Intervallflächen harmonisch zu verzieren ist unmöglich, weil dieselben durch die Schwellung der Säulen eine nicht-winkelrechte Form haben und im Grunde doch nur ein Ersatz sind für den freien Durchblick einer offenen Säulenhalle1). Palladio musste ihnen Nischen mit Sta- tuen geben. Endlich ist das Anlehnen der Halbgiebel mit ihrem schiefen und ihrem wagerechten Sims (der dann über dem Portal wieder zum Vorschein kömmt) nie ganz schön zu bewerkstelligen.
Als grosser Künstler brachte freilich Palladio eine Art von Har- monie hinein. Die strenge Einfachheit seines Details, die beständige Berechnung der Theile auf das Ganze bringt bei ihm immer einen zwingenden Eindruck hervor.
In Betreff des Innern belebt er die Anordnung der frühern Re- naissance durch einen imposanten Organismus von kräftigen Gliedern, namentlich Halbsäulen, und durch Verhältnisse, welche die einzig wahren scheinen, so lange man sie vor Augen hat. Auch hier herrscht Eine Ordnung. Durch ausdrückliche Verfügung des Meisters oder durch einen glücklichen Zufall blieben diese Kirchen ohne Vergoldung und Bemalung. (Irgend eine decorative Gliederung der Gewölbe möchte Palladio doch wohl beabsichtigt haben.)
a
Die Kirche S. Giorgio maggiore in Venedig, herrlich isolirt der Piazzetta gegenüber gelegen, ist das frühste dieser Gebäude (be- gonnen 1560). Schon von aussen bilden Kirche, Querschiff, Thurm und Kloster eine malerische Gruppe. Der Eindruck des Innern ist besonders schön und feierlich. Die Hauptordnung hat, wie gesagt, Halbsäulen; die von ihr eingefassten Bogen ruhen auf Pilastern; unter der ganz einfachen Kuppel treten dann auch in der Hauptordnung Pilaster hervor; in den Seitenschiffen eine kleinere Ordnung von Halb- säulen. Die Querarme schliessen im Halbrund. Der Durchblick in den hintern Mönchschor durch eine schöne Säulenstellung mit geradem Gebälk ist durch die darüber gesetzte Orgel verdorben. -- Das Kloster mit seinem vielbewunderten Refectorium ist gegenwärtig als Caserne schwer zugänglich.
b
Die Fassade von S. Francesco della Vigna (1568) wiederholt das
1)*Wesshalb die Alten sie klüglich unverziert liessen. Siehe z. B. den Tempel der Fortuna virilis in Rom.
Architektur von 1540 bis 1580.
Intervallflächen harmonisch zu verzieren ist unmöglich, weil dieselben durch die Schwellung der Säulen eine nicht-winkelrechte Form haben und im Grunde doch nur ein Ersatz sind für den freien Durchblick einer offenen Säulenhalle1). Palladio musste ihnen Nischen mit Sta- tuen geben. Endlich ist das Anlehnen der Halbgiebel mit ihrem schiefen und ihrem wagerechten Sims (der dann über dem Portal wieder zum Vorschein kömmt) nie ganz schön zu bewerkstelligen.
Als grosser Künstler brachte freilich Palladio eine Art von Har- monie hinein. Die strenge Einfachheit seines Details, die beständige Berechnung der Theile auf das Ganze bringt bei ihm immer einen zwingenden Eindruck hervor.
In Betreff des Innern belebt er die Anordnung der frühern Re- naissance durch einen imposanten Organismus von kräftigen Gliedern, namentlich Halbsäulen, und durch Verhältnisse, welche die einzig wahren scheinen, so lange man sie vor Augen hat. Auch hier herrscht Eine Ordnung. Durch ausdrückliche Verfügung des Meisters oder durch einen glücklichen Zufall blieben diese Kirchen ohne Vergoldung und Bemalung. (Irgend eine decorative Gliederung der Gewölbe möchte Palladio doch wohl beabsichtigt haben.)
