Beine und Gewänder einzelner Figuren über den gegebenen Rahmen hervorragen (auf vorgesetzten ausgeschnittenen Blechstücken). Die Figuren der Kuppelpendentifs z. B. sind seitdem in der Regel mit solchen Auswüchsen behaftet. Ganz drollig wird aber die Prätension auf Täuschung, wenn einzelne Engelchen und allegorische Personen ganz aus dem Rahmen herausgeschwebt sind und nun, an irgend einem Pilaster weislich festgenietet, ihre blechernen Füsse und Flügel über die architektonischen Profile hinausstrecken. Wen dergleichen inter- essirt, der durchgehe die Kuppelchen der Nebenschiffe in S. Am-a brogio zu Genua, einer der belehrendsten Kirchen im Guten wie im Schlimmen.
Von dieser Art und Massenhaftigkeit ist die Decoration, welche "zusammenwirken" soll. Es ist überflüssig, näher zu erörtern, wie hier Eines das Andere übertönt und aufhebt, wie die einzelnen Theile, jeder von besondern Präcedentien aus, ihrer besondern Entartung entgegeneilen und wie sie einander gegenseitig demoralisiren, die Farbe die bauliche und die plastische Form und umgekehrt. Keines nimmt Rücksicht auf die Mass- und Gradverhältnisse der andern.
Und doch sind Wohlräumigkeit und gedämpftes Oberlicht so mächtige Dinge, dass man in manchen dieser Kirchen mit Vergnügen verweilen kann. Selbst die decorative Überladung hat ihre gute Seite: sie giebt das Gefühl eines sorglosen Reichthums; man hält sie für lauter Improvisation höchst begabter Menschen, welche sich nur eben diessmal hätten gedankenlos gehen lassen. Die geschichtliche Betrachtung modificirt freilich diess Vorurtheil.
Die übelsten Eigenschaften des Styls culminiren allerdings in dem centralen Prachtstück der Kirchen: dem Hochaltar, und in den Al- tären überhaupt. Der Wandaltar, zur Zeit der Renaissance so oft ein Kunstwerk hohen Ranges, verarmt hauptsächlich in Rom durch den Gebrauch äusserst kostbarer Steinarten zu einem colossalen, form- losen Rahmen mit Säulenstellungen. (Cap. Pauls V in S. M. maggiore;b linkes Querschiff des Laterans etc.) Gegen die Mitte des XVII. Jahr- hunderts nimmt er dann die borrominesken Schwingungen des Grund- plans, die Brechungen und Schneckenlinien des Giebels an, welche
Decorationsmalereien. Das Ensemble. Altäre.
Beine und Gewänder einzelner Figuren über den gegebenen Rahmen hervorragen (auf vorgesetzten ausgeschnittenen Blechstücken). Die Figuren der Kuppelpendentifs z. B. sind seitdem in der Regel mit solchen Auswüchsen behaftet. Ganz drollig wird aber die Prätension auf Täuschung, wenn einzelne Engelchen und allegorische Personen ganz aus dem Rahmen herausgeschwebt sind und nun, an irgend einem Pilaster weislich festgenietet, ihre blechernen Füsse und Flügel über die architektonischen Profile hinausstrecken. Wen dergleichen inter- essirt, der durchgehe die Kuppelchen der Nebenschiffe in S. Am-a brogio zu Genua, einer der belehrendsten Kirchen im Guten wie im Schlimmen.
Von dieser Art und Massenhaftigkeit ist die Decoration, welche „zusammenwirken“ soll. Es ist überflüssig, näher zu erörtern, wie hier Eines das Andere übertönt und aufhebt, wie die einzelnen Theile, jeder von besondern Präcedentien aus, ihrer besondern Entartung entgegeneilen und wie sie einander gegenseitig demoralisiren, die Farbe die bauliche und die plastische Form und umgekehrt. Keines nimmt Rücksicht auf die Mass- und Gradverhältnisse der andern.
