die palladianischen Formen der Palastfronten, Höfe, Kircheninterieurs u. s. w. wurden äusserlich gehandhabt, als grossartigste Decoration, die sich vorbringen liess, und zwar oft in ganz knechtischer Nach- ahmung bestimmter Bauten; umsonst lehrten die Urbilder, dass der Meister jede einzelne Aufgabe anders und immer neu zu lösen ge- wusst hatte.
Dennoch überwog der Vortheil. Unläugbar blieb man auf dieser Fährte den wahren und ewigen Gesetzen der Architektur näher als wenn man dem Barockstyl folgte. Bei der grossen Einfachheit des Details in diesem System erhielt sich auch eher der Sinn für die Wirkung der Verhältnisse, welche nun einmal die Seele der modern- italienischen Baukunst sind. Jeden Augenblick kann sich dieser Styl wieder der echten wenigstens römischen, wenn nicht griechischen Bil- dung nähern; es ist, so zu sagen, noch nicht viel an ihm verdorben.
Ja, wenn sich Auge und Sinn darüber Rechenschaft geben, wie sehr schon das Einfach-Grossräumige -- in wenigstens nicht unedeln Formen -- auf die Stimmung wirkt, wie sehr das Gefühl "im Süden zu sein" davon bedingt ist, so lernt man diese Nachfolge Palladio's erst vollkommen schätzen. Ihr verdankt das moderne Oberitalien, hauptsächlich Mailand, jene Bauphysiognomie, die man kalt undherz- los, aber niemals kleinlich schelten kann. Sie hat das Bedürfniss nach dem Grossen und Monumentalen wach gehalten und damit für jede höhere Entwicklung in der Baukunst einen günstigen Boden vorbe- reitet. Ein grosser Gedanke trifft wenigstens in jenen Gegenden auf keine meschine Baugesinnung.
In Vicenza selbst war und blieb Palladio "das Palladium", wie Milizia in seinen Briefen sagt, und wie man aus Göthe's italienischer Reise noch deutlicher ersieht. Schon ein (nicht sehr dankbarer) vi- centinischer Zeitgenosse, Vincenzo Scamozzi (1552--1616), zeigt sich in seinem bedeutendsten Gebäude, Pal. Trissino am Corso, wesent-a lich von Palladio abhängig. (Von ihm auch Pal. Trento unweit vom Dom, und in Venedig der schon genannte Ausbau der Procurazien,b sowie ein Pal. Cornaro am Canal grande, dann mehrere Villen u. s. w.c Scamozzi ist durch sein grosses Werk "Architettura universale" be- kannter als durch seine eigenen Bauten). Aber noch viel später galt Palladio in der Heimath als Vorbild. Theils nach vorhandenen Zeich-
Nachfolge Palladio’s. Scamozzi.
die palladianischen Formen der Palastfronten, Höfe, Kircheninterieurs u. s. w. wurden äusserlich gehandhabt, als grossartigste Decoration, die sich vorbringen liess, und zwar oft in ganz knechtischer Nach- ahmung bestimmter Bauten; umsonst lehrten die Urbilder, dass der Meister jede einzelne Aufgabe anders und immer neu zu lösen ge- wusst hatte.
Dennoch überwog der Vortheil. Unläugbar blieb man auf dieser Fährte den wahren und ewigen Gesetzen der Architektur näher als wenn man dem Barockstyl folgte. Bei der grossen Einfachheit des Details in diesem System erhielt sich auch eher der Sinn für die Wirkung der Verhältnisse, welche nun einmal die Seele der modern- italienischen Baukunst sind. Jeden Augenblick kann sich dieser Styl wieder der echten wenigstens römischen, wenn nicht griechischen Bil- dung nähern; es ist, so zu sagen, noch nicht viel an ihm verdorben.
