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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Falconetto.

Wie aus Trotz gegen den venezianischen Engbau sind diese Kir-
chen in colossalem Massstab angelegt. Mässiger verfuhr in dem zur
Provincialstadt gewordenen Padua der Profanbau, welcher sich hier
in den ersten Jahrzehnden des XVI. Jahrhunderts hauptsächlich an den
Namen des Veronesers Giov. Maria Falconetto (1458 -- 1534)
knüpft. Was er am Pal. del Capitaniato gebaut hat, möchte sicha
etwa in Betreff der Fassade gegen den Signorenplatz auf die mittlere
Pforte mit dem Uhrthurm, in Betreff derjenigen gegen den Domplatz
(jetziges Leihhaus) auf das obere Stockwerk über der (mittelalterlichen)
Bogenhalle beschränken; beides keine Bauten von höherm Belang. So-
dann gehören ihm mehrere Stadtthore: P. S. Giovanni, P. Savona-b
rola etc. Das erstgenannte (1528) ahmt, aussen mit Halbsäulen, innen
mit rohgelassenen Pilastern, die Form eines einfachen antiken Triumph-
bogens nach, selbst in der Anordnung der Fenster 1). Die Kirche dellec
Grazie, welche ihm zugeschrieben wird (unmöglich mit Recht) ist ein
geringer Barockbau; die kleine Musikhalle, die er gebaut haben soll,
la Rotonda genannt, habe ich nicht erfragen können 2).

Weit das Schönste, was Falconetto hinterlassen hat, findet sich
am Palast Giustiniani, ehemals Cornaro, beim Santo, N. 3950.
Der Hof dieses von Aussen unscheinbaren Gebäudes wird von zwei
im rechten Winkel stehenden Gartenhäusern begränzt (datirt 1523),d
die noch im äussersten Verfall jenen unzerstörbaren Charakter der
Lustgebäude des goldenen Zeitalters an sich tragen. Das eine mit
Wandsäulen, das andere mit Pilastern in zwei Stockwerken; jenes
einen obern und einen untern Saal, dieses ein köstliches achteckiges
Gemach mit Nischen, ein paar Nebenräume, und oben eine offene Log-
gia enthaltend; die Räume grossentheils voll der herrlichsten Malereien
und Arabesken (S. 288, e). Der Geist des wahren Otium cum dignitate,
der in diesen Räumen lebt, wird freilich heutzutage so selten, dass
ein volles Verständniss des Gebäudes eine gewisse Anstrengung er-

1) Die übrigen Thore von Padua sind etwas früher, z. B. Porta S. Croce und*
Porta Livia von 1517; Porta Portello soll von Gugl. Bergamasco sein.
2) Einen wunderlichen Rundbau -- breiter Umgang mit Nischen um ein ganz**
schmales Kuppelchen auf acht Säulen -- findet man allerdings in Gestalt der
Kirche S. Maria del Toresino; noch aus dem XVI. Jahrhundert mit Aus-
nahme der Fassade.
B. Cicerone. 21
Falconetto.

Wie aus Trotz gegen den venezianischen Engbau sind diese Kir-
chen in colossalem Massstab angelegt. Mässiger verfuhr in dem zur
Provincialstadt gewordenen Padua der Profanbau, welcher sich hier
in den ersten Jahrzehnden des XVI. Jahrhunderts hauptsächlich an den
Namen des Veronesers Giov. Maria Falconetto (1458 — 1534)
knüpft. Was er am Pal. del Capitaniato gebaut hat, möchte sicha
etwa in Betreff der Fassade gegen den Signorenplatz auf die mittlere
Pforte mit dem Uhrthurm, in Betreff derjenigen gegen den Domplatz
(jetziges Leihhaus) auf das obere Stockwerk über der (mittelalterlichen)
Bogenhalle beschränken; beides keine Bauten von höherm Belang. So-
dann gehören ihm mehrere Stadtthore: P. S. Giovanni, P. Savona-b
rola etc. Das erstgenannte (1528) ahmt, aussen mit Halbsäulen, innen
mit rohgelassenen Pilastern, die Form eines einfachen antiken Triumph-
bogens nach, selbst in der Anordnung der Fenster 1). Die Kirche dellec
Grazie, welche ihm zugeschrieben wird (unmöglich mit Recht) ist ein
geringer Barockbau; die kleine Musikhalle, die er gebaut haben soll,
la Rotonda genannt, habe ich nicht erfragen können 2).

