wir freilich im Leben bei Männern reifern Alters kaum je begegnen, der aber doch seine volle innere Wahrheit hat. Die breiten, wohl- gerundeten (doch keineswegs plumpen) Formen und der stilljoviale Ausdruck des Kopfes, der heitre Blick, die charakteristischen gleich- mässigen Hauptlocken mit der Binde, sowie der ebenfalls gelockte Bart -- diess Alles ist schon in den Hermen oder Büsten zu erken- nen, deren viele Tausende in den Gärten und Häusern der Alten ge- standen haben müssen. (Eine ganze Anzahl im Garten etc. der Villaa Albani; -- vier im Palast Giustiniani zu Rom, unten; -- mehrere,b darunter auch wohl Büsten des bärtigen Hermes, in der Galeria geo-c grafica des Vatican. Vieles davon ist sehr rohe Arbeit.) Ein Prie- ster dieses Bacchus, wie üblich mit den Zügen und dem Costüm des Gottes selber dargestellt, findet sich in Villa Albani (rechts vom Pa-d last am Ende der Nebengalerie.)
Auf eine geheimnissvolle Höhe gehoben, treffen wir diesen Typus wieder in einer berühmten vaticanischen Statue (Sala della biga) mite dem Namen (wahrscheinlich des Künstlers): Sardanapallos. In ein herrliches weites Gewand gehüllt, mit der Rechten auf ein Scepter gestützt (diess unvollständig restaurirt), schaut der bejahrte Dionysos voll hoher, innerer Wonne in die von ihm beherrschte Welt. (Nahe mit diesem Werk verwandt, aber ungleich geringer: Kopf und Brustf eines bärtigen Bacchus im Museum von Neapel, Halle des Tiberius.)
Von den Söhnen des Zeus, abgerechnet die eigentlichen Götter, ist der mächtigste Herakles. In seinem Antlitz ist auch noch etwas übrig geblieben von den Zügen seines Vaters, namentlich in der Stirn (sehr auffallend in einem Kopfe des verklärten Herakles; Vatican,g Büstenzimmer); sonst herrscht darin eine jeder Mühe gewachsene Kraft und Leidenschaft vor. (Letztere in der Adlernase bisweilen ange- deutet.) Seine höchste und bleibende Kunstform erhielt Herakles durch den grossen Lysippos, zu Alexanders Zeit. Wir lernen sie kennen vor Allem in dem weltberühmten Torso des Atheners Apol-h lonios (am Eingang des Belvedere im Vatican). Nach dem Hymnus Winckelmanns und den bekannten Streitfragen über die vermuthliche
Bärtiger Dionysos. Herakles.
wir freilich im Leben bei Männern reifern Alters kaum je begegnen, der aber doch seine volle innere Wahrheit hat. Die breiten, wohl- gerundeten (doch keineswegs plumpen) Formen und der stilljoviale Ausdruck des Kopfes, der heitre Blick, die charakteristischen gleich- mässigen Hauptlocken mit der Binde, sowie der ebenfalls gelockte Bart — diess Alles ist schon in den Hermen oder Büsten zu erken- nen, deren viele Tausende in den Gärten und Häusern der Alten ge- standen haben müssen. (Eine ganze Anzahl im Garten etc. der Villaa Albani; — vier im Palast Giustiniani zu Rom, unten; — mehrere,b darunter auch wohl Büsten des bärtigen Hermes, in der Galeria geo-c grafica des Vatican. Vieles davon ist sehr rohe Arbeit.) Ein Prie- ster dieses Bacchus, wie üblich mit den Zügen und dem Costüm des Gottes selber dargestellt, findet sich in Villa Albani (rechts vom Pa-d last am Ende der Nebengalerie.)
