des Thrones gehören ebensosehr der Weise des Frate als der Rafaels an; von den beiden Engeln oben ist der schönere aus dem Fresco von S. Maria della Pace in Rom offenbar entlehnt, woraus hervorgeht, dass der erste Vollender jedenfalls erst nach 1514 über das Bild kam.
In seinen florentinischen Bildnissen steht Rafael schon als der grosse Historienmaler da, der aus dem Zufälligen das Charakteri- stische, aus dem Vorübergehenden das Ewige auszuscheiden weiss. Vielleicht an dieser Stelle zeigt sich der einzige kenntliche Einfluss Lionardo's auf Rafael, sowohl in der Auffassung als in demjenigen Fleiss der Modellirung, welchem kein Detail der Form zu gering ist, sobald es sich um den ganzen und vollen Charakter handelt. Wenn awir von zwei sehr schönen Köpfen andächtiger Mönche in der flor. Academie (Saal der kleinen Bilder) absehen, welche noch aus der ersten florent. Periode sein könnten, so wären die Bildnisse des An- bgelo und der Maddalena Doni (im Pal. Pitti) seine frühsten be- kannten Arbeiten dieser Gattung (1505). Dasjenige der Frau zeigt einen unverkennbaren Anklang an die Gioconda Lionardo's (im Louvre), nicht bloss in den Äusserlichkeiten, sondern dem innersten Kerne nach. Manches ist noch unfrei, z. B. die Stellung der Hände, auch die Farbe, allein die Auffassung des Charakters und die Haltung ist völ- lig unbefangen. Von allen Zeitgenossen hätten nur wiederum Lionardo und etwa Giorgione damals etwas ebenso Werthvolles hervorbringen können.
c
Das Bildniss in der Tribuna der Uffizien, welches ebenfalls Mad- dalena Doni heisst, dem andern Bild aber wie eine ältere, etwas leidende Schwester gleicht, möchte wohl früher, etwa bald nach der Ankunft in Florenz gemalt sein, als R. noch peruginischer dachte und die Gioconda noch nicht kannte. Es ist ein so herrliches und (z. B. in der Anordnung der Hände) bedeutendes Bild, dass die Zweifel an der Echtheit kaum berechtigt scheinen. Unzweifelhaft echt ist jeden- dfalls R.'s eigenes Porträt in der Sammlung der Malerbildnisse ebenda (vom Jahr 1506?), von leichter, anmuthiger Haltung und höchst meisterhafter Malerei. -- Endlich enthält die Galerie Pitti (unter N. 229, Saal der Iliade) das Bildniss einer Frau von etwa 35 Jahren,
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
des Thrones gehören ebensosehr der Weise des Frate als der Rafaels an; von den beiden Engeln oben ist der schönere aus dem Fresco von S. Maria della Pace in Rom offenbar entlehnt, woraus hervorgeht, dass der erste Vollender jedenfalls erst nach 1514 über das Bild kam.
In seinen florentinischen Bildnissen steht Rafael schon als der grosse Historienmaler da, der aus dem Zufälligen das Charakteri- stische, aus dem Vorübergehenden das Ewige auszuscheiden weiss. Vielleicht an dieser Stelle zeigt sich der einzige kenntliche Einfluss Lionardo’s auf Rafael, sowohl in der Auffassung als in demjenigen Fleiss der Modellirung, welchem kein Detail der Form zu gering ist, sobald es sich um den ganzen und vollen Charakter handelt. Wenn awir von zwei sehr schönen Köpfen andächtiger Mönche in der flor. Academie (Saal der kleinen Bilder) absehen, welche noch aus der ersten florent. Periode sein könnten, so wären die Bildnisse des An- bgelo und der Maddalena Doni (im Pal. Pitti) seine frühsten be- kannten Arbeiten dieser Gattung (1505). Dasjenige der Frau zeigt einen unverkennbaren Anklang an die Gioconda Lionardo’s (im Louvre), nicht bloss in den Äusserlichkeiten, sondern dem innersten Kerne nach. Manches ist noch unfrei, z. B. die Stellung der Hände, auch die Farbe, allein die Auffassung des Charakters und die Haltung ist völ- lig unbefangen. Von allen Zeitgenossen hätten nur wiederum Lionardo und etwa Giorgione damals etwas ebenso Werthvolles hervorbringen können.