Weit das Schönste, was Falconetto hinterlassen hat, findet sich
am Palast Giustiniani, ehemals Cornaro, beim Santo, N. 3950.
Der Hof dieses von Aussen unscheinbaren Gebäudes wird von zwei
im rechten Winkel stehenden Gartenhäusern begränzt (datirt 1523),d
die noch im äussersten Verfall jenen unzerstörbaren Charakter der
Lustgebäude des goldenen Zeitalters an sich tragen. Das eine mit
Wandsäulen, das andere mit Pilastern in zwei Stockwerken; jenes
einen obern und einen untern Saal, dieses ein köstliches achteckiges
Gemach mit Nischen, ein paar Nebenräume, und oben eine offene Log-
gia enthaltend; die Räume grossentheils voll der herrlichsten Malereien
und Arabesken (S. 288, e). Der Geist des wahren Otium cum dignitate,
der in diesen Räumen lebt, wird freilich heutzutage so selten, dass
ein volles Verständniss des Gebäudes eine gewisse Anstrengung er-

1) Die übrigen Thore von Padua sind etwas früher, z. B. Porta S. Croce und*
Porta Livia von 1517; Porta Portello soll von Gugl. Bergamasco sein.
2) Einen wunderlichen Rundbau — breiter Umgang mit Nischen um ein ganz**
schmales Kuppelchen auf acht Säulen — findet man allerdings in Gestalt der
Kirche S. Maria del Toresino; noch aus dem XVI. Jahrhundert mit Aus-
nahme der Fassade.
B. Cicerone. 21
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[321/0343] Falconetto. Wie aus Trotz gegen den venezianischen Engbau sind diese Kir- chen in colossalem Massstab angelegt. Mässiger verfuhr in dem zur Provincialstadt gewordenen Padua der Profanbau, welcher sich hier in den ersten Jahrzehnden des XVI. Jahrhunderts hauptsächlich an den Namen des Veronesers Giov. Maria Falconetto (1458 — 1534) knüpft. Was er am Pal. del Capitaniato gebaut hat, möchte sich etwa in Betreff der Fassade gegen den Signorenplatz auf die mittlere Pforte mit dem Uhrthurm, in Betreff derjenigen gegen den Domplatz (jetziges Leihhaus) auf das obere Stockwerk über der (mittelalterlichen) Bogenhalle beschränken; beides keine Bauten von höherm Belang. So- dann gehören ihm mehrere Stadtthore: P. S. Giovanni, P. Savona- rola etc. Das erstgenannte (1528) ahmt, aussen mit Halbsäulen, innen mit rohgelassenen Pilastern, die Form eines einfachen antiken Triumph- bogens nach, selbst in der Anordnung der Fenster 1). Die Kirche delle Grazie, welche ihm zugeschrieben wird (unmöglich mit Recht) ist ein geringer Barockbau; die kleine Musikhalle, die er gebaut haben soll, la Rotonda genannt, habe ich nicht erfragen können 2). a b c Weit das Schönste, was Falconetto hinterlassen hat, findet sich am Palast Giustiniani, ehemals Cornaro, beim Santo, N. 3950. Der Hof dieses von Aussen unscheinbaren Gebäudes wird von zwei im rechten Winkel stehenden Gartenhäusern begränzt (datirt 1523), die noch im äussersten Verfall jenen unzerstörbaren Charakter der Lustgebäude des goldenen Zeitalters an sich tragen. Das eine mit Wandsäulen, das andere mit Pilastern in zwei Stockwerken; jenes einen obern und einen untern Saal, dieses ein köstliches achteckiges Gemach mit Nischen, ein paar Nebenräume, und oben eine offene Log- gia enthaltend; die Räume grossentheils voll der herrlichsten Malereien und Arabesken (S. 288, e). Der Geist des wahren Otium cum dignitate, der in diesen Räumen lebt, wird freilich heutzutage so selten, dass ein volles Verständniss des Gebäudes eine gewisse Anstrengung er- d 1) Die übrigen Thore von Padua sind etwas früher, z. B. Porta S. Croce und Porta Livia von 1517; Porta Portello soll von Gugl. Bergamasco sein. 2) Einen wunderlichen Rundbau — breiter Umgang mit Nischen um ein ganz schmales Kuppelchen auf acht Säulen — findet man allerdings in Gestalt der Kirche S. Maria del Toresino; noch aus dem XVI. Jahrhundert mit Aus- nahme der Fassade. B. Cicerone. 21

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/343>, abgerufen am 05.12.2024.