eine der grossartig schönsten Figuren Rafaels. Die wahren Grenzen, innerhalb welcher die Inspiration Mehrerer darzustellen ist, sind in diesem Bilde mit einem Takt festgehalten, welcher den spätern Pfingst- festmalern völlig fremd ist.
(Leidlich erhalten und restaurirt, mit Ausnahme der roh über- malten Luft. Hr. Alboresi in Bologna besitzt eine Wiederholung dera Hauptfigur, welche von glaubwürdiger Seite als erste, höchst vortreff- liche Probe von Rafaels eigener Hand bezeichnet wird.)
Das dritte Gemälde, das letzte Rafaels, welches er unvollendet hinterliess (1520), ist die Transfiguration, in der vaticanischenb Galerie. Hier wird durch einen dramatischen Gegensatz, den man ungeheuer nennen darf, das Übernatürliche viel eindringlicher darge- stellt als alle Glorien und Visionen der ganzen übrigen Malerei diess vermocht haben. Allerdings sind zwei ganz verschiedene Scenen auf dem Bilde vereinigt, ein Wagestück, das wahrlich nicht Jedem zu rathen wäre; es geschah eben nur hier und nur zu diesem Zwecke. -- Unten am Berg die Leute, welche den besessenen Knaben gebracht haben, und die Jünger, rathlos, mitleidig, aufgeregt, selbst im Buch nach Hülfe suchend, auch lebhaft empordeutend nach dem Berg, auf wel- chen ihr Meister gegangen; der Besessene selbst vor Allem merkwür- dig als eine der wenigen Gestalten aus dem Gebiete der Nacht, die Rafael geschaffen und die beim entsetzlichsten Ausdruck doch seine hohe Mässigung so glanzvoll verräth; die jammernde Frau auf den Knieen vorn ist gleichsam ein Reflex des ganzen Vorganges.
Niemand von ihnen allen sieht was auf dem Berge vorgeht und der Bibeltext erlaubte es auch gar nicht; die Verbindung beider Scenen existirt nur im Geiste des Beschauers. Und doch wäre die eine ohne die andere unvollständig; es genügt, die Hand vor die obere oder vor die untere zu halten, um zu erkennen, wie sehr das Gemälde ein Ganzes bildet. -- Oben schwebt Christus, und wie durch eine mag- netische Kraft zu ihm hingezogen schweben auch Moses und Elias; ihre Bewegung ist keine selbständige. Unten liegen die geblendeten Jünger und links erblickt man die heil. Diacone Stephanus und Lau- rentius, wahrscheinlich nur als Patrone der Kirche, für welche das Bild ursprünglich bestimmt war. -- Form und Ausdruck des Christus sprechen eines jener grossen Geheimnisse der Kunst aus, um welche
Die h. Cäcilia. Die Transfiguration.
eine der grossartig schönsten Figuren Rafaels. Die wahren Grenzen, innerhalb welcher die Inspiration Mehrerer darzustellen ist, sind in diesem Bilde mit einem Takt festgehalten, welcher den spätern Pfingst- festmalern völlig fremd ist.
(Leidlich erhalten und restaurirt, mit Ausnahme der roh über- malten Luft. Hr. Alboresi in Bologna besitzt eine Wiederholung dera Hauptfigur, welche von glaubwürdiger Seite als erste, höchst vortreff- liche Probe von Rafaels eigener Hand bezeichnet wird.)
Das dritte Gemälde, das letzte Rafaels, welches er unvollendet hinterliess (1520), ist die Transfiguration, in der vaticanischenb Galerie. Hier wird durch einen dramatischen Gegensatz, den man ungeheuer nennen darf, das Übernatürliche viel eindringlicher darge- stellt als alle Glorien und Visionen der ganzen übrigen Malerei diess vermocht haben. Allerdings sind zwei ganz verschiedene Scenen auf dem Bilde vereinigt, ein Wagestück, das wahrlich nicht Jedem zu rathen wäre; es geschah eben nur hier und nur zu diesem Zwecke. — Unten am Berg die Leute, welche den besessenen Knaben gebracht haben, und die Jünger, rathlos, mitleidig, aufgeregt, selbst im Buch nach Hülfe suchend, auch lebhaft empordeutend nach dem Berg, auf wel- chen ihr Meister gegangen; der Besessene selbst vor Allem merkwür- dig als eine der wenigen Gestalten aus dem Gebiete der Nacht, die Rafael geschaffen und die beim entsetzlichsten Ausdruck doch seine hohe Mässigung so glanzvoll verräth; die jammernde Frau auf den Knieen vorn ist gleichsam ein Reflex des ganzen Vorganges.
