heroisches Leben, welches dann in den vier Bildern der Geschichte Abrahams und in den vier folgenden mit der Geschichte Isaaks seine Fülle entfaltet. Abraham mit den drei Engeln, Loth mit seinen Töch- tern fliehend, der knieende Isaak, die Scene beim König Abimelech gehören zu den schönsten Motiven Rafaels. Und doch glaubt man erst in den Bildern der Geschichte Jacobs und vollends derjenigen Josephs das Höchste innerhalb den Grenzen dieser Gattung vor sich zu haben, zumal in der Scene "Joseph vor seinen Brüdern als Traum- deuter." -- Von den acht Bildern mit der Geschichte des Moses sind die ersten noch sehr schön, und unter den spätern besonders die An- betung des goldenen Kalbes; dazwischen aber tritt mit "Moses auf Sinai", und "Moses vor der Wolkensäule" eine starke Verdunkelung ein. Vermuthlich war dem Künstler der vorgeschriebene Gegenstand zuwider; das letztere Bild kann er kaum selber componirt haben. Von den vier Bildern der Eroberung Palästina's ist der Sturm auf Jericho besonders ausgezeichnet; von den vieren der Geschichte Davids die Salbung, von der Geschichte Salomo's das Urtheil. Mit den Bildern der letzten Arcade begann Rafael die Geschichten des neuen Testa- mentes; der Anfang, zumal die Taufe Christi zeigt, was wir an der Fortsetzung verloren haben. (Das Abendmahl schwerlich von R.)
Eine besondere Beachtung verdient die Behandlung des Übersinn- lichen. Die Kleinheit des Massstabes schrieb eine Wirkungsweise durch lauter Geberde und Bewegung vor. "Die Scheidung des Lichtes von der Finsterniss" (1. Arc., 1. Bild) ist unter dieser Bedingung ganz vorzüglich grossartig gedacht; die Geberde der vier Extremitäten drückt das Auseinanderweisen und zugleich die höchste Macht aus. Bei den ersten Menschen tritt Gott als weiser Vater auf; der Engel, der sie aus dem Paradiese treibt, zeigt in der Geberde ein tröstendes Mitleid. In starker schwebender Bewegung erscheint Gott dem Abraham, dem Isaak (mit dem Gestus des Verbietens) und dem Moses im feurigen Busche; mit der Himmelsleiter musste auch Rafael sich behelfen wie es ging. In der Gesetzgebung auf Sinai, wo Gott thronend im Profil dargestellt ist, trägt sich die Bewegung auf die heranstürmenden Posau- nenengel über, u. s. w.
Mit den Decorationen haben diese biblischen Bilder allerdings nicht den geringsten geistigen Zusammenhang. Allein dieses ornamentale
Loggien des Vaticans.
heroisches Leben, welches dann in den vier Bildern der Geschichte Abrahams und in den vier folgenden mit der Geschichte Isaaks seine Fülle entfaltet. Abraham mit den drei Engeln, Loth mit seinen Töch- tern fliehend, der knieende Isaak, die Scene beim König Abimelech gehören zu den schönsten Motiven Rafaels. Und doch glaubt man erst in den Bildern der Geschichte Jacobs und vollends derjenigen Josephs das Höchste innerhalb den Grenzen dieser Gattung vor sich zu haben, zumal in der Scene „Joseph vor seinen Brüdern als Traum- deuter.“ — Von den acht Bildern mit der Geschichte des Moses sind die ersten noch sehr schön, und unter den spätern besonders die An- betung des goldenen Kalbes; dazwischen aber tritt mit „Moses auf Sinai“, und „Moses vor der Wolkensäule“ eine starke Verdunkelung ein. Vermuthlich war dem Künstler der vorgeschriebene Gegenstand zuwider; das letztere Bild kann er kaum selber componirt haben. Von den vier Bildern der Eroberung Palästina’s ist der Sturm auf Jericho besonders ausgezeichnet; von den vieren der Geschichte Davids die Salbung, von der Geschichte Salomo’s das Urtheil. Mit den Bildern der letzten Arcade begann Rafael die Geschichten des neuen Testa- mentes; der Anfang, zumal die Taufe Christi zeigt, was wir an der Fortsetzung verloren haben. (Das Abendmahl schwerlich von R.)
