Pilastern unter Einem Capitäl gehört ohne Zweifel zu den Verän- derungen.)
a
Noch später (1609) benützte man einen Entwurf Palladio's für eine andere Nonnenkirche, S. Lucia (beim Bahnhof). Die raum- sparende und dabei grossartig originelle Anlage des Innern (das Äussere unbekleidet) ist nicht leicht zu beschreiben, wer aber die wenige Schritte entfernte Kirche der Scalzi und deren empfindungs- losen Pomp damit vergleicht, wird in S. Lucia die Hand des hohen Meisters erkennen.
Ausser diesen Kirchen hinterliess Palladio in Venedig unvollendet b(auf immer) das Kloster der Carita (1561), in welchem sich jetzt die Academie befindet. Man sieht das kleinere dreiseitige Erdgeschoss einer Pfeilerhalle mit Pilastern, und die eine Seite eines grossartigen Hofbaues -- zwei Geschosse mit Pfeilerhallen und Halbsäulen, und ein Obergeschoss mit Mauer und Pilastern. Es ist das Gebäude, von welchem Göthe mit so vieler und gerechter Begeisterung spricht. Kein weisser Marmor, fast nur Backsteine, für welche Palladio eine Vor- liebe hatte, weil er wohl wusste, dass die Nachwelt kein Interesse hat, sie abzureissen wie die Quaderbauten.
Der gerechte Stolz, womit Vicenza und das östliche Oberitalien überhaupt auf Palladio hinblickten, gewährte diesen Gegenden auch die beste Schutzwehr gegen die Excesse des Barockstyls. Während der schlimmsten borrominesken Zeit verdunkelte sich wohl Palladio's Ruhm zu einer mehr bloss historischen Anerkennung, aber mit dem XVIII. Jahrhundert wurden seine Gebäude von Neuem als Muster anerkannt, nachgeahmt, ja wiederholt. Das Ausland, hauptsächlich England, mischte sich in die Frage und nahm Partei für ihn auf das Nachdrücklichste. Wie Vignola für die Bildung des Details, so war Palladio für die Composition das Orakel und Vorbild der strengern Architekten seit 1700: ja er herrscht in der classischen Schule Ober- italiens bis auf den heutigen Tag.
Die Schattenseiten dieses grossen Einflusses sind nicht zu ver- hehlen. Unvermeidlich brachten die Nachfolger die entlehnten Motive auch da an, wo sie nicht hinpassten, bloss um des Effectes willen;
Architektur von 1540 bis 1580.
Pilastern unter Einem Capitäl gehört ohne Zweifel zu den Verän- derungen.)
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Noch später (1609) benützte man einen Entwurf Palladio’s für eine andere Nonnenkirche, S. Lucia (beim Bahnhof). Die raum- sparende und dabei grossartig originelle Anlage des Innern (das Äussere unbekleidet) ist nicht leicht zu beschreiben, wer aber die wenige Schritte entfernte Kirche der Scalzi und deren empfindungs- losen Pomp damit vergleicht, wird in S. Lucia die Hand des hohen Meisters erkennen.
Ausser diesen Kirchen hinterliess Palladio in Venedig unvollendet b(auf immer) das Kloster der Carità (1561), in welchem sich jetzt die Academie befindet. Man sieht das kleinere dreiseitige Erdgeschoss einer Pfeilerhalle mit Pilastern, und die eine Seite eines grossartigen Hofbaues — zwei Geschosse mit Pfeilerhallen und Halbsäulen, und ein Obergeschoss mit Mauer und Pilastern. Es ist das Gebäude, von welchem Göthe mit so vieler und gerechter Begeisterung spricht. Kein weisser Marmor, fast nur Backsteine, für welche Palladio eine Vor- liebe hatte, weil er wohl wusste, dass die Nachwelt kein Interesse hat, sie abzureissen wie die Quaderbauten.
Der gerechte Stolz, womit Vicenza und das östliche Oberitalien überhaupt auf Palladio hinblickten, gewährte diesen Gegenden auch die beste Schutzwehr gegen die Excesse des Barockstyls. Während der schlimmsten borrominesken Zeit verdunkelte sich wohl Palladio’s Ruhm zu einer mehr bloss historischen Anerkennung, aber mit dem XVIII. Jahrhundert wurden seine Gebäude von Neuem als Muster anerkannt, nachgeahmt, ja wiederholt. Das Ausland, hauptsächlich England, mischte sich in die Frage und nahm Partei für ihn auf das Nachdrücklichste. Wie Vignola für die Bildung des Details, so war Palladio für die Composition das Orakel und Vorbild der strengern Architekten seit 1700: ja er herrscht in der classischen Schule Ober- italiens bis auf den heutigen Tag.
Die Schattenseiten dieses grossen Einflusses sind nicht zu ver- hehlen. Unvermeidlich brachten die Nachfolger die entlehnten Motive auch da an, wo sie nicht hinpassten, bloss um des Effectes willen;
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Architektur von 1540 bis 1580.
Pilastern unter Einem Capitäl gehört ohne Zweifel zu den Verän-
derungen.)
Noch später (1609) benützte man einen Entwurf Palladio’s für
eine andere Nonnenkirche, S. Lucia (beim Bahnhof). Die raum-
sparende und dabei grossartig originelle Anlage des Innern (das
Äussere unbekleidet) ist nicht leicht zu beschreiben, wer aber die
wenige Schritte entfernte Kirche der Scalzi und deren empfindungs-
losen Pomp damit vergleicht, wird in S. Lucia die Hand des hohen
Meisters erkennen.
Ausser diesen Kirchen hinterliess Palladio in Venedig unvollendet
(auf immer) das Kloster der Carità (1561), in welchem sich jetzt
die Academie befindet. Man sieht das kleinere dreiseitige Erdgeschoss
einer Pfeilerhalle mit Pilastern, und die eine Seite eines grossartigen
Hofbaues — zwei Geschosse mit Pfeilerhallen und Halbsäulen, und
ein Obergeschoss mit Mauer und Pilastern. Es ist das Gebäude, von
welchem Göthe mit so vieler und gerechter Begeisterung spricht. Kein
weisser Marmor, fast nur Backsteine, für welche Palladio eine Vor-
liebe hatte, weil er wohl wusste, dass die Nachwelt kein Interesse
hat, sie abzureissen wie die Quaderbauten.
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Der gerechte Stolz, womit Vicenza und das östliche Oberitalien
überhaupt auf Palladio hinblickten, gewährte diesen Gegenden auch
die beste Schutzwehr gegen die Excesse des Barockstyls. Während
der schlimmsten borrominesken Zeit verdunkelte sich wohl Palladio’s
Ruhm zu einer mehr bloss historischen Anerkennung, aber mit dem
XVIII. Jahrhundert wurden seine Gebäude von Neuem als Muster
anerkannt, nachgeahmt, ja wiederholt. Das Ausland, hauptsächlich
England, mischte sich in die Frage und nahm Partei für ihn auf das
Nachdrücklichste. Wie Vignola für die Bildung des Details, so war
Palladio für die Composition das Orakel und Vorbild der strengern
Architekten seit 1700: ja er herrscht in der classischen Schule Ober-
italiens bis auf den heutigen Tag.
Die Schattenseiten dieses grossen Einflusses sind nicht zu ver-
hehlen. Unvermeidlich brachten die Nachfolger die entlehnten Motive
auch da an, wo sie nicht hinpassten, bloss um des Effectes willen;
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/386>, abgerufen am 05.12.2024.
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