um 1700 für classisch galten und oft genug wirklich ausgeführt wur- den; es sind Fieberphantasien der Architektur. -- Allein auch die schlimmsten dieser Formen haben eine Eigenschaft, die für den ganzen Styl wichtig und bezeichnend ist: nämlich ein starkes Relief und so- mit eine starke Schattenwirkung. Untauglich zum Ausdruck des wahr- haft Organischen, des Constructiven, sind sie im höchsten Grade wirk- sam zur Eintheilung von Flächen, zur Markirung bestimmter Stellen. Sie können diejenige lebendig gebliebene Seite der Architektur dar- stellen helfen, welche als das Gebiet der Verhältnisse zu bezeich- nen ist.
Der Hauptschauplatz auf welchem diese Frage der Verhältnisse durchgefochten wird, sind in dieser Zeit unläugbar die Kirchen- fassaden. Ich weiss, dass man leicht in Versuchung geräth, keine einzige auch nur recht anzusehen. Sie sind schon in der Renaissance- zeit, ja in der italienischen Gothik blosse vorgeschobene Decorationen und werden jetzt vollends rein conventionelle Zierstücke, die mit dem Ganzen gar keinen Zusammenhang haben. Ihre Verhältnisse, ob schön oder hässlich nach damaligem Massstab, dürften uns gleichgültig sein. Allein als reine Fiction ergreifen sie den Beschauer doch bisweilen, trotz der oft so verwerflichen Ausdrucksweise, und nöthigen ihn, der Absicht des Baumeisters nachzugehen, seine Rechnung -- nicht von Kräften und Lasten, wohl aber von Massen und Formen -- nachzu- rechnen. Man entsinnt sich dabei, dass es zum Theil die Zeitgenossen der grössten Maler des XVII. Jahrhunderts waren, welche so bauten, ja Maler wie Domenichino, Bildhauer wie Bernini selbst.
Seit Palladio werden die Fassaden mit Einer Ordnung (Seite 361) häufiger, ohne jedoch im Ganzen das Übergewicht zu gewinnen. Für Rom z. B., welches den Ton im Grossen angab, mochte die wider- awärtige Fassade von S. Carlo al corso eher zur Abschreckung, als zur Empfehlung dieser Bauform dienen. (Angeblich von Onorio Lun- ghi, in der That vom Cardinal Omodei.) Auch diejenige Maderna's ban S. Francesca Romana steht weit unter Palladio. Der überwiegende Typus, welchen seit etwa 1580 Giac. della Porta, Dom. Fontana, Mart. Lunghi d. ä. etc. geschaffen hatten, blieb immer derjenige
Der Barockstyl.
um 1700 für classisch galten und oft genug wirklich ausgeführt wur- den; es sind Fieberphantasien der Architektur. — Allein auch die schlimmsten dieser Formen haben eine Eigenschaft, die für den ganzen Styl wichtig und bezeichnend ist: nämlich ein starkes Relief und so- mit eine starke Schattenwirkung. Untauglich zum Ausdruck des wahr- haft Organischen, des Constructiven, sind sie im höchsten Grade wirk- sam zur Eintheilung von Flächen, zur Markirung bestimmter Stellen. Sie können diejenige lebendig gebliebene Seite der Architektur dar- stellen helfen, welche als das Gebiet der Verhältnisse zu bezeich- nen ist.
Der Hauptschauplatz auf welchem diese Frage der Verhältnisse durchgefochten wird, sind in dieser Zeit unläugbar die Kirchen- fassaden. Ich weiss, dass man leicht in Versuchung geräth, keine einzige auch nur recht anzusehen. Sie sind schon in der Renaissance- zeit, ja in der italienischen Gothik blosse vorgeschobene Decorationen und werden jetzt vollends rein conventionelle Zierstücke, die mit dem Ganzen gar keinen Zusammenhang haben. Ihre Verhältnisse, ob schön oder hässlich nach damaligem Massstab, dürften uns gleichgültig sein. Allein als reine Fiction ergreifen sie den Beschauer doch bisweilen, trotz der oft so verwerflichen Ausdrucksweise, und nöthigen ihn, der Absicht des Baumeisters nachzugehen, seine Rechnung — nicht von Kräften und Lasten, wohl aber von Massen und Formen — nachzu- rechnen. Man entsinnt sich dabei, dass es zum Theil die Zeitgenossen der grössten Maler des XVII. Jahrhunderts waren, welche so bauten, ja Maler wie Domenichino, Bildhauer wie Bernini selbst.
