenster des
1)*In der Villa Santa Colomba, die dem Collegio Tolomei gehört, soll sich eine vorzüglich schöne Wendeltreppe von Peruzzi erhalten haben.
Hochrenaissance. Peruzzi. Farnesina.
aporte; das Kloster der Osservanza ausserhalb der Stadt; die Kirchen S. Sebastiano und del Carmine, die Fassade von S. Marta, das Meiste an S. Giuseppe, der jetzige Innenbau der Servi (oder Concezione) und der kleine Hof hinten über S. Caterina. So vieles mir von diesen Bauten bekannt ist, sind es lauter Aufgaben, bei welchen mit sehr sparsamen Mitteln, hauptsächlich durch mässiges Vortreten backstei- nerner Pfeiler und Gesimse in schönen Verhältnissen, das Mögliche geleistet ist, mehrmals mit genialer Benützung des steil abfallenden Erdreichs. Für das flüchtige Auge ist hier kein auffallender Reiz ge- boten; man muss die äusserste Beschränkung des Aufwandes mit erwägen, um das Verdienst des Baumeisters zu würdigen. Vielleicht bwird das in seiner Armuth so reizend schöne Höfchen bei S. Caterina, in welchem der Geist Bramante’s lebt, am ehesten den Beschauer für cdiese unscheinbaren Denkmäler gewinnen 1). (In der Concezione dürfen die spitzbogigen Gewölbe der Seitenschiffe der Basilica nicht befrem- den; Peruzzi hatte das Gothische studirt und sogar für S. Petronio in Bologna eine Fassade dieses Styles entworfen. S. 148, a.)
In Rom hatte er bedeutenden Antheil am Bau von S. Peter (s. dunten bei Michelangelo). Sodann gehört ihm die berühmte Farnesina, die er im Auftrag des sienesischen Bankiers Agostino Chigi erbaute. Es ist unmöglich, eine gegebene Zahl von Sälen, Hallen und Ge- mächern anmuthiger in zwei Stockwerken zu disponiren als hier ge- schehen ist. Neben der vornehm grandiosen Villa Madama erscheint diese Farnesina als das harmlos schönste Sommerhaus eines reichen Kunstfreundes. Durch die besonnenste Mässigung der architektonischen Formen behält der mittlere Hallenbau mit den vortretenden Seiten- flügeln eine Harmonie, die ihm eine Zuthat von äussern Portiken mit Giebeln u. dgl. nur rauben könnte. Die einfachsten Pilaster fassen das obere und das untere Stockwerk gleichsam nur erklärend ein; das einzige plastische Schmuckstück, das denn auch wirkt wie es soll, ist der obere Fries. (Über die Bemalung s. S. 293, a.) Die klei- nen Mittelstockwerke (Mezzaninen) sind (wie in der guten Zeit über- haupt, zumal an einem kleinen Gebäude) verhehlt; die Fenster des
1)*In der Villa Santa Colomba, die dem Collegio Tolomei gehört, soll sich eine vorzüglich schöne Wendeltreppe von Peruzzi erhalten haben.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0334"n="312"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Hochrenaissance. Peruzzi. Farnesina.</hi></fw><lb/><noteplace="left">a</note>porte; das Kloster der Osservanza ausserhalb der Stadt; die Kirchen<lb/>
S. Sebastiano und del Carmine, die Fassade von S. Marta, das Meiste<lb/>
an S. Giuseppe, der jetzige Innenbau der Servi (oder Concezione)<lb/>
und der kleine Hof hinten über S. Caterina. So vieles mir von diesen<lb/>
Bauten bekannt ist, sind es lauter Aufgaben, bei welchen mit sehr<lb/>
sparsamen Mitteln, hauptsächlich durch mässiges Vortreten backstei-<lb/>
nerner Pfeiler und Gesimse in schönen Verhältnissen, das Mögliche<lb/>
geleistet ist, mehrmals mit genialer Benützung des steil abfallenden<lb/>
Erdreichs. Für das flüchtige Auge ist hier kein auffallender Reiz ge-<lb/>
boten; man muss die äusserste Beschränkung des Aufwandes mit<lb/>
erwägen, um das Verdienst des Baumeisters zu würdigen. Vielleicht<lb/><noteplace="left">b</note>wird das in seiner Armuth so reizend schöne Höfchen bei S. Caterina,<lb/>
in welchem der Geist Bramante’s lebt, am ehesten den Beschauer für<lb/><noteplace="left">c</note>diese unscheinbaren Denkmäler gewinnen <noteplace="foot"n="1)"><noteplace="left">*</note>In der Villa Santa Colomba, die dem Collegio Tolomei gehört, soll sich eine<lb/>
vorzüglich schöne Wendeltreppe von Peruzzi erhalten haben.</note>. (In der Concezione dürfen<lb/>
