indess, dass die Kuppeln einander nicht gleich oder ähnlich (wie an S. Marco in Venedig und am Santo in Padua) sondern einander sub- ordinirt sein müssten (wie diess Andrea Riccio 1521 an der prächtigen Justinenkirche zu Padua zuerst und zaghaft durchführte). Aber auch so modificirt ist der Gedanke wohl kein glücklicher; die grosse Form einer Hauptkuppel müsste möglichst einfach und deutlich mit ihrem quadratischen Unterbau contrastiren; will man die vier Ecken des letztern noch besonders hervorheben, so sind vier Thürme, wie sie Galeazzo Alessi an der Kirche Carignano zu Genua auf den vier Eckräumen (einstweilen auf zweien) anbrachte, das Richtigere und weniger störende. Allerdings gewinnt die scheinbare Grösse der Hauptkuppel durch Zuthat kleinerer Trabanten von einer analogen und dabei reichen Form, allein diess sind keine architektonischen Prin- cipien.
Nach der Zwischenherrschaft des jüngern San Gallo trat Michelangelo ein. Es bedurfte seines ganzen schon gewonnenen Ruhmes und seiner Verzichtung auf jeden Lohn, um seinem Entwurf den Sieg zu sichern. Eine der Frescoansichten des damaligen Roms in der vaticanischen Bibliothek stellt den Bau ungefähr so dar, wie Er ihn haben wollte: ein gleicharmiges Kreuz, dessen vorderer Arm in der Mitte der Fassade eine nur viersäulige, aber in riesigem Mass- stab gedachte Vorhalle aufweist. Die Kuppel hätte diesen vordern Arm des Kreuzes ebenso völlig beherrscht, als die gleich langen drei übrigen Arme. -- Von dem jetzt vorhandenen Gebäude hat Michel- angelo zunächst die Aussenseiten der hintern Theile des Unterbaues mit Pilastern und Attica zu verantworten. Sie sind eine bizarre, willkürliche Hülle, die Bramante's Entwurf schmerzlich bedauern lässt; die vier Ecken zwischen den halbrund heraustretenden Tribunen sind durch schräge Wände abgestumpft; die Fenster zeigen eine Bildung, die an Caprice mit der Porta Pia wetteifert 1). Viel gemässigter ver- fuhr Michelangelo im Innern, dessen Organismus (Pilaster, Nischen, Gesimse, auch wohl die Angabe des Gewölbes) wenigstens soweit ihm angehört, als nicht späterer, zumal farbiger Schmuck einen neuen
1) Milizia sucht wenigstens die Verantwortung wegen der Attica auf Carlo Ma- derna zu schieben.
Michelangelo.
indess, dass die Kuppeln einander nicht gleich oder ähnlich (wie an S. Marco in Venedig und am Santo in Padua) sondern einander sub- ordinirt sein müssten (wie diess Andrea Riccio 1521 an der prächtigen Justinenkirche zu Padua zuerst und zaghaft durchführte). Aber auch so modificirt ist der Gedanke wohl kein glücklicher; die grosse Form einer Hauptkuppel müsste möglichst einfach und deutlich mit ihrem quadratischen Unterbau contrastiren; will man die vier Ecken des letztern noch besonders hervorheben, so sind vier Thürme, wie sie Galeazzo Alessi an der Kirche Carignano zu Genua auf den vier Eckräumen (einstweilen auf zweien) anbrachte, das Richtigere und weniger störende. Allerdings gewinnt die scheinbare Grösse der Hauptkuppel durch Zuthat kleinerer Trabanten von einer analogen und dabei reichen Form, allein diess sind keine architektonischen Prin- cipien.
