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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Sodoma.

Mit voller Freude hat Sodoma, wie die Grössten seiner Zeit über-
haupt, nur in Fresco gearbeitet. Da erging sich seine Hand im frei-
sten und sichersten Schwung; mit hohem Genuss wird man diese
gleichmässigen, leichten Pinselstriche verfolgen, mit welchen er die
Schönheit festzauberte. In Staffeleibildern war er insgemein befange-
ner, und brauchte Farben, die einem ungleichen Nachdunkeln unter-
worfen sind, sodass z. B. ein ohnehin überfülltes Bild wie seine An-
betung der Könige in S. Agostino zu Siena (Nebencapelle rechts)a
ungünstig wirkt. In andern Fällen jedoch, wo sich z. B. die Haupt-
figuren mehr isoliren, siegt er durch die sehr gewissenhafte Durch-
führung der schönen Form. Auferstehung Christi, im Museum vonb
Neapel (Hauptsaal); das Opfer Abrahams, im Dom von Pisa (Chor);c
derselbe Gegenstand in der Brera zu Mailand; der S. Sebastian ind
den Uffizien (tosk. Sch.), vielleicht der schönste den es giebt, zu-e
mal mit den absichtlichen Schaustellungen der spätern Schulen ver-
glichen; hier ist wahres edles Leiden in der wunderbarsten Form
ausgedrückt.

Seine Madonna ist in der Regel ernst und nicht mehr ganz ju-
gendlich, sein Christuskind den frei spielenden Putten seiner Fresken
selten an Unbefangenheit und an Werthe gleich. (Pal. Borghese u.f
a. a. O.) Ebenso sein Eccehomo (Pal. Pitti und Uffizien) nicht dem-g
jenigen in Fresco. Sein eigenes treffliches Porträt in den Uffizien.

Die Ornamente und kleinen Zwischenbilder an der Decke der
Camera della Segnatura im Vatican bekenne ich nie genau angesehenh
zu haben. -- Von den Fresken des Conservatorenpalastes auf dem Ca-i
pitol werden dem S. neuerlich die sehr kindlichen Scenen aus dem
punischen Kriege im 7. Zimmer zugeschrieben; nach meiner Ansicht
gehören ihm eher einige Figuren im 4. Zimmer (wenn ich nicht irre,
dem der Fasti).


Zunächst schlossen sich seinem Styl einige Schüler früherer Sie-
neser an; so Andrea del Brescianino (schöne Taufe Christi aufk
dem Altar von S. Giovanni, der Unterkirche des Domes von Siena;
Madonna mit Heiligen, Acad., gr. Saal) und vorzüglich Jacopo Pac-l
chiarotto. Die frühern Bilder des letztern (S. 945, c) verbinden wie

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Sodoma.

Mit voller Freude hat Sodoma, wie die Grössten seiner Zeit über-
haupt, nur in Fresco gearbeitet. Da erging sich seine Hand im frei-
sten und sichersten Schwung; mit hohem Genuss wird man diese
gleichmässigen, leichten Pinselstriche verfolgen, mit welchen er die
Schönheit festzauberte. In Staffeleibildern war er insgemein befange-
ner, und brauchte Farben, die einem ungleichen Nachdunkeln unter-
worfen sind, sodass z. B. ein ohnehin überfülltes Bild wie seine An-
betung der Könige in S. Agostino zu Siena (Nebencapelle rechts)a
ungünstig wirkt. In andern Fällen jedoch, wo sich z. B. die Haupt-
figuren mehr isoliren, siegt er durch die sehr gewissenhafte Durch-
führung der schönen Form. Auferstehung Christi, im Museum vonb
Neapel (Hauptsaal); das Opfer Abrahams, im Dom von Pisa (Chor);c
derselbe Gegenstand in der Brera zu Mailand; der S. Sebastian ind
den Uffizien (tosk. Sch.), vielleicht der schönste den es giebt, zu-e
mal mit den absichtlichen Schaustellungen der spätern Schulen ver-
glichen; hier ist wahres edles Leiden in der wunderbarsten Form
ausgedrückt.