Und doch sind Wohlräumigkeit und gedämpftes Oberlicht so mächtige Dinge, dass man in manchen dieser Kirchen mit Vergnügen verweilen kann. Selbst die decorative Überladung hat ihre gute Seite: sie giebt das Gefühl eines sorglosen Reichthums; man hält sie für lauter Improvisation höchst begabter Menschen, welche sich nur eben diessmal hätten gedankenlos gehen lassen. Die geschichtliche Betrachtung modificirt freilich diess Vorurtheil.
Die übelsten Eigenschaften des Styls culminiren allerdings in dem centralen Prachtstück der Kirchen: dem Hochaltar, und in den Al- tären überhaupt. Der Wandaltar, zur Zeit der Renaissance so oft ein Kunstwerk hohen Ranges, verarmt hauptsächlich in Rom durch den Gebrauch äusserst kostbarer Steinarten zu einem colossalen, form- losen Rahmen mit Säulenstellungen. (Cap. Pauls V in S. M. maggiore;b linkes Querschiff des Laterans etc.) Gegen die Mitte des XVII. Jahr- hunderts nimmt er dann die borrominesken Schwingungen des Grund- plans, die Brechungen und Schneckenlinien des Giebels an, welche
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Decorationsmalereien. Das Ensemble. Altäre.
Beine und Gewänder einzelner Figuren über den gegebenen Rahmen
hervorragen (auf vorgesetzten ausgeschnittenen Blechstücken). Die
Figuren der Kuppelpendentifs z. B. sind seitdem in der Regel mit
solchen Auswüchsen behaftet. Ganz drollig wird aber die Prätension
auf Täuschung, wenn einzelne Engelchen und allegorische Personen
ganz aus dem Rahmen herausgeschwebt sind und nun, an irgend einem
Pilaster weislich festgenietet, ihre blechernen Füsse und Flügel über
die architektonischen Profile hinausstrecken. Wen dergleichen inter-
essirt, der durchgehe die Kuppelchen der Nebenschiffe in S. Am-
brogio zu Genua, einer der belehrendsten Kirchen im Guten wie im
Schlimmen.
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Von dieser Art und Massenhaftigkeit ist die Decoration, welche
„zusammenwirken“ soll. Es ist überflüssig, näher zu erörtern, wie
hier Eines das Andere übertönt und aufhebt, wie die einzelnen Theile,
jeder von besondern Präcedentien aus, ihrer besondern Entartung
entgegeneilen und wie sie einander gegenseitig demoralisiren, die
Farbe die bauliche und die plastische Form und umgekehrt. Keines
nimmt Rücksicht auf die Mass- und Gradverhältnisse der andern.
Und doch sind Wohlräumigkeit und gedämpftes Oberlicht so
mächtige Dinge, dass man in manchen dieser Kirchen mit Vergnügen
verweilen kann. Selbst die decorative Überladung hat ihre gute
Seite: sie giebt das Gefühl eines sorglosen Reichthums; man hält sie
für lauter Improvisation höchst begabter Menschen, welche sich nur
eben diessmal hätten gedankenlos gehen lassen. Die geschichtliche
Betrachtung modificirt freilich diess Vorurtheil.
Die übelsten Eigenschaften des Styls culminiren allerdings in dem
centralen Prachtstück der Kirchen: dem Hochaltar, und in den Al-
tären überhaupt. Der Wandaltar, zur Zeit der Renaissance so oft
ein Kunstwerk hohen Ranges, verarmt hauptsächlich in Rom durch
den Gebrauch äusserst kostbarer Steinarten zu einem colossalen, form-
losen Rahmen mit Säulenstellungen. (Cap. Pauls V in S. M. maggiore;
linkes Querschiff des Laterans etc.) Gegen die Mitte des XVII. Jahr-
hunderts nimmt er dann die borrominesken Schwingungen des Grund-
plans, die Brechungen und Schneckenlinien des Giebels an, welche
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/411>, abgerufen am 05.12.2024.
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