zwei Millionen Seelen wie London, die über die Schätze einer Welt verfügt, meist aus demselben Fluss ihr Getränk beziehen muss, unter welchem sie Strassen und Eisenbahnen hindurchzuführen die Mittel hat? Zur römischen Zeit war jede Provinzialstadt besser daran, und noch das jetzige Rom mit seinen bloss drei Aquäducten ist an Zierwasser ohne Vergleich die erste Stadt der Welt und steht in Beziehung auf das Trinkwasser wenigstens keiner andern nach.
Stadtmauern, Strassen und Brücken der Römer sind, wenn auch schlicht in der Form, doch durch denselben Typus der Unver- gänglichkeit ausgezeichnet. Es muss eines furchtbaren, tausendjähri- gen Zerstörungssinnes bedurft haben, um auch diese Bauten auf die Reste herunterzubringen, welche wir jetzt vor uns sehen. (Unter den aBrücken am merkwürdigsten die gewaltigen Reste zu Narni; an den- jenigen in Rom trägt auch das erhaltenene Antike eine moderne Be- kleidung.) Von den öffentlichen Bauten der Römer überhaupt stände gewiss noch weit das Meiste aufrecht, wenn bloss die Elemente und nicht die Menschenhand darüber ergangen wäre. Gebäude, welche das Glück hatten, bei Zeiten vergessen zu werden, wie z. B. manche in Arabien und Syrien, sind desshalb ohne Vergleich besser erhalten.
Die Bauten des öffentlichen Verkehrs sind leider in Be- treff ihrer Kunstform mehr ein Gegenstand der Alterthumsforschung als des künstlerischen Genusses; so gering stellen sich die Reste dar, mit welchen wir es hier ausschliesslich zu thun habe.
b
Im höchsten Grade ist diess zu beklagen bei dem Porticus der Octavia, Schwester des Augustus, am Ghetto zu Rom. Hier, wenn irgendwo, muss der bewusste Unterschied der Behandlung zwischen Tempelhallen und Hallen für den täglichen Verkehr schön und ernst durchgeführt gewesen sein. Beim gegenwärtigen Zustand des einzig übrigen Bruchstückes, wo man schon durch einen antiken Umbau irre gemacht wird, gewährt wenigstens der Contrast des Alten mit seiner Umgebung noch einen malerischen Genuss.
Von dem Forum romanum, wie es zur Zeit der Republik war, cals Platz mit Hallen und Buden, giebt das Forum von Pompeji einen wenn auch entfernten Begriff. Was in Herculanum das Fo- rum heisst, möchte doch wohl für die bedeutende Stadt als Hauptplatz
Architektur. Brücken. Portiken. Fora.
zwei Millionen Seelen wie London, die über die Schätze einer Welt verfügt, meist aus demselben Fluss ihr Getränk beziehen muss, unter welchem sie Strassen und Eisenbahnen hindurchzuführen die Mittel hat? Zur römischen Zeit war jede Provinzialstadt besser daran, und noch das jetzige Rom mit seinen bloss drei Aquäducten ist an Zierwasser ohne Vergleich die erste Stadt der Welt und steht in Beziehung auf das Trinkwasser wenigstens keiner andern nach.
Stadtmauern, Strassen und Brücken der Römer sind, wenn auch schlicht in der Form, doch durch denselben Typus der Unver- gänglichkeit ausgezeichnet. Es muss eines furchtbaren, tausendjähri- gen Zerstörungssinnes bedurft haben, um auch diese Bauten auf die Reste herunterzubringen, welche wir jetzt vor uns sehen. (Unter den aBrücken am merkwürdigsten die gewaltigen Reste zu Narni; an den- jenigen in Rom trägt auch das erhaltenene Antike eine moderne Be- kleidung.) Von den öffentlichen Bauten der Römer überhaupt stände gewiss noch weit das Meiste aufrecht, wenn bloss die Elemente und nicht die Menschenhand darüber ergangen wäre. Gebäude, welche das Glück hatten, bei Zeiten vergessen zu werden, wie z. B. manche in Arabien und Syrien, sind desshalb ohne Vergleich besser erhalten.