Seine Madonna ist in der Regel ernst und nicht mehr ganz ju-
gendlich, sein Christuskind den frei spielenden Putten seiner Fresken
selten an Unbefangenheit und an Werthe gleich. (Pal. Borghese u.f
a. a. O.) Ebenso sein Eccehomo (Pal. Pitti und Uffizien) nicht dem-g
jenigen in Fresco. Sein eigenes treffliches Porträt in den Uffizien.

Die Ornamente und kleinen Zwischenbilder an der Decke der
Camera della Segnatura im Vatican bekenne ich nie genau angesehenh
zu haben. — Von den Fresken des Conservatorenpalastes auf dem Ca-i
pitol werden dem S. neuerlich die sehr kindlichen Scenen aus dem
punischen Kriege im 7. Zimmer zugeschrieben; nach meiner Ansicht
gehören ihm eher einige Figuren im 4. Zimmer (wenn ich nicht irre,
dem der Fasti).


Zunächst schlossen sich seinem Styl einige Schüler früherer Sie-
neser an; so Andrea del Brescianino (schöne Taufe Christi aufk
dem Altar von S. Giovanni, der Unterkirche des Domes von Siena;
Madonna mit Heiligen, Acad., gr. Saal) und vorzüglich Jacopo Pac-l
chiarotto. Die frühern Bilder des letztern (S. 945, c) verbinden wie

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[947/0969] Sodoma. Mit voller Freude hat Sodoma, wie die Grössten seiner Zeit über- haupt, nur in Fresco gearbeitet. Da erging sich seine Hand im frei- sten und sichersten Schwung; mit hohem Genuss wird man diese gleichmässigen, leichten Pinselstriche verfolgen, mit welchen er die Schönheit festzauberte. In Staffeleibildern war er insgemein befange- ner, und brauchte Farben, die einem ungleichen Nachdunkeln unter- worfen sind, sodass z. B. ein ohnehin überfülltes Bild wie seine An- betung der Könige in S. Agostino zu Siena (Nebencapelle rechts) ungünstig wirkt. In andern Fällen jedoch, wo sich z. B. die Haupt- figuren mehr isoliren, siegt er durch die sehr gewissenhafte Durch- führung der schönen Form. Auferstehung Christi, im Museum von Neapel (Hauptsaal); das Opfer Abrahams, im Dom von Pisa (Chor); derselbe Gegenstand in der Brera zu Mailand; der S. Sebastian in den Uffizien (tosk. Sch.), vielleicht der schönste den es giebt, zu- mal mit den absichtlichen Schaustellungen der spätern Schulen ver- glichen; hier ist wahres edles Leiden in der wunderbarsten Form ausgedrückt. a b c d e Seine Madonna ist in der Regel ernst und nicht mehr ganz ju- gendlich, sein Christuskind den frei spielenden Putten seiner Fresken selten an Unbefangenheit und an Werthe gleich. (Pal. Borghese u. a. a. O.) Ebenso sein Eccehomo (Pal. Pitti und Uffizien) nicht dem- jenigen in Fresco. Sein eigenes treffliches Porträt in den Uffizien. f g Die Ornamente und kleinen Zwischenbilder an der Decke der Camera della Segnatura im Vatican bekenne ich nie genau angesehen zu haben. — Von den Fresken des Conservatorenpalastes auf dem Ca- pitol werden dem S. neuerlich die sehr kindlichen Scenen aus dem punischen Kriege im 7. Zimmer zugeschrieben; nach meiner Ansicht gehören ihm eher einige Figuren im 4. Zimmer (wenn ich nicht irre, dem der Fasti). h i Zunächst schlossen sich seinem Styl einige Schüler früherer Sie- neser an; so Andrea del Brescianino (schöne Taufe Christi auf dem Altar von S. Giovanni, der Unterkirche des Domes von Siena; Madonna mit Heiligen, Acad., gr. Saal) und vorzüglich Jacopo Pac- chiarotto. Die frühern Bilder des letztern (S. 945, c) verbinden wie k l 60*

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 947. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/969>, abgerufen am 05.12.2024.