Eine besondere Beachtung verdient die Behandlung des Übersinn- lichen. Die Kleinheit des Massstabes schrieb eine Wirkungsweise durch lauter Geberde und Bewegung vor. „Die Scheidung des Lichtes von der Finsterniss“ (1. Arc., 1. Bild) ist unter dieser Bedingung ganz vorzüglich grossartig gedacht; die Geberde der vier Extremitäten drückt das Auseinanderweisen und zugleich die höchste Macht aus. Bei den ersten Menschen tritt Gott als weiser Vater auf; der Engel, der sie aus dem Paradiese treibt, zeigt in der Geberde ein tröstendes Mitleid. In starker schwebender Bewegung erscheint Gott dem Abraham, dem Isaak (mit dem Gestus des Verbietens) und dem Moses im feurigen Busche; mit der Himmelsleiter musste auch Rafael sich behelfen wie es ging. In der Gesetzgebung auf Sinai, wo Gott thronend im Profil dargestellt ist, trägt sich die Bewegung auf die heranstürmenden Posau- nenengel über, u. s. w.
Mit den Decorationen haben diese biblischen Bilder allerdings nicht den geringsten geistigen Zusammenhang. Allein dieses ornamentale
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Loggien des Vaticans.
heroisches Leben, welches dann in den vier Bildern der Geschichte
Abrahams und in den vier folgenden mit der Geschichte Isaaks seine
Fülle entfaltet. Abraham mit den drei Engeln, Loth mit seinen Töch-
tern fliehend, der knieende Isaak, die Scene beim König Abimelech
gehören zu den schönsten Motiven Rafaels. Und doch glaubt man
erst in den Bildern der Geschichte Jacobs und vollends derjenigen
Josephs das Höchste innerhalb den Grenzen dieser Gattung vor sich
zu haben, zumal in der Scene „Joseph vor seinen Brüdern als Traum-
deuter.“ — Von den acht Bildern mit der Geschichte des Moses sind
die ersten noch sehr schön, und unter den spätern besonders die An-
betung des goldenen Kalbes; dazwischen aber tritt mit „Moses auf
Sinai“, und „Moses vor der Wolkensäule“ eine starke Verdunkelung
ein. Vermuthlich war dem Künstler der vorgeschriebene Gegenstand
zuwider; das letztere Bild kann er kaum selber componirt haben. Von
den vier Bildern der Eroberung Palästina’s ist der Sturm auf Jericho
besonders ausgezeichnet; von den vieren der Geschichte Davids die
Salbung, von der Geschichte Salomo’s das Urtheil. Mit den Bildern
der letzten Arcade begann Rafael die Geschichten des neuen Testa-
mentes; der Anfang, zumal die Taufe Christi zeigt, was wir an der
Fortsetzung verloren haben. (Das Abendmahl schwerlich von R.)
Eine besondere Beachtung verdient die Behandlung des Übersinn-
lichen. Die Kleinheit des Massstabes schrieb eine Wirkungsweise durch
lauter Geberde und Bewegung vor. „Die Scheidung des Lichtes von
der Finsterniss“ (1. Arc., 1. Bild) ist unter dieser Bedingung ganz
vorzüglich grossartig gedacht; die Geberde der vier Extremitäten drückt
das Auseinanderweisen und zugleich die höchste Macht aus. Bei den
ersten Menschen tritt Gott als weiser Vater auf; der Engel, der sie
aus dem Paradiese treibt, zeigt in der Geberde ein tröstendes Mitleid.
In starker schwebender Bewegung erscheint Gott dem Abraham, dem
Isaak (mit dem Gestus des Verbietens) und dem Moses im feurigen
Busche; mit der Himmelsleiter musste auch Rafael sich behelfen wie
es ging. In der Gesetzgebung auf Sinai, wo Gott thronend im Profil
dargestellt ist, trägt sich die Bewegung auf die heranstürmenden Posau-
nenengel über, u. s. w.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/949>, abgerufen am 05.12.2024.
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