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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Die Erzwingung des Rechts.

ohne Heimatschein die Niederlassungsbewilligung verlangt, wird
nicht bestraft, weil er sie nicht bekommt; wer aber mit einem
fremden Heimatschein eine Bewilligung verlangt, wird bestraft,
weil er sie damit erschleichen könnte; wer einer Konzessionspflicht
nicht nachkommt, wird nicht bestraft, weil ihm die Konzession
entzogen werden kann. -- Was in concreto erzwungen werden kann,
soll nicht deshalb unerzwungen bleiben, weil der Täter immer noch
bestraft werden kann. Solange aber die Erzwingung betrieben
wird, kann nicht wegen Verletzung der Pflicht bestraft werden,
und umgekehrt: wenn einmal die Strafe wegen Verletzung der
Pflicht ausgesprochen worden ist, kann nicht noch die Erfüllung
(der öffentlich-rechtlichen Pflicht) erzwungen werden. Deshalb
können Kompulsivstrafen, d. h. Mittel psychologischen Zwanges,
nicht mit eigentlichen Strafen kumuliert werden, so wenig wie
überhaupt Erfüllungszwang neben Strafe wegen Nichterfüllung
angeordnet werden darf1.

Darin liegt auch die Erklärung, weshalb der Versuch mit un-

patent, eine Konzession, eine Militärsache, braucht auch nicht durch Strafe
gegen Veräußerung geschützt zu werden, aber nicht weil die Übertretung
selbst verhindert werden kann, sondern weil die Veräußerung gar nicht
möglich ist, also auch nicht verboten werden braucht, was der Gesetzgeber
nicht immer unterschieden hat; vgl. Schweizer. Militärorganisation vom
12. April 1907 Art. 80, 92. Gültigkeitsbedingungen können nicht übertreten
werden; wohl aber Verbote; wird ein Vertrag (gültig) abgeschlossen, der
nicht abgeschlossen werden sollte (z. B. über die Veräußerung anvertrauter
Sachen), so muß die Übertretung (Veruntreuung) bestraft werden.
1 Vgl. Anschütz a. a. O. 457; Rosin, Das Polizeiverordnungsrecht
in Preußen, 2. A. (1895), 105. Beide halten das nicht ganz auseinander,
kommen aber doch zum richtigen Ergebnis. Der Widerstand gegen die
Zwangsverfügung kann allerdings wiederum strafbar sein. -- Mit kom-
pulsiven sind disziplinarische Strafen nicht zu verwechseln: disziplinarische
Strafen ahnden die Verletzung einer besonderen Ordnung, nicht der all-
gemeinverbindlichen Rechtsordnung; deshalb können sie mit den öffent-
lichen Strafen kumulieren; aber es sind nicht bloß Zwangsmittel zur Be-
wirkung der geschuldeten Leistung; eben deshalb werden sie, nachdem die
Ordnung einmal verletzt worden ist, nicht hinfällig mit dem Austritt des
Fehlbaren aus diesem besonderen Kreis, z. B. mit der Entlassung des Be-
amten, wie Laband, Staatsrecht I 490, meint. -- Auch "Polizeistrafe"
wird häufig mit Kompulsivstrafe verwechselt; die Kompulsivstrafe ist
keine Strafe; die Polizeistrafe eine Strafe mit formalisiertem Verschulden.
Vgl. unten S. 297. O. Mayer, Verwaltungsrecht, 2. A., I 271 f.
Die Erzwingung des Rechts.

ohne Heimatschein die Niederlassungsbewilligung verlangt, wird
nicht bestraft, weil er sie nicht bekommt; wer aber mit einem
fremden Heimatschein eine Bewilligung verlangt, wird bestraft,
weil er sie damit erschleichen könnte; wer einer Konzessionspflicht
nicht nachkommt, wird nicht bestraft, weil ihm die Konzession
entzogen werden kann. — Was in concreto erzwungen werden kann,
soll nicht deshalb unerzwungen bleiben, weil der Täter immer noch
bestraft werden kann. Solange aber die Erzwingung betrieben
wird, kann nicht wegen Verletzung der Pflicht bestraft werden,
und umgekehrt: wenn einmal die Strafe wegen Verletzung der
Pflicht ausgesprochen worden ist, kann nicht noch die Erfüllung
(der öffentlich-rechtlichen Pflicht) erzwungen werden. Deshalb
können Kompulsivstrafen, d. h. Mittel psychologischen Zwanges,
nicht mit eigentlichen Strafen kumuliert werden, so wenig wie
überhaupt Erfüllungszwang neben Strafe wegen Nichterfüllung
angeordnet werden darf1.