Auf eine geheimnissvolle Höhe gehoben, treffen wir diesen Typus wieder in einer berühmten vaticanischen Statue (Sala della biga) mite dem Namen (wahrscheinlich des Künstlers): Sardanapallos. In ein herrliches weites Gewand gehüllt, mit der Rechten auf ein Scepter gestützt (diess unvollständig restaurirt), schaut der bejahrte Dionysos voll hoher, innerer Wonne in die von ihm beherrschte Welt. (Nahe mit diesem Werk verwandt, aber ungleich geringer: Kopf und Brustf eines bärtigen Bacchus im Museum von Neapel, Halle des Tiberius.)
Von den Söhnen des Zeus, abgerechnet die eigentlichen Götter, ist der mächtigste Herakles. In seinem Antlitz ist auch noch etwas übrig geblieben von den Zügen seines Vaters, namentlich in der Stirn (sehr auffallend in einem Kopfe des verklärten Herakles; Vatican,g Büstenzimmer); sonst herrscht darin eine jeder Mühe gewachsene Kraft und Leidenschaft vor. (Letztere in der Adlernase bisweilen ange- deutet.) Seine höchste und bleibende Kunstform erhielt Herakles durch den grossen Lysippos, zu Alexanders Zeit. Wir lernen sie kennen vor Allem in dem weltberühmten Torso des Atheners Apol-h lonios (am Eingang des Belvedere im Vatican). Nach dem Hymnus Winckelmanns und den bekannten Streitfragen über die vermuthliche
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Bärtiger Dionysos. Herakles.
wir freilich im Leben bei Männern reifern Alters kaum je begegnen,
der aber doch seine volle innere Wahrheit hat. Die breiten, wohl-
gerundeten (doch keineswegs plumpen) Formen und der stilljoviale
Ausdruck des Kopfes, der heitre Blick, die charakteristischen gleich-
mässigen Hauptlocken mit der Binde, sowie der ebenfalls gelockte
Bart — diess Alles ist schon in den Hermen oder Büsten zu erken-
nen, deren viele Tausende in den Gärten und Häusern der Alten ge-
standen haben müssen. (Eine ganze Anzahl im Garten etc. der Villa
Albani; — vier im Palast Giustiniani zu Rom, unten; — mehrere,
darunter auch wohl Büsten des bärtigen Hermes, in der Galeria geo-
grafica des Vatican. Vieles davon ist sehr rohe Arbeit.) Ein Prie-
ster dieses Bacchus, wie üblich mit den Zügen und dem Costüm des
Gottes selber dargestellt, findet sich in Villa Albani (rechts vom Pa-
last am Ende der Nebengalerie.)
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Auf eine geheimnissvolle Höhe gehoben, treffen wir diesen Typus
wieder in einer berühmten vaticanischen Statue (Sala della biga) mit
dem Namen (wahrscheinlich des Künstlers): Sardanapallos. In
ein herrliches weites Gewand gehüllt, mit der Rechten auf ein Scepter
gestützt (diess unvollständig restaurirt), schaut der bejahrte Dionysos
voll hoher, innerer Wonne in die von ihm beherrschte Welt. (Nahe
mit diesem Werk verwandt, aber ungleich geringer: Kopf und Brust
eines bärtigen Bacchus im Museum von Neapel, Halle des Tiberius.)
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Von den Söhnen des Zeus, abgerechnet die eigentlichen Götter,
ist der mächtigste Herakles. In seinem Antlitz ist auch noch etwas
übrig geblieben von den Zügen seines Vaters, namentlich in der Stirn
(sehr auffallend in einem Kopfe des verklärten Herakles; Vatican,
Büstenzimmer); sonst herrscht darin eine jeder Mühe gewachsene
Kraft und Leidenschaft vor. (Letztere in der Adlernase bisweilen ange-
deutet.) Seine höchste und bleibende Kunstform erhielt Herakles
durch den grossen Lysippos, zu Alexanders Zeit. Wir lernen sie
kennen vor Allem in dem weltberühmten Torso des Atheners Apol-
lonios (am Eingang des Belvedere im Vatican). Nach dem Hymnus
Winckelmanns und den bekannten Streitfragen über die vermuthliche
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/445>, abgerufen am 05.12.2024.
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