Niemand von ihnen allen sieht was auf dem Berge vorgeht und der Bibeltext erlaubte es auch gar nicht; die Verbindung beider Scenen existirt nur im Geiste des Beschauers. Und doch wäre die eine ohne die andere unvollständig; es genügt, die Hand vor die obere oder vor die untere zu halten, um zu erkennen, wie sehr das Gemälde ein Ganzes bildet. — Oben schwebt Christus, und wie durch eine mag- netische Kraft zu ihm hingezogen schweben auch Moses und Elias; ihre Bewegung ist keine selbständige. Unten liegen die geblendeten Jünger und links erblickt man die heil. Diacone Stephanus und Lau- rentius, wahrscheinlich nur als Patrone der Kirche, für welche das Bild ursprünglich bestimmt war. — Form und Ausdruck des Christus sprechen eines jener grossen Geheimnisse der Kunst aus, um welche
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Die h. Cäcilia. Die Transfiguration.
eine der grossartig schönsten Figuren Rafaels. Die wahren Grenzen,
innerhalb welcher die Inspiration Mehrerer darzustellen ist, sind in
diesem Bilde mit einem Takt festgehalten, welcher den spätern Pfingst-
festmalern völlig fremd ist.
(Leidlich erhalten und restaurirt, mit Ausnahme der roh über-
malten Luft. Hr. Alboresi in Bologna besitzt eine Wiederholung der
Hauptfigur, welche von glaubwürdiger Seite als erste, höchst vortreff-
liche Probe von Rafaels eigener Hand bezeichnet wird.)
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Das dritte Gemälde, das letzte Rafaels, welches er unvollendet
hinterliess (1520), ist die Transfiguration, in der vaticanischen
Galerie. Hier wird durch einen dramatischen Gegensatz, den man
ungeheuer nennen darf, das Übernatürliche viel eindringlicher darge-
stellt als alle Glorien und Visionen der ganzen übrigen Malerei diess
vermocht haben. Allerdings sind zwei ganz verschiedene Scenen auf
dem Bilde vereinigt, ein Wagestück, das wahrlich nicht Jedem zu rathen
wäre; es geschah eben nur hier und nur zu diesem Zwecke. — Unten
am Berg die Leute, welche den besessenen Knaben gebracht haben,
und die Jünger, rathlos, mitleidig, aufgeregt, selbst im Buch nach
Hülfe suchend, auch lebhaft empordeutend nach dem Berg, auf wel-
chen ihr Meister gegangen; der Besessene selbst vor Allem merkwür-
dig als eine der wenigen Gestalten aus dem Gebiete der Nacht, die
Rafael geschaffen und die beim entsetzlichsten Ausdruck doch seine hohe
Mässigung so glanzvoll verräth; die jammernde Frau auf den Knieen
vorn ist gleichsam ein Reflex des ganzen Vorganges.
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Niemand von ihnen allen sieht was auf dem Berge vorgeht und
der Bibeltext erlaubte es auch gar nicht; die Verbindung beider Scenen
existirt nur im Geiste des Beschauers. Und doch wäre die eine ohne
die andere unvollständig; es genügt, die Hand vor die obere oder vor
die untere zu halten, um zu erkennen, wie sehr das Gemälde ein
Ganzes bildet. — Oben schwebt Christus, und wie durch eine mag-
netische Kraft zu ihm hingezogen schweben auch Moses und Elias;
ihre Bewegung ist keine selbständige. Unten liegen die geblendeten
Jünger und links erblickt man die heil. Diacone Stephanus und Lau-
rentius, wahrscheinlich nur als Patrone der Kirche, für welche das
Bild ursprünglich bestimmt war. — Form und Ausdruck des Christus
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 905. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/927>, abgerufen am 05.12.2024.
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