Darin liegt auch die Erklärung, weshalb der Versuch mit un-

patent, eine Konzession, eine Militärsache, braucht auch nicht durch Strafe
gegen Veräußerung geschützt zu werden, aber nicht weil die Übertretung
selbst verhindert werden kann, sondern weil die Veräußerung gar nicht
möglich ist, also auch nicht verboten werden braucht, was der Gesetzgeber
nicht immer unterschieden hat; vgl. Schweizer. Militärorganisation vom
12. April 1907 Art. 80, 92. Gültigkeitsbedingungen können nicht übertreten
werden; wohl aber Verbote; wird ein Vertrag (gültig) abgeschlossen, der
nicht abgeschlossen werden sollte (z. B. über die Veräußerung anvertrauter
Sachen), so muß die Übertretung (Veruntreuung) bestraft werden.
1 Vgl. Anschütz a. a. O. 457; Rosin, Das Polizeiverordnungsrecht
in Preußen, 2. A. (1895), 105. Beide halten das nicht ganz auseinander,
kommen aber doch zum richtigen Ergebnis. Der Widerstand gegen die
Zwangsverfügung kann allerdings wiederum strafbar sein. — Mit kom-
pulsiven sind disziplinarische Strafen nicht zu verwechseln: disziplinarische
Strafen ahnden die Verletzung einer besonderen Ordnung, nicht der all-
gemeinverbindlichen Rechtsordnung; deshalb können sie mit den öffent-
lichen Strafen kumulieren; aber es sind nicht bloß Zwangsmittel zur Be-
wirkung der geschuldeten Leistung; eben deshalb werden sie, nachdem die
Ordnung einmal verletzt worden ist, nicht hinfällig mit dem Austritt des
Fehlbaren aus diesem besonderen Kreis, z. B. mit der Entlassung des Be-
amten, wie Laband, Staatsrecht I 490, meint. — Auch „Polizeistrafe“
wird häufig mit Kompulsivstrafe verwechselt; die Kompulsivstrafe ist
keine Strafe; die Polizeistrafe eine Strafe mit formalisiertem Verschulden.
Vgl. unten S. 297. O. Mayer, Verwaltungsrecht, 2. A., I 271 f.
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[287/0302] Die Erzwingung des Rechts. ohne Heimatschein die Niederlassungsbewilligung verlangt, wird nicht bestraft, weil er sie nicht bekommt; wer aber mit einem fremden Heimatschein eine Bewilligung verlangt, wird bestraft, weil er sie damit erschleichen könnte; wer einer Konzessionspflicht nicht nachkommt, wird nicht bestraft, weil ihm die Konzession entzogen werden kann. — Was in concreto erzwungen werden kann, soll nicht deshalb unerzwungen bleiben, weil der Täter immer noch bestraft werden kann. Solange aber die Erzwingung betrieben wird, kann nicht wegen Verletzung der Pflicht bestraft werden, und umgekehrt: wenn einmal die Strafe wegen Verletzung der Pflicht ausgesprochen worden ist, kann nicht noch die Erfüllung (der öffentlich-rechtlichen Pflicht) erzwungen werden. Deshalb können Kompulsivstrafen, d. h. Mittel psychologischen Zwanges, nicht mit eigentlichen Strafen kumuliert werden, so wenig wie überhaupt Erfüllungszwang neben Strafe wegen Nichterfüllung angeordnet werden darf 1. Darin liegt auch die Erklärung, weshalb der Versuch mit un- 3 1 Vgl. Anschütz a. a. O. 457; Rosin, Das Polizeiverordnungsrecht in Preußen, 2. A. (1895), 105. Beide halten das nicht ganz auseinander, kommen aber doch zum richtigen Ergebnis. Der Widerstand gegen die Zwangsverfügung kann allerdings wiederum strafbar sein. — Mit kom- pulsiven sind disziplinarische Strafen nicht zu verwechseln: disziplinarische Strafen ahnden die Verletzung einer besonderen Ordnung, nicht der all- gemeinverbindlichen Rechtsordnung; deshalb können sie mit den öffent- lichen Strafen kumulieren; aber es sind nicht bloß Zwangsmittel zur Be- wirkung der geschuldeten Leistung; eben deshalb werden sie, nachdem die Ordnung einmal verletzt worden ist, nicht hinfällig mit dem Austritt des Fehlbaren aus diesem besonderen Kreis, z. B. mit der Entlassung des Be- amten, wie Laband, Staatsrecht I 490, meint. — Auch „Polizeistrafe“ wird häufig mit Kompulsivstrafe verwechselt; die Kompulsivstrafe ist keine Strafe; die Polizeistrafe eine Strafe mit formalisiertem Verschulden. Vgl. unten S. 297. O. Mayer, Verwaltungsrecht, 2. A., I 271 f. 3 patent, eine Konzession, eine Militärsache, braucht auch nicht durch Strafe gegen Veräußerung geschützt zu werden, aber nicht weil die Übertretung selbst verhindert werden kann, sondern weil die Veräußerung gar nicht möglich ist, also auch nicht verboten werden braucht, was der Gesetzgeber nicht immer unterschieden hat; vgl. Schweizer. Militärorganisation vom 12. April 1907 Art. 80, 92. Gültigkeitsbedingungen können nicht übertreten werden; wohl aber Verbote; wird ein Vertrag (gültig) abgeschlossen, der nicht abgeschlossen werden sollte (z. B. über die Veräußerung anvertrauter Sachen), so muß die Übertretung (Veruntreuung) bestraft werden.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/302>, abgerufen am 21.11.2024.