Seit Palladio werden die Fassaden mit Einer Ordnung (Seite 361) häufiger, ohne jedoch im Ganzen das Übergewicht zu gewinnen. Für Rom z. B., welches den Ton im Grossen angab, mochte die wider- awärtige Fassade von S. Carlo al corso eher zur Abschreckung, als zur Empfehlung dieser Bauform dienen. (Angeblich von Onorio Lun- ghi, in der That vom Cardinal Omodei.) Auch diejenige Maderna’s ban S. Francesca Romana steht weit unter Palladio. Der überwiegende Typus, welchen seit etwa 1580 Giac. della Porta, Dom. Fontana, Mart. Lunghi d. ä. etc. geschaffen hatten, blieb immer derjenige
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Der Barockstyl.
um 1700 für classisch galten und oft genug wirklich ausgeführt wur-
den; es sind Fieberphantasien der Architektur. — Allein auch die
schlimmsten dieser Formen haben eine Eigenschaft, die für den ganzen
Styl wichtig und bezeichnend ist: nämlich ein starkes Relief und so-
mit eine starke Schattenwirkung. Untauglich zum Ausdruck des wahr-
haft Organischen, des Constructiven, sind sie im höchsten Grade wirk-
sam zur Eintheilung von Flächen, zur Markirung bestimmter Stellen.
Sie können diejenige lebendig gebliebene Seite der Architektur dar-
stellen helfen, welche als das Gebiet der Verhältnisse zu bezeich-
nen ist.
Der Hauptschauplatz auf welchem diese Frage der Verhältnisse
durchgefochten wird, sind in dieser Zeit unläugbar die Kirchen-
fassaden. Ich weiss, dass man leicht in Versuchung geräth, keine
einzige auch nur recht anzusehen. Sie sind schon in der Renaissance-
zeit, ja in der italienischen Gothik blosse vorgeschobene Decorationen
und werden jetzt vollends rein conventionelle Zierstücke, die mit dem
Ganzen gar keinen Zusammenhang haben. Ihre Verhältnisse, ob schön
oder hässlich nach damaligem Massstab, dürften uns gleichgültig sein.
Allein als reine Fiction ergreifen sie den Beschauer doch bisweilen,
trotz der oft so verwerflichen Ausdrucksweise, und nöthigen ihn, der
Absicht des Baumeisters nachzugehen, seine Rechnung — nicht von
Kräften und Lasten, wohl aber von Massen und Formen — nachzu-
rechnen. Man entsinnt sich dabei, dass es zum Theil die Zeitgenossen
der grössten Maler des XVII. Jahrhunderts waren, welche so bauten,
ja Maler wie Domenichino, Bildhauer wie Bernini selbst.
Seit Palladio werden die Fassaden mit Einer Ordnung (Seite 361)
häufiger, ohne jedoch im Ganzen das Übergewicht zu gewinnen. Für
Rom z. B., welches den Ton im Grossen angab, mochte die wider-
wärtige Fassade von S. Carlo al corso eher zur Abschreckung, als
zur Empfehlung dieser Bauform dienen. (Angeblich von Onorio Lun-
ghi, in der That vom Cardinal Omodei.) Auch diejenige Maderna’s
an S. Francesca Romana steht weit unter Palladio. Der überwiegende
Typus, welchen seit etwa 1580 Giac. della Porta, Dom. Fontana,
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/392>, abgerufen am 05.12.2024.
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