Die Fabbriche nuove wurden schon erwähnt (S. 221, c). An der Zecca, einem seiner spätern Gebäude, hat Sansovino durch Rustica- halbsäulen an allen Fenstern seiner zwei obern Stockwerke einen Ein- druck des Ernstes hervorgebracht, der mit der Biblioteca zu contra- stiren bestimmt ist. Der Hof ist vielleicht bedeutender als die Fassade; bwie der schöne Hof der Universität zu Padua (1552, eine doppelte Halle mit geraden Gebälken) verräth er noch die frühern, festländi- schen Inspirationen des Meisters.
Von seinen unmittelbaren Schülern hat Alessandro Vittoria can dem einfachen Pal. Balbi (Canal grande, links, bei Pal. Foscari) am meisten Takt und Geschmack bewiesen. -- Als Gegenstück zu der Zecca, d. h. als ernstere Coulisse zum Dogenpalast, wie es die Zecca für die Biblioteca ist, erbaute später Giovanni da Ponte d(1512--1597) die Carceri. Ob die berühmte Seufzerbrücke, ebenfalls von ihm ist, weiss ich nicht anzugeben; einstweilen pflegt man ihm, evielleicht nur seinem Namen zu Ehren, die berühmte Brücke Rialto zuzuschreiben. (Abgesehen von dem mechanischen Verdienst, das wir nicht beurtheilen können, ist es ein hässlicher und phantasieloser Bau. Ein neuerer Sammler scheint den wahren Autor, einen gewissen An- drea Boldu, ausgemittelt zu haben.)
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An der schönsten modernen Kirche Venedigs, S. Salvatore, hat Sansovino nur die Ausführung leiten helfen; entworfen ist sie von Giorgio Spavento unter Theilnahme des Tullio Lombardo, vollen- det schon 1534, mit Ausnahme der beträchtlich spätern Fassade. Hier trägt das in S. Marco halbunbewusst, an S. Fantino bewusster aus- gesprochene Princip seine reifste Frucht; drei flache Kuppeln hinter- einander ruhen auf Tonnengewölben, deren Eckräume, von schlanken Pfeilern gebildet, ebenfalls mit kleinen Kuppelgewölben bedeckt sind. So entsteht eine schöne, einfach reiche Perspective, die das Gebäude grösser scheinen lässt, als es ist. Allerdings trägt hiezu auch die Farblosigkeit und das einfache Detail, sowie die glückliche Verthei- lung des Lichtes bei. (Welche letztere man doch erst einer spätern Durchbrechung der anfangs dunkeln Kuppeln verdanken soll.)
Hochrenaissance. Venedig. Spavento.
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Die Fabbriche nuove wurden schon erwähnt (S. 221, c). An der Zecca, einem seiner spätern Gebäude, hat Sansovino durch Rustica- halbsäulen an allen Fenstern seiner zwei obern Stockwerke einen Ein- druck des Ernstes hervorgebracht, der mit der Biblioteca zu contra- stiren bestimmt ist. Der Hof ist vielleicht bedeutender als die Fassade; bwie der schöne Hof der Universität zu Padua (1552, eine doppelte Halle mit geraden Gebälken) verräth er noch die frühern, festländi- schen Inspirationen des Meisters.
Von seinen unmittelbaren Schülern hat Alessandro Vittoria can dem einfachen Pal. Balbi (Canal grande, links, bei Pal. Foscari) am meisten Takt und Geschmack bewiesen. — Als Gegenstück zu der Zecca, d. h. als ernstere Coulisse zum Dogenpalast, wie es die Zecca für die Biblioteca ist, erbaute später Giovanni da Ponte d(1512—1597) die Carceri. Ob die berühmte Seufzerbrücke, ebenfalls von ihm ist, weiss ich nicht anzugeben; einstweilen pflegt man ihm, evielleicht nur seinem Namen zu Ehren, die berühmte Brücke Rialto zuzuschreiben. (Abgesehen von dem mechanischen Verdienst, das wir nicht beurtheilen können, ist es ein hässlicher und phantasieloser Bau. Ein neuerer Sammler scheint den wahren Autor, einen gewissen An- drea Boldù, ausgemittelt zu haben.)
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An der schönsten modernen Kirche Venedigs, S. Salvatore, hat Sansovino nur die Ausführung leiten helfen; entworfen ist sie von Giorgio Spavento unter Theilnahme des Tullio Lombardo, vollen- det schon 1534, mit Ausnahme der beträchtlich spätern Fassade. Hier trägt das in S. Marco halbunbewusst, an S. Fantino bewusster aus- gesprochene Princip seine reifste Frucht; drei flache Kuppeln hinter- einander ruhen auf Tonnengewölben, deren Eckräume, von schlanken Pfeilern gebildet, ebenfalls mit kleinen Kuppelgewölben bedeckt sind. So entsteht eine schöne, einfach reiche Perspective, die das Gebäude grösser scheinen lässt, als es ist. Allerdings trägt hiezu auch die Farblosigkeit und das einfache Detail, sowie die glückliche Verthei- lung des Lichtes bei. (Welche letztere man doch erst einer spätern Durchbrechung der anfangs dunkeln Kuppeln verdanken soll.)
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Hochrenaissance. Venedig. Spavento.
Die Fabbriche nuove wurden schon erwähnt (S. 221, c). An der
Zecca, einem seiner spätern Gebäude, hat Sansovino durch Rustica-
halbsäulen an allen Fenstern seiner zwei obern Stockwerke einen Ein-
druck des Ernstes hervorgebracht, der mit der Biblioteca zu contra-
stiren bestimmt ist. Der Hof ist vielleicht bedeutender als die Fassade;
wie der schöne Hof der Universität zu Padua (1552, eine doppelte
Halle mit geraden Gebälken) verräth er noch die frühern, festländi-
schen Inspirationen des Meisters.
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am meisten Takt und Geschmack bewiesen. — Als Gegenstück zu
der Zecca, d. h. als ernstere Coulisse zum Dogenpalast, wie es die
Zecca für die Biblioteca ist, erbaute später Giovanni da Ponte
(1512—1597) die Carceri. Ob die berühmte Seufzerbrücke, ebenfalls
von ihm ist, weiss ich nicht anzugeben; einstweilen pflegt man ihm,
vielleicht nur seinem Namen zu Ehren, die berühmte Brücke Rialto
zuzuschreiben. (Abgesehen von dem mechanischen Verdienst, das wir
nicht beurtheilen können, ist es ein hässlicher und phantasieloser Bau.
Ein neuerer Sammler scheint den wahren Autor, einen gewissen An-
drea Boldù, ausgemittelt zu haben.)
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An der schönsten modernen Kirche Venedigs, S. Salvatore, hat
Sansovino nur die Ausführung leiten helfen; entworfen ist sie von
Giorgio Spavento unter Theilnahme des Tullio Lombardo, vollen-
det schon 1534, mit Ausnahme der beträchtlich spätern Fassade. Hier
trägt das in S. Marco halbunbewusst, an S. Fantino bewusster aus-
gesprochene Princip seine reifste Frucht; drei flache Kuppeln hinter-
einander ruhen auf Tonnengewölben, deren Eckräume, von schlanken
Pfeilern gebildet, ebenfalls mit kleinen Kuppelgewölben bedeckt sind.
So entsteht eine schöne, einfach reiche Perspective, die das Gebäude
grösser scheinen lässt, als es ist. Allerdings trägt hiezu auch die
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lung des Lichtes bei. (Welche letztere man doch erst einer spätern
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/350>, abgerufen am 05.12.2024.
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