Nach der Zwischenherrschaft des jüngern San Gallo trat Michelangelo ein. Es bedurfte seines ganzen schon gewonnenen Ruhmes und seiner Verzichtung auf jeden Lohn, um seinem Entwurf den Sieg zu sichern. Eine der Frescoansichten des damaligen Roms in der vaticanischen Bibliothek stellt den Bau ungefähr so dar, wie Er ihn haben wollte: ein gleicharmiges Kreuz, dessen vorderer Arm in der Mitte der Fassade eine nur viersäulige, aber in riesigem Mass- stab gedachte Vorhalle aufweist. Die Kuppel hätte diesen vordern Arm des Kreuzes ebenso völlig beherrscht, als die gleich langen drei übrigen Arme. — Von dem jetzt vorhandenen Gebäude hat Michel- angelo zunächst die Aussenseiten der hintern Theile des Unterbaues mit Pilastern und Attica zu verantworten. Sie sind eine bizarre, willkürliche Hülle, die Bramante’s Entwurf schmerzlich bedauern lässt; die vier Ecken zwischen den halbrund heraustretenden Tribunen sind durch schräge Wände abgestumpft; die Fenster zeigen eine Bildung, die an Caprice mit der Porta Pia wetteifert 1). Viel gemässigter ver- fuhr Michelangelo im Innern, dessen Organismus (Pilaster, Nischen, Gesimse, auch wohl die Angabe des Gewölbes) wenigstens soweit ihm angehört, als nicht späterer, zumal farbiger Schmuck einen neuen
1) Milizia sucht wenigstens die Verantwortung wegen der Attica auf Carlo Ma- derna zu schieben.
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Michelangelo.
indess, dass die Kuppeln einander nicht gleich oder ähnlich (wie an
S. Marco in Venedig und am Santo in Padua) sondern einander sub-
ordinirt sein müssten (wie diess Andrea Riccio 1521 an der prächtigen
Justinenkirche zu Padua zuerst und zaghaft durchführte). Aber auch
so modificirt ist der Gedanke wohl kein glücklicher; die grosse Form
einer Hauptkuppel müsste möglichst einfach und deutlich mit ihrem
quadratischen Unterbau contrastiren; will man die vier Ecken des
letztern noch besonders hervorheben, so sind vier Thürme, wie sie
Galeazzo Alessi an der Kirche Carignano zu Genua auf den vier
Eckräumen (einstweilen auf zweien) anbrachte, das Richtigere und
weniger störende. Allerdings gewinnt die scheinbare Grösse der
Hauptkuppel durch Zuthat kleinerer Trabanten von einer analogen und
dabei reichen Form, allein diess sind keine architektonischen Prin-
cipien.
Nach der Zwischenherrschaft des jüngern San Gallo trat
Michelangelo ein. Es bedurfte seines ganzen schon gewonnenen
Ruhmes und seiner Verzichtung auf jeden Lohn, um seinem Entwurf
den Sieg zu sichern. Eine der Frescoansichten des damaligen Roms
in der vaticanischen Bibliothek stellt den Bau ungefähr so dar, wie
Er ihn haben wollte: ein gleicharmiges Kreuz, dessen vorderer Arm
in der Mitte der Fassade eine nur viersäulige, aber in riesigem Mass-
stab gedachte Vorhalle aufweist. Die Kuppel hätte diesen vordern
Arm des Kreuzes ebenso völlig beherrscht, als die gleich langen drei
übrigen Arme. — Von dem jetzt vorhandenen Gebäude hat Michel-
angelo zunächst die Aussenseiten der hintern Theile des Unterbaues
mit Pilastern und Attica zu verantworten. Sie sind eine bizarre,
willkürliche Hülle, die Bramante’s Entwurf schmerzlich bedauern lässt;
die vier Ecken zwischen den halbrund heraustretenden Tribunen sind
durch schräge Wände abgestumpft; die Fenster zeigen eine Bildung,
die an Caprice mit der Porta Pia wetteifert 1). Viel gemässigter ver-
fuhr Michelangelo im Innern, dessen Organismus (Pilaster, Nischen,
Gesimse, auch wohl die Angabe des Gewölbes) wenigstens soweit ihm
angehört, als nicht späterer, zumal farbiger Schmuck einen neuen
1) Milizia sucht wenigstens die Verantwortung wegen der Attica auf Carlo Ma-
derna zu schieben.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/357>, abgerufen am 05.12.2024.
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