Ja, wenn sich Auge und Sinn darüber Rechenschaft geben, wie sehr schon das Einfach-Grossräumige — in wenigstens nicht unedeln Formen — auf die Stimmung wirkt, wie sehr das Gefühl „im Süden zu sein“ davon bedingt ist, so lernt man diese Nachfolge Palladio’s erst vollkommen schätzen. Ihr verdankt das moderne Oberitalien, hauptsächlich Mailand, jene Bauphysiognomie, die man kalt undherz- los, aber niemals kleinlich schelten kann. Sie hat das Bedürfniss nach dem Grossen und Monumentalen wach gehalten und damit für jede höhere Entwicklung in der Baukunst einen günstigen Boden vorbe- reitet. Ein grosser Gedanke trifft wenigstens in jenen Gegenden auf keine meschine Baugesinnung.
In Vicenza selbst war und blieb Palladio „das Palladium“, wie Milizia in seinen Briefen sagt, und wie man aus Göthe’s italienischer Reise noch deutlicher ersieht. Schon ein (nicht sehr dankbarer) vi- centinischer Zeitgenosse, Vincenzo Scamozzi (1552—1616), zeigt sich in seinem bedeutendsten Gebäude, Pal. Trissino am Corso, wesent-a lich von Palladio abhängig. (Von ihm auch Pal. Trento unweit vom Dom, und in Venedig der schon genannte Ausbau der Procurazien,b sowie ein Pal. Cornaro am Canal grande, dann mehrere Villen u. s. w.c Scamozzi ist durch sein grosses Werk „Architettura universale“ be- kannter als durch seine eigenen Bauten). Aber noch viel später galt Palladio in der Heimath als Vorbild. Theils nach vorhandenen Zeich-
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Nachfolge Palladio’s. Scamozzi.
die palladianischen Formen der Palastfronten, Höfe, Kircheninterieurs
u. s. w. wurden äusserlich gehandhabt, als grossartigste Decoration,
die sich vorbringen liess, und zwar oft in ganz knechtischer Nach-
ahmung bestimmter Bauten; umsonst lehrten die Urbilder, dass der
Meister jede einzelne Aufgabe anders und immer neu zu lösen ge-
wusst hatte.
Dennoch überwog der Vortheil. Unläugbar blieb man auf dieser
Fährte den wahren und ewigen Gesetzen der Architektur näher als
wenn man dem Barockstyl folgte. Bei der grossen Einfachheit des
Details in diesem System erhielt sich auch eher der Sinn für die
Wirkung der Verhältnisse, welche nun einmal die Seele der modern-
italienischen Baukunst sind. Jeden Augenblick kann sich dieser Styl
wieder der echten wenigstens römischen, wenn nicht griechischen Bil-
dung nähern; es ist, so zu sagen, noch nicht viel an ihm verdorben.
Ja, wenn sich Auge und Sinn darüber Rechenschaft geben, wie
sehr schon das Einfach-Grossräumige — in wenigstens nicht unedeln
Formen — auf die Stimmung wirkt, wie sehr das Gefühl „im Süden
zu sein“ davon bedingt ist, so lernt man diese Nachfolge Palladio’s
erst vollkommen schätzen. Ihr verdankt das moderne Oberitalien,
hauptsächlich Mailand, jene Bauphysiognomie, die man kalt undherz-
los, aber niemals kleinlich schelten kann. Sie hat das Bedürfniss nach
dem Grossen und Monumentalen wach gehalten und damit für jede
höhere Entwicklung in der Baukunst einen günstigen Boden vorbe-
reitet. Ein grosser Gedanke trifft wenigstens in jenen Gegenden auf
keine meschine Baugesinnung.
In Vicenza selbst war und blieb Palladio „das Palladium“, wie
Milizia in seinen Briefen sagt, und wie man aus Göthe’s italienischer
Reise noch deutlicher ersieht. Schon ein (nicht sehr dankbarer) vi-
centinischer Zeitgenosse, Vincenzo Scamozzi (1552—1616), zeigt
sich in seinem bedeutendsten Gebäude, Pal. Trissino am Corso, wesent-
lich von Palladio abhängig. (Von ihm auch Pal. Trento unweit vom
Dom, und in Venedig der schon genannte Ausbau der Procurazien,
sowie ein Pal. Cornaro am Canal grande, dann mehrere Villen u. s. w.
Scamozzi ist durch sein grosses Werk „Architettura universale“ be-
kannter als durch seine eigenen Bauten). Aber noch viel später galt
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/387>, abgerufen am 05.12.2024.
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