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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
des Thrones gehören ebensosehr der Weise des Frate als der Rafaels
an; von den beiden Engeln oben ist der schönere aus dem Fresco von
S. Maria della Pace in Rom offenbar entlehnt, woraus hervorgeht,
dass der erste Vollender jedenfalls erst nach 1514 über das Bild kam.


In seinen florentinischen Bildnissen steht Rafael schon als der
grosse Historienmaler da, der aus dem Zufälligen das Charakteri-
stische, aus dem Vorübergehenden das Ewige auszuscheiden weiss.
Vielleicht an dieser Stelle zeigt sich der einzige kenntliche Einfluss
Lionardo's auf Rafael, sowohl in der Auffassung als in demjenigen
Fleiss der Modellirung, welchem kein Detail der Form zu gering ist,
sobald es sich um den ganzen und vollen Charakter handelt. Wenn
awir von zwei sehr schönen Köpfen andächtiger Mönche in der flor.
Academie (Saal der kleinen Bilder) absehen, welche noch aus der
ersten florent. Periode sein könnten, so wären die Bildnisse des An-
bgelo und der Maddalena Doni (im Pal. Pitti) seine frühsten be-
kannten Arbeiten dieser Gattung (1505). Dasjenige der Frau zeigt
einen unverkennbaren Anklang an die Gioconda Lionardo's (im Louvre),
nicht bloss in den Äusserlichkeiten, sondern dem innersten Kerne nach.
Manches ist noch unfrei, z. B. die Stellung der Hände, auch die
Farbe, allein die Auffassung des Charakters und die Haltung ist völ-
lig unbefangen. Von allen Zeitgenossen hätten nur wiederum Lionardo
und etwa Giorgione damals etwas ebenso Werthvolles hervorbringen
können.

c

Das Bildniss in der Tribuna der Uffizien, welches ebenfalls Mad-
dalena Doni
heisst, dem andern Bild aber wie eine ältere, etwas
leidende Schwester gleicht, möchte wohl früher, etwa bald nach der
Ankunft in Florenz gemalt sein, als R. noch peruginischer dachte und
die Gioconda noch nicht kannte. Es ist ein so herrliches und (z. B.
in der Anordnung der Hände) bedeutendes Bild, dass die Zweifel an
der Echtheit kaum berechtigt scheinen. Unzweifelhaft echt ist jeden-
dfalls R.'s eigenes Porträt in der Sammlung der Malerbildnisse
ebenda (vom Jahr 1506?), von leichter, anmuthiger Haltung und höchst
meisterhafter Malerei. -- Endlich enthält die Galerie Pitti (unter N.
229, Saal der Iliade) das Bildniss einer Frau von etwa 35 Jahren,

Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
des Thrones gehören ebensosehr der Weise des Frate als der Rafaels
an; von den beiden Engeln oben ist der schönere aus dem Fresco von
S. Maria della Pace in Rom offenbar entlehnt, woraus hervorgeht,
dass der erste Vollender jedenfalls erst nach 1514 über das Bild kam.


In seinen florentinischen Bildnissen steht Rafael schon als der
grosse Historienmaler da, der aus dem Zufälligen das Charakteri-
stische, aus dem Vorübergehenden das Ewige auszuscheiden weiss.
Vielleicht an dieser Stelle zeigt sich der einzige kenntliche Einfluss
Lionardo’s auf Rafael, sowohl in der Auffassung als in demjenigen
Fleiss der Modellirung, welchem kein Detail der Form zu gering ist,
sobald es sich um den ganzen und vollen Charakter handelt. Wenn
awir von zwei sehr schönen Köpfen andächtiger Mönche in der flor.
Academie (Saal der kleinen Bilder) absehen, welche noch aus der
ersten florent. Periode sein könnten, so wären die Bildnisse des An-
bgelo und der Maddalena Doni (im Pal. Pitti) seine frühsten be-
kannten Arbeiten dieser Gattung (1505). Dasjenige der Frau zeigt
einen unverkennbaren Anklang an die Gioconda Lionardo’s (im Louvre),
nicht bloss in den Äusserlichkeiten, sondern dem innersten Kerne nach.
Manches ist noch unfrei, z. B. die Stellung der Hände, auch die
Farbe, allein die Auffassung des Charakters und die Haltung ist völ-
lig unbefangen. Von allen Zeitgenossen hätten nur wiederum Lionardo
und etwa Giorgione damals etwas ebenso Werthvolles hervorbringen
können.