Die Bauten des öffentlichen Verkehrs sind leider in Be- treff ihrer Kunstform mehr ein Gegenstand der Alterthumsforschung als des künstlerischen Genusses; so gering stellen sich die Reste dar, mit welchen wir es hier ausschliesslich zu thun habe.
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Im höchsten Grade ist diess zu beklagen bei dem Porticus der Octavia, Schwester des Augustus, am Ghetto zu Rom. Hier, wenn irgendwo, muss der bewusste Unterschied der Behandlung zwischen Tempelhallen und Hallen für den täglichen Verkehr schön und ernst durchgeführt gewesen sein. Beim gegenwärtigen Zustand des einzig übrigen Bruchstückes, wo man schon durch einen antiken Umbau irre gemacht wird, gewährt wenigstens der Contrast des Alten mit seiner Umgebung noch einen malerischen Genuss.
Von dem Forum romanum, wie es zur Zeit der Republik war, cals Platz mit Hallen und Buden, giebt das Forum von Pompeji einen wenn auch entfernten Begriff. Was in Herculanum das Fo- rum heisst, möchte doch wohl für die bedeutende Stadt als Hauptplatz
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Architektur. Brücken. Portiken. Fora.
zwei Millionen Seelen wie London, die über die Schätze einer Welt
verfügt, meist aus demselben Fluss ihr Getränk beziehen muss, unter
welchem sie Strassen und Eisenbahnen hindurchzuführen die Mittel hat?
Zur römischen Zeit war jede Provinzialstadt besser daran, und noch
das jetzige Rom mit seinen bloss drei Aquäducten ist an Zierwasser
ohne Vergleich die erste Stadt der Welt und steht in Beziehung auf
das Trinkwasser wenigstens keiner andern nach.
Stadtmauern, Strassen und Brücken der Römer sind, wenn
auch schlicht in der Form, doch durch denselben Typus der Unver-
gänglichkeit ausgezeichnet. Es muss eines furchtbaren, tausendjähri-
gen Zerstörungssinnes bedurft haben, um auch diese Bauten auf die
Reste herunterzubringen, welche wir jetzt vor uns sehen. (Unter den
Brücken am merkwürdigsten die gewaltigen Reste zu Narni; an den-
jenigen in Rom trägt auch das erhaltenene Antike eine moderne Be-
kleidung.) Von den öffentlichen Bauten der Römer überhaupt stände
gewiss noch weit das Meiste aufrecht, wenn bloss die Elemente und
nicht die Menschenhand darüber ergangen wäre. Gebäude, welche das
Glück hatten, bei Zeiten vergessen zu werden, wie z. B. manche in
Arabien und Syrien, sind desshalb ohne Vergleich besser erhalten.
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Die Bauten des öffentlichen Verkehrs sind leider in Be-
treff ihrer Kunstform mehr ein Gegenstand der Alterthumsforschung als
des künstlerischen Genusses; so gering stellen sich die Reste dar, mit
welchen wir es hier ausschliesslich zu thun habe.
Im höchsten Grade ist diess zu beklagen bei dem Porticus der
Octavia, Schwester des Augustus, am Ghetto zu Rom. Hier, wenn
irgendwo, muss der bewusste Unterschied der Behandlung zwischen
Tempelhallen und Hallen für den täglichen Verkehr schön und ernst
durchgeführt gewesen sein. Beim gegenwärtigen Zustand des einzig
übrigen Bruchstückes, wo man schon durch einen antiken Umbau irre
gemacht wird, gewährt wenigstens der Contrast des Alten mit seiner
Umgebung noch einen malerischen Genuss.
Von dem Forum romanum, wie es zur Zeit der Republik war,
als Platz mit Hallen und Buden, giebt das Forum von Pompeji
einen wenn auch entfernten Begriff. Was in Herculanum das Fo-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/60>, abgerufen am 04.12.2024.
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