von S. Carlo in Genua; Capellen in allen reichern Kirchen Roms.) Ina S. Peter zu Rom füllte Bernini (S. 339) die untere Ordnung vollends mit Reliefzierrathen in Mosaik an.
Den reichsten Schmuck erhielten insgemein die Theile, welche dem Auge die nächsten waren, Sockel, Piedestale von Altarsäulen etc. (Mosaikwappen der Mediceischen Capelle in Florenz, in S. Ambrogiob in Genua etc.; Capellenschranken in S. Martino zu Neapel). Wer aber die Stoffe nicht hatte, ahmte sie in Scagliola oder Stuck- marmor nach, wenn nicht an den Bautheilen selbst, doch wenig- stens an den Altären. Welch undankbare Opfer man sich doch bisweilen auferlegte, lehrt z. B. die Jesuitenkirche in Venedig. Das Teppich-c muster, grüngrau auf weiss, welches die Flächen zwischen den Pi- lastern, ja auch die Säulen im Chor deckt, wird Niemand beim ersten Blick für etwas Anderes, als für eine aufgemalte Decoration halten. Dann denkt man vielleicht an Stucco oder Scagliola, bis das Auge sich zuletzt überzeugt, dass es sich um ein unendlich kostspieliges Marmormosaik handelt.
Zu dieser Art von Polychromie wollte dann das Plastische nur noch im derbsten Ausdruck passen. Die antike Architektur hatte die Bogenfüllungen mit Relieffiguren, z. B. am Titusbogen mit Victo- rien beseelt, an welchen man nicht bloss den herrlichsten plastischen Styl, sondern die vollkommenste Harmonie der Anordnung und des Reliefmasses mit den Bauformen bewundert. Die Renaissance ahmte dergleichen zuerst schön und massvoll (Altar Alexanders VI in derd Sacristei von S. M. del Popolo), dann mit kecker Umwandlung des Reliefs beinahe in Freisculptur (Jac. Sansovino's Biblioteca, S. 326) nach. Der Barockstyl aber gab auch die Harmonie mit der Form der Bogenfüllung Preis und liess grosse allegorische Figuren in dieselbe hineinsitzen, so gut es ging. Mit ihrer naturalistischen Auffassung empfindet das Auge um so peinlicher ihren Anspruch, wirklich da zu sitzen, wo kein menschliches Wesen sitzen kann. (S. Peter in Rom;e S. Ambrogio in Genua etc.) Bloss gemalte Figuren desselben natu- ralistischen Styles (z. B. diejenigen des Spagnoletto in S. Martino zuf Neapel) sind an dieser Stelle erträglicher, weil sie wenigstens hinter dem Bogen sitzend gedacht sind und nicht herunter zu fallen drohen. -- In der Folge überlud der Barockstyl noch alle Gesimse, nament-
B. Cicerone. 25
Interieurs. Incrustationen. Sculpturen.
von S. Carlo in Genua; Capellen in allen reichern Kirchen Roms.) Ina S. Peter zu Rom füllte Bernini (S. 339) die untere Ordnung vollends mit Reliefzierrathen in Mosaik an.
Den reichsten Schmuck erhielten insgemein die Theile, welche dem Auge die nächsten waren, Sockel, Piedestale von Altarsäulen etc. (Mosaikwappen der Mediceischen Capelle in Florenz, in S. Ambrogiob in Genua etc.; Capellenschranken in S. Martino zu Neapel). Wer aber die Stoffe nicht hatte, ahmte sie in Scagliola oder Stuck- marmor nach, wenn nicht an den Bautheilen selbst, doch wenig- stens an den Altären. Welch undankbare Opfer man sich doch bisweilen auferlegte, lehrt z. B. die Jesuitenkirche in Venedig. Das Teppich-c muster, grüngrau auf weiss, welches die Flächen zwischen den Pi- lastern, ja auch die Säulen im Chor deckt, wird Niemand beim ersten Blick für etwas Anderes, als für eine aufgemalte Decoration halten. Dann denkt man vielleicht an Stucco oder Scagliola, bis das Auge sich zuletzt überzeugt, dass es sich um ein unendlich kostspieliges Marmormosaik handelt.