c

Das Bildniss in der Tribuna der Uffizien, welches ebenfalls Mad-
dalena Doni
heisst, dem andern Bild aber wie eine ältere, etwas
leidende Schwester gleicht, möchte wohl früher, etwa bald nach der
Ankunft in Florenz gemalt sein, als R. noch peruginischer dachte und
die Gioconda noch nicht kannte. Es ist ein so herrliches und (z. B.
in der Anordnung der Hände) bedeutendes Bild, dass die Zweifel an
der Echtheit kaum berechtigt scheinen. Unzweifelhaft echt ist jeden-
dfalls R.’s eigenes Porträt in der Sammlung der Malerbildnisse
ebenda (vom Jahr 1506?), von leichter, anmuthiger Haltung und höchst
meisterhafter Malerei. — Endlich enthält die Galerie Pitti (unter N.
229, Saal der Iliade) das Bildniss einer Frau von etwa 35 Jahren,

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[896/0918] Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael. des Thrones gehören ebensosehr der Weise des Frate als der Rafaels an; von den beiden Engeln oben ist der schönere aus dem Fresco von S. Maria della Pace in Rom offenbar entlehnt, woraus hervorgeht, dass der erste Vollender jedenfalls erst nach 1514 über das Bild kam. In seinen florentinischen Bildnissen steht Rafael schon als der grosse Historienmaler da, der aus dem Zufälligen das Charakteri- stische, aus dem Vorübergehenden das Ewige auszuscheiden weiss. Vielleicht an dieser Stelle zeigt sich der einzige kenntliche Einfluss Lionardo’s auf Rafael, sowohl in der Auffassung als in demjenigen Fleiss der Modellirung, welchem kein Detail der Form zu gering ist, sobald es sich um den ganzen und vollen Charakter handelt. Wenn wir von zwei sehr schönen Köpfen andächtiger Mönche in der flor. Academie (Saal der kleinen Bilder) absehen, welche noch aus der ersten florent. Periode sein könnten, so wären die Bildnisse des An- gelo und der Maddalena Doni (im Pal. Pitti) seine frühsten be- kannten Arbeiten dieser Gattung (1505). Dasjenige der Frau zeigt einen unverkennbaren Anklang an die Gioconda Lionardo’s (im Louvre), nicht bloss in den Äusserlichkeiten, sondern dem innersten Kerne nach. Manches ist noch unfrei, z. B. die Stellung der Hände, auch die Farbe, allein die Auffassung des Charakters und die Haltung ist völ- lig unbefangen. Von allen Zeitgenossen hätten nur wiederum Lionardo und etwa Giorgione damals etwas ebenso Werthvolles hervorbringen können. a b Das Bildniss in der Tribuna der Uffizien, welches ebenfalls Mad- dalena Doni heisst, dem andern Bild aber wie eine ältere, etwas leidende Schwester gleicht, möchte wohl früher, etwa bald nach der Ankunft in Florenz gemalt sein, als R. noch peruginischer dachte und die Gioconda noch nicht kannte. Es ist ein so herrliches und (z. B. in der Anordnung der Hände) bedeutendes Bild, dass die Zweifel an der Echtheit kaum berechtigt scheinen. Unzweifelhaft echt ist jeden- falls R.’s eigenes Porträt in der Sammlung der Malerbildnisse ebenda (vom Jahr 1506?), von leichter, anmuthiger Haltung und höchst meisterhafter Malerei. — Endlich enthält die Galerie Pitti (unter N. 229, Saal der Iliade) das Bildniss einer Frau von etwa 35 Jahren, d

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 896. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/918>, abgerufen am 05.12.2024.