c
Das Bildniss in der Tribuna der Uffizien, welches ebenfalls Mad- dalena Doni heisst, dem andern Bild aber wie eine ältere, etwas leidende Schwester gleicht, möchte wohl früher, etwa bald nach der Ankunft in Florenz gemalt sein, als R. noch peruginischer dachte und die Gioconda noch nicht kannte. Es ist ein so herrliches und (z. B. in der Anordnung der Hände) bedeutendes Bild, dass die Zweifel an der Echtheit kaum berechtigt scheinen. Unzweifelhaft echt ist jeden- dfalls R.’s eigenes Porträt in der Sammlung der Malerbildnisse ebenda (vom Jahr 1506?), von leichter, anmuthiger Haltung und höchst meisterhafter Malerei. — Endlich enthält die Galerie Pitti (unter N. 229, Saal der Iliade) das Bildniss einer Frau von etwa 35 Jahren,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0918"n="896"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.</hi></fw><lb/>
des Thrones gehören ebensosehr der Weise des Frate als der Rafaels<lb/>
an; von den beiden Engeln oben ist der schönere aus dem Fresco von<lb/>
S. Maria della Pace in Rom offenbar entlehnt, woraus hervorgeht,<lb/>
dass der erste Vollender jedenfalls erst nach 1514 über das Bild kam.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>In seinen florentinischen <hirendition="#g">Bildnissen</hi> steht Rafael schon als der<lb/>
grosse Historienmaler da, der aus dem Zufälligen das Charakteri-<lb/>
stische, aus dem Vorübergehenden das Ewige auszuscheiden weiss.<lb/>
Vielleicht an dieser Stelle zeigt sich der einzige kenntliche Einfluss<lb/>
Lionardo’s auf Rafael, sowohl in der Auffassung als in demjenigen<lb/>
Fleiss der Modellirung, welchem kein Detail der Form zu gering ist,<lb/>
sobald es sich um den ganzen und vollen Charakter handelt. Wenn<lb/><noteplace="left">a</note>wir von zwei sehr schönen Köpfen andächtiger Mönche in der flor.<lb/>
Academie (Saal der kleinen Bilder) absehen, welche noch aus der<lb/>
ersten florent. Periode sein könnten, so wären die Bildnisse des <hirendition="#g">An-</hi><lb/><noteplace="left">b</note><hirendition="#g">gelo</hi> und der <hirendition="#g">Maddalena Doni</hi> (im Pal. Pitti) seine frühsten be-<lb/>
kannten Arbeiten dieser Gattung (1505). Dasjenige der Frau zeigt<lb/>
einen unverkennbaren Anklang an die Gioconda Lionardo’s (im Louvre),<lb/>
nicht bloss in den Äusserlichkeiten, sondern dem innersten Kerne nach.<lb/>
Manches ist noch unfrei, z. B. die Stellung der Hände, auch die<lb/>
Farbe, allein die Auffassung des Charakters und die Haltung ist völ-<lb/>
lig unbefangen. Von allen Zeitgenossen hätten nur wiederum Lionardo<lb/>
und etwa Giorgione damals etwas ebenso Werthvolles hervorbringen<lb/>
können.</p><lb/><noteplace="left">c</note><p>Das Bildniss in der Tribuna der Uffizien, welches ebenfalls <hirendition="#g">Mad-<lb/>
dalena Doni</hi> heisst, dem andern Bild aber wie eine ältere, etwas<lb/>
leidende Schwester gleicht, möchte wohl früher, etwa bald nach der<lb/>
Ankunft in Florenz gemalt sein, als R. noch peruginischer dachte und<lb/>
die Gioconda noch nicht kannte. Es ist ein so herrliches und (z. B.<lb/>
in der Anordnung der Hände) bedeutendes Bild, dass die Zweifel an<lb/>
der Echtheit kaum berechtigt scheinen. Unzweifelhaft echt ist jeden-<lb/><noteplace="left">d</note>falls R.’s <hirendition="#g">eigenes Porträt</hi> in der Sammlung der Malerbildnisse<lb/>
ebenda (vom Jahr 1506?), von leichter, anmuthiger Haltung und höchst<lb/>
meisterhafter Malerei. — Endlich enthält die Galerie Pitti (unter N.<lb/>
229, Saal der Iliade) das <hirendition="#g">Bildniss einer Frau</hi> von etwa 35 Jahren,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[896/0918]
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
des Thrones gehören ebensosehr der Weise des Frate als der Rafaels
an; von den beiden Engeln oben ist der schönere aus dem Fresco von
S. Maria della Pace in Rom offenbar entlehnt, woraus hervorgeht,
dass der erste Vollender jedenfalls erst nach 1514 über das Bild kam.
In seinen florentinischen Bildnissen steht Rafael schon als der
grosse Historienmaler da, der aus dem Zufälligen das Charakteri-
stische, aus dem Vorübergehenden das Ewige auszuscheiden weiss.
Vielleicht an dieser Stelle zeigt sich der einzige kenntliche Einfluss
Lionardo’s auf Rafael, sowohl in der Auffassung als in demjenigen
Fleiss der Modellirung, welchem kein Detail der Form zu gering ist,
sobald es sich um den ganzen und vollen Charakter handelt. Wenn
wir von zwei sehr schönen Köpfen andächtiger Mönche in der flor.
Academie (Saal der kleinen Bilder) absehen, welche noch aus der
ersten florent. Periode sein könnten, so wären die Bildnisse des An-
gelo und der Maddalena Doni (im Pal. Pitti) seine frühsten be-
kannten Arbeiten dieser Gattung (1505). Dasjenige der Frau zeigt
einen unverkennbaren Anklang an die Gioconda Lionardo’s (im Louvre),
nicht bloss in den Äusserlichkeiten, sondern dem innersten Kerne nach.
Manches ist noch unfrei, z. B. die Stellung der Hände, auch die
Farbe, allein die Auffassung des Charakters und die Haltung ist völ-
lig unbefangen. Von allen Zeitgenossen hätten nur wiederum Lionardo
und etwa Giorgione damals etwas ebenso Werthvolles hervorbringen
können.
a
b
Das Bildniss in der Tribuna der Uffizien, welches ebenfalls Mad-
dalena Doni heisst, dem andern Bild aber wie eine ältere, etwas
leidende Schwester gleicht, möchte wohl früher, etwa bald nach der
Ankunft in Florenz gemalt sein, als R. noch peruginischer dachte und
die Gioconda noch nicht kannte. Es ist ein so herrliches und (z. B.
in der Anordnung der Hände) bedeutendes Bild, dass die Zweifel an
der Echtheit kaum berechtigt scheinen. Unzweifelhaft echt ist jeden-
falls R.’s eigenes Porträt in der Sammlung der Malerbildnisse
ebenda (vom Jahr 1506?), von leichter, anmuthiger Haltung und höchst
meisterhafter Malerei. — Endlich enthält die Galerie Pitti (unter N.
229, Saal der Iliade) das Bildniss einer Frau von etwa 35 Jahren,
d
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 896. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/918>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.