ausser Fassung gerathen muss. -- Endlich der Fischzug Petri, ein Bild des geheimnissvollsten Zaubers; der Moment der physischen An- strengung (in welchen beiden Gestalten!) ist in die zweite Barke ver- wiesen, in der vordern kniet Petrus schon vor dem sitzenden Christus und der Beschauer wird nicht durch den Anblick der Fische gestört, über welchen man in andern Bildern den Hauptgegenstand, nämlich den Ausdruck der vollen Hingebung und Überzeugung des Apostels vergessen muss.
a
Die zweite Reihe der Tapeten, schon in der Technik geringer, ist in Flandern auf den Kauf hin, wahrscheinlich nicht auf Bestellung, gewirkt worden. Es scheint, dass niederländische Künstler aus kleinen Entwürfen Rafaels grosse Cartons machten, welche diesen Tapeten zu Grunde gelegt wurden. Mehrere Compositionen, vorzüglich die gran- diose Anbetung der Hirten, auch die der Könige, der Kindermord, die Auferstehung, zeigen trotz zahlreicher niederländischer Zuthaten die unverwüstliche Erfindung des Meisters, seine hochbedeutende Entwick- lung des Herganges; von mehrern andern dagegen kann ihm gar nichts angehören; es ist Speculation, die sich an den damals noch weltbe- rühmten Namen knüpfte, ehe Michelangelo's Ruhm Alles übertönt hatte.
Ausser diesen grossen päpstlichen Aufträgen übernahm Rafael noch eine Anzahl von Fresken für Kirchen und Privatleute.
b
Das frühste (1512) ist der Jesajas an einem Pfeiler des Haupt- schiffes von S. Agostino in Rom. (Seit einer unglücklichen Restaura- tion ist R. nur noch für die Umrisse verantwortlich.) Der Einfluss der Sistina, welche nicht lange vorher vollendet war, lässt sich wohl nicht verkennen; stärker aber als Michelangelo spricht Fra Bartolom- meo aus dem Bilde. In der schönen Zusammenordnung des Propheten mit den Putten möchte R. jenen beiden überlegen sein.
c
Eine ganz andere Art von Concurrenz mit Michelangelo drückt sich in dem berühmten Fresco von S. Maria della Pace (1514) aus 1). Die Aufgabe himmlisch begeisterter Frauengestalten, die sich
1) Bestes Licht: um 10 Uhr.
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
ausser Fassung gerathen muss. — Endlich der Fischzug Petri, ein Bild des geheimnissvollsten Zaubers; der Moment der physischen An- strengung (in welchen beiden Gestalten!) ist in die zweite Barke ver- wiesen, in der vordern kniet Petrus schon vor dem sitzenden Christus und der Beschauer wird nicht durch den Anblick der Fische gestört, über welchen man in andern Bildern den Hauptgegenstand, nämlich den Ausdruck der vollen Hingebung und Überzeugung des Apostels vergessen muss.
a
Die zweite Reihe der Tapeten, schon in der Technik geringer, ist in Flandern auf den Kauf hin, wahrscheinlich nicht auf Bestellung, gewirkt worden. Es scheint, dass niederländische Künstler aus kleinen Entwürfen Rafaels grosse Cartons machten, welche diesen Tapeten zu Grunde gelegt wurden. Mehrere Compositionen, vorzüglich die gran- diose Anbetung der Hirten, auch die der Könige, der Kindermord, die Auferstehung, zeigen trotz zahlreicher niederländischer Zuthaten die unverwüstliche Erfindung des Meisters, seine hochbedeutende Entwick- lung des Herganges; von mehrern andern dagegen kann ihm gar nichts angehören; es ist Speculation, die sich an den damals noch weltbe- rühmten Namen knüpfte, ehe Michelangelo’s Ruhm Alles übertönt hatte.
Ausser diesen grossen päpstlichen Aufträgen übernahm Rafael noch eine Anzahl von Fresken für Kirchen und Privatleute.
b
Das frühste (1512) ist der Jesajas an einem Pfeiler des Haupt- schiffes von S. Agostino in Rom. (Seit einer unglücklichen Restaura- tion ist R. nur noch für die Umrisse verantwortlich.) Der Einfluss der Sistina, welche nicht lange vorher vollendet war, lässt sich wohl nicht verkennen; stärker aber als Michelangelo spricht Fra Bartolom- meo aus dem Bilde. In der schönen Zusammenordnung des Propheten mit den Putten möchte R. jenen beiden überlegen sein.
c
Eine ganz andere Art von Concurrenz mit Michelangelo drückt sich in dem berühmten Fresco von S. Maria della Pace (1514) aus 1). Die Aufgabe himmlisch begeisterter Frauengestalten, die sich
1) Bestes Licht: um 10 Uhr.
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
ausser Fassung gerathen muss. — Endlich der Fischzug Petri, ein
Bild des geheimnissvollsten Zaubers; der Moment der physischen An-
strengung (in welchen beiden Gestalten!) ist in die zweite Barke ver-
wiesen, in der vordern kniet Petrus schon vor dem sitzenden Christus
und der Beschauer wird nicht durch den Anblick der Fische gestört,
über welchen man in andern Bildern den Hauptgegenstand, nämlich
den Ausdruck der vollen Hingebung und Überzeugung des Apostels
vergessen muss.
Die zweite Reihe der Tapeten, schon in der Technik geringer,
ist in Flandern auf den Kauf hin, wahrscheinlich nicht auf Bestellung,
gewirkt worden. Es scheint, dass niederländische Künstler aus kleinen
Entwürfen Rafaels grosse Cartons machten, welche diesen Tapeten zu
Grunde gelegt wurden. Mehrere Compositionen, vorzüglich die gran-
diose Anbetung der Hirten, auch die der Könige, der Kindermord, die
Auferstehung, zeigen trotz zahlreicher niederländischer Zuthaten die
unverwüstliche Erfindung des Meisters, seine hochbedeutende Entwick-
lung des Herganges; von mehrern andern dagegen kann ihm gar nichts
angehören; es ist Speculation, die sich an den damals noch weltbe-
rühmten Namen knüpfte, ehe Michelangelo’s Ruhm Alles übertönt
hatte.
Ausser diesen grossen päpstlichen Aufträgen übernahm Rafael noch
eine Anzahl von Fresken für Kirchen und Privatleute.
Das frühste (1512) ist der Jesajas an einem Pfeiler des Haupt-
schiffes von S. Agostino in Rom. (Seit einer unglücklichen Restaura-
tion ist R. nur noch für die Umrisse verantwortlich.) Der Einfluss
der Sistina, welche nicht lange vorher vollendet war, lässt sich wohl
nicht verkennen; stärker aber als Michelangelo spricht Fra Bartolom-
meo aus dem Bilde. In der schönen Zusammenordnung des Propheten
mit den Putten möchte R. jenen beiden überlegen sein.
Eine ganz andere Art von Concurrenz mit Michelangelo drückt
sich in dem berühmten Fresco von S. Maria della Pace (1514)
aus 1). Die Aufgabe himmlisch begeisterter Frauengestalten, die sich
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 930. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/952>, abgerufen am 05.12.2024.
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