die spitzbogigen Gewölbe der Seitenschiffe der Basilica nicht befrem-<lb/>
den; Peruzzi hatte das Gothische studirt und sogar für S. Petronio<lb/>
in Bologna eine Fassade dieses Styles entworfen. S. 148, a.)</p><lb/><p>In Rom hatte er bedeutenden Antheil am Bau von S. Peter (s.<lb/><noteplace="left">d</note>unten bei Michelangelo). Sodann gehört ihm die berühmte <hirendition="#g">Farnesina</hi>,<lb/>
die er im Auftrag des sienesischen Bankiers Agostino Chigi erbaute.<lb/>
Es ist unmöglich, eine gegebene Zahl von Sälen, Hallen und Ge-<lb/>
mächern anmuthiger in zwei Stockwerken zu disponiren als hier ge-<lb/>
schehen ist. Neben der vornehm grandiosen Villa Madama erscheint<lb/>
diese Farnesina als das harmlos schönste Sommerhaus eines reichen<lb/>
Kunstfreundes. Durch die besonnenste Mässigung der architektonischen<lb/>
Formen behält der mittlere Hallenbau mit den vortretenden Seiten-<lb/>
flügeln eine Harmonie, die ihm eine Zuthat von äussern Portiken mit<lb/>
Giebeln u. dgl. nur rauben könnte. Die einfachsten Pilaster fassen<lb/>
das obere und das untere Stockwerk gleichsam nur erklärend ein;<lb/>
das einzige plastische Schmuckstück, das denn auch wirkt wie es<lb/>
soll, ist der obere Fries. (Über die Bemalung s. S. 293, a.) Die klei-<lb/>
nen Mittelstockwerke (Mezzaninen) sind (wie in der guten Zeit über-<lb/>
haupt, zumal an einem kleinen Gebäude) verhehlt; die Fenster des<lb/></p></div></body></text></TEI>
[312/0334]
Hochrenaissance. Peruzzi. Farnesina.
porte; das Kloster der Osservanza ausserhalb der Stadt; die Kirchen
S. Sebastiano und del Carmine, die Fassade von S. Marta, das Meiste
an S. Giuseppe, der jetzige Innenbau der Servi (oder Concezione)
und der kleine Hof hinten über S. Caterina. So vieles mir von diesen
Bauten bekannt ist, sind es lauter Aufgaben, bei welchen mit sehr
sparsamen Mitteln, hauptsächlich durch mässiges Vortreten backstei-
nerner Pfeiler und Gesimse in schönen Verhältnissen, das Mögliche
geleistet ist, mehrmals mit genialer Benützung des steil abfallenden
Erdreichs. Für das flüchtige Auge ist hier kein auffallender Reiz ge-
boten; man muss die äusserste Beschränkung des Aufwandes mit
erwägen, um das Verdienst des Baumeisters zu würdigen. Vielleicht
wird das in seiner Armuth so reizend schöne Höfchen bei S. Caterina,
in welchem der Geist Bramante’s lebt, am ehesten den Beschauer für
diese unscheinbaren Denkmäler gewinnen 1). (In der Concezione dürfen
die spitzbogigen Gewölbe der Seitenschiffe der Basilica nicht befrem-
den; Peruzzi hatte das Gothische studirt und sogar für S. Petronio
in Bologna eine Fassade dieses Styles entworfen. S. 148, a.)
a
b
c
In Rom hatte er bedeutenden Antheil am Bau von S. Peter (s.
unten bei Michelangelo). Sodann gehört ihm die berühmte Farnesina,
die er im Auftrag des sienesischen Bankiers Agostino Chigi erbaute.
Es ist unmöglich, eine gegebene Zahl von Sälen, Hallen und Ge-
mächern anmuthiger in zwei Stockwerken zu disponiren als hier ge-
schehen ist. Neben der vornehm grandiosen Villa Madama erscheint
diese Farnesina als das harmlos schönste Sommerhaus eines reichen
Kunstfreundes. Durch die besonnenste Mässigung der architektonischen
Formen behält der mittlere Hallenbau mit den vortretenden Seiten-
flügeln eine Harmonie, die ihm eine Zuthat von äussern Portiken mit
Giebeln u. dgl. nur rauben könnte. Die einfachsten Pilaster fassen
das obere und das untere Stockwerk gleichsam nur erklärend ein;
das einzige plastische Schmuckstück, das denn auch wirkt wie es
soll, ist der obere Fries. (Über die Bemalung s. S. 293, a.) Die klei-
nen Mittelstockwerke (Mezzaninen) sind (wie in der guten Zeit über-
haupt, zumal an einem kleinen Gebäude) verhehlt; die Fenster des
d
1) In der Villa Santa Colomba, die dem Collegio Tolomei gehört, soll sich eine
vorzüglich schöne Wendeltreppe von Peruzzi erhalten haben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/334>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.