Zu dieser Art von Polychromie wollte dann das Plastische nur noch im derbsten Ausdruck passen. Die antike Architektur hatte die Bogenfüllungen mit Relieffiguren, z. B. am Titusbogen mit Victo- rien beseelt, an welchen man nicht bloss den herrlichsten plastischen Styl, sondern die vollkommenste Harmonie der Anordnung und des Reliefmasses mit den Bauformen bewundert. Die Renaissance ahmte dergleichen zuerst schön und massvoll (Altar Alexanders VI in derd Sacristei von S. M. del Popolo), dann mit kecker Umwandlung des Reliefs beinahe in Freisculptur (Jac. Sansovino’s Biblioteca, S. 326) nach. Der Barockstyl aber gab auch die Harmonie mit der Form der Bogenfüllung Preis und liess grosse allegorische Figuren in dieselbe hineinsitzen, so gut es ging. Mit ihrer naturalistischen Auffassung empfindet das Auge um so peinlicher ihren Anspruch, wirklich da zu sitzen, wo kein menschliches Wesen sitzen kann. (S. Peter in Rom;e S. Ambrogio in Genua etc.) Bloss gemalte Figuren desselben natu- ralistischen Styles (z. B. diejenigen des Spagnoletto in S. Martino zuf Neapel) sind an dieser Stelle erträglicher, weil sie wenigstens hinter dem Bogen sitzend gedacht sind und nicht herunter zu fallen drohen. — In der Folge überlud der Barockstyl noch alle Gesimse, nament-
B. Cicerone. 25
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[385/0407]
Interieurs. Incrustationen. Sculpturen.
von S. Carlo in Genua; Capellen in allen reichern Kirchen Roms.) In
S. Peter zu Rom füllte Bernini (S. 339) die untere Ordnung vollends
mit Reliefzierrathen in Mosaik an.
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Den reichsten Schmuck erhielten insgemein die Theile, welche
dem Auge die nächsten waren, Sockel, Piedestale von Altarsäulen etc.
(Mosaikwappen der Mediceischen Capelle in Florenz, in S. Ambrogio
in Genua etc.; Capellenschranken in S. Martino zu Neapel). Wer
aber die Stoffe nicht hatte, ahmte sie in Scagliola oder Stuck-
marmor nach, wenn nicht an den Bautheilen selbst, doch wenig-
stens an den Altären. Welch undankbare Opfer man sich doch bisweilen
auferlegte, lehrt z. B. die Jesuitenkirche in Venedig. Das Teppich-
muster, grüngrau auf weiss, welches die Flächen zwischen den Pi-
lastern, ja auch die Säulen im Chor deckt, wird Niemand beim ersten
Blick für etwas Anderes, als für eine aufgemalte Decoration halten.
Dann denkt man vielleicht an Stucco oder Scagliola, bis das Auge
sich zuletzt überzeugt, dass es sich um ein unendlich kostspieliges
Marmormosaik handelt.
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Zu dieser Art von Polychromie wollte dann das Plastische
nur noch im derbsten Ausdruck passen. Die antike Architektur hatte
die Bogenfüllungen mit Relieffiguren, z. B. am Titusbogen mit Victo-
rien beseelt, an welchen man nicht bloss den herrlichsten plastischen
Styl, sondern die vollkommenste Harmonie der Anordnung und des
Reliefmasses mit den Bauformen bewundert. Die Renaissance ahmte
dergleichen zuerst schön und massvoll (Altar Alexanders VI in der
Sacristei von S. M. del Popolo), dann mit kecker Umwandlung des
Reliefs beinahe in Freisculptur (Jac. Sansovino’s Biblioteca, S. 326)
nach. Der Barockstyl aber gab auch die Harmonie mit der Form der
Bogenfüllung Preis und liess grosse allegorische Figuren in dieselbe
hineinsitzen, so gut es ging. Mit ihrer naturalistischen Auffassung
empfindet das Auge um so peinlicher ihren Anspruch, wirklich da zu
sitzen, wo kein menschliches Wesen sitzen kann. (S. Peter in Rom;
S. Ambrogio in Genua etc.) Bloss gemalte Figuren desselben natu-
ralistischen Styles (z. B. diejenigen des Spagnoletto in S. Martino zu
Neapel) sind an dieser Stelle erträglicher, weil sie wenigstens hinter
dem Bogen sitzend gedacht sind und nicht herunter zu fallen drohen.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/407>, abgerufen am 05.12.2024.
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