Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.II. Teil. Die staatliche Verfassung. tauglichen Mitteln nicht bestraft wird: Was objektiv unmöglichist, braucht nicht verboten zu werden; wenn es aber nicht verboten ist, braucht es auch nicht verhindert oder, weil es nicht verhindert werden kann, bestraft zu werden1. Wo aber nicht sicher erzwungen werden kann, muß Strafe Der Staat kann nicht eine Handlung schlechthin verbieten Deshalb darf die mit Strafe bedrohte Übertretung einer Norm 1 Gerade umgekehrt, von einem anderen Standpunkt aus, Baum- garten, Die Wissenschaft vom Recht und ihre Methode I (1920) 311. 2 Unzulässig ist es z. B., wenn die Polizei ruhig zusieht, wie die Wirte die Polizeistunde überschreiten, um sie nachher büßen zu lassen; die Strafe darf nicht Mittel zum Zweck (einer fiskalischen Einnahme) sein. Vgl. da- gegen Bundesgesetz vom 16. Oktober 1924, Art. 7, 8; A. S. 51, 51. 3 Vgl. Politisches Jahrbuch 1917 S. 21. 4 Wo sie mit den zulässigen Abwehrmitteln (der Polizei) verhindert
werden kann (vgl. S. 285, Anm. 1 u. 2); man vgl. z. B. die Schranken des Hausrechts. II. Teil. Die staatliche Verfassung. tauglichen Mitteln nicht bestraft wird: Was objektiv unmöglichist, braucht nicht verboten zu werden; wenn es aber nicht verboten ist, braucht es auch nicht verhindert oder, weil es nicht verhindert werden kann, bestraft zu werden1. Wo aber nicht sicher erzwungen werden kann, muß Strafe Der Staat kann nicht eine Handlung schlechthin verbieten Deshalb darf die mit Strafe bedrohte Übertretung einer Norm 1 Gerade umgekehrt, von einem anderen Standpunkt aus, Baum- garten, Die Wissenschaft vom Recht und ihre Methode I (1920) 311. 2 Unzulässig ist es z. B., wenn die Polizei ruhig zusieht, wie die Wirte die Polizeistunde überschreiten, um sie nachher büßen zu lassen; die Strafe darf nicht Mittel zum Zweck (einer fiskalischen Einnahme) sein. Vgl. da- gegen Bundesgesetz vom 16. Oktober 1924, Art. 7, 8; A. S. 51, 51. 3 Vgl. Politisches Jahrbuch 1917 S. 21. 4 Wo sie mit den zulässigen Abwehrmitteln (der Polizei) verhindert
werden kann (vgl. S. 285, Anm. 1 u. 2); man vgl. z. B. die Schranken des Hausrechts. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0303" n="288"/><fw place="top" type="header">II. Teil. Die staatliche Verfassung.</fw><lb/> tauglichen Mitteln nicht bestraft wird: Was objektiv unmöglich<lb/> ist, braucht nicht verboten zu werden; wenn es aber nicht verboten<lb/> ist, braucht es auch nicht verhindert oder, weil es nicht verhindert<lb/> werden kann, bestraft zu werden<note place="foot" n="1">Gerade umgekehrt, von einem anderen Standpunkt aus, <hi rendition="#g">Baum-<lb/> garten,</hi> Die Wissenschaft vom Recht und ihre Methode I (1920) 311.</note>.</p><lb/> <p>Wo aber nicht sicher erzwungen werden kann, muß Strafe<lb/> angedroht werden. Die Zollgrenze wird überwacht; aber da es<lb/> nicht unmöglich ist, durchzuschlüpfen, muß darauf eine Strafe ge-<lb/> setzt werden; denn derjenige, der nicht gezwungen werden kann,<lb/> seine Rechtspflicht zu erfüllen, darf nicht der Erfüllung ledig sein.<lb/> Wo die Erzwingung unmöglich ist, muß Strafe an die Stelle treten.<lb/> Mit anderen Worten: wo die Übertretung einer Norm nach ver-<lb/> nünftiger Voraussicht und mit einem vernünftigen Aufwand von<lb/> Mitteln verhindert werden kann, ist die Strafandrohung unberech-<lb/> tigt; dann soll die Norm unmittelbar erzwungen werden<note place="foot" n="2">Unzulässig ist es z. B., wenn die Polizei ruhig zusieht, wie die Wirte<lb/> die Polizeistunde überschreiten, um sie nachher büßen zu lassen; die Strafe<lb/> darf nicht Mittel zum Zweck (einer fiskalischen Einnahme) sein. Vgl. da-<lb/> gegen Bundesgesetz vom 16. Oktober 1