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Die Kirche S. Giorgio maggiore in Venedig, herrlich isolirt der Piazzetta gegenüber gelegen, ist das frühste dieser Gebäude (be- gonnen 1560). Schon von aussen bilden Kirche, Querschiff, Thurm und Kloster eine malerische Gruppe. Der Eindruck des Innern ist besonders schön und feierlich. Die Hauptordnung hat, wie gesagt, Halbsäulen; die von ihr eingefassten Bogen ruhen auf Pilastern; unter der ganz einfachen Kuppel treten dann auch in der Hauptordnung Pilaster hervor; in den Seitenschiffen eine kleinere Ordnung von Halb- säulen. Die Querarme schliessen im Halbrund. Der Durchblick in den hintern Mönchschor durch eine schöne Säulenstellung mit geradem Gebälk ist durch die darüber gesetzte Orgel verdorben. — Das Kloster mit seinem vielbewunderten Refectorium ist gegenwärtig als Caserne schwer zugänglich.
b
Die Fassade von S. Francesco della Vigna (1568) wiederholt das
1)*Wesshalb die Alten sie klüglich unverziert liessen. Siehe z. B. den Tempel der Fortuna virilis in Rom.
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Architektur von 1540 bis 1580.
Intervallflächen harmonisch zu verzieren ist unmöglich, weil dieselben
durch die Schwellung der Säulen eine nicht-winkelrechte Form haben
und im Grunde doch nur ein Ersatz sind für den freien Durchblick
einer offenen Säulenhalle 1). Palladio musste ihnen Nischen mit Sta-
tuen geben. Endlich ist das Anlehnen der Halbgiebel mit ihrem
schiefen und ihrem wagerechten Sims (der dann über dem Portal
wieder zum Vorschein kömmt) nie ganz schön zu bewerkstelligen.
Als grosser Künstler brachte freilich Palladio eine Art von Har-
monie hinein. Die strenge Einfachheit seines Details, die beständige
Berechnung der Theile auf das Ganze bringt bei ihm immer einen
zwingenden Eindruck hervor.
In Betreff des Innern belebt er die Anordnung der frühern Re-
naissance durch einen imposanten Organismus von kräftigen Gliedern,
namentlich Halbsäulen, und durch Verhältnisse, welche die einzig
wahren scheinen, so lange man sie vor Augen hat. Auch hier herrscht
Eine Ordnung. Durch ausdrückliche Verfügung des Meisters oder
durch einen glücklichen Zufall blieben diese Kirchen ohne Vergoldung
und Bemalung. (Irgend eine decorative Gliederung der Gewölbe möchte
Palladio doch wohl beabsichtigt haben.)
Die Kirche S. Giorgio maggiore in Venedig, herrlich isolirt
der Piazzetta gegenüber gelegen, ist das frühste dieser Gebäude (be-
gonnen 1560). Schon von aussen bilden Kirche, Querschiff, Thurm
und Kloster eine malerische Gruppe. Der Eindruck des Innern ist
besonders schön und feierlich. Die Hauptordnung hat, wie gesagt,
Halbsäulen; die von ihr eingefassten Bogen ruhen auf Pilastern; unter
der ganz einfachen Kuppel treten dann auch in der Hauptordnung
Pilaster hervor; in den Seitenschiffen eine kleinere Ordnung von Halb-
säulen. Die Querarme schliessen im Halbrund. Der Durchblick in
den hintern Mönchschor durch eine schöne Säulenstellung mit geradem
Gebälk ist durch die darüber gesetzte Orgel verdorben. — Das Kloster
mit seinem vielbewunderten Refectorium ist gegenwärtig als Caserne
schwer zugänglich.
Die Fassade von S. Francesco della Vigna (1568) wiederholt das
1) Wesshalb die Alten sie klüglich unverziert liessen. Siehe z. B. den Tempel
der Fortuna virilis in Rom.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/384>, abgerufen am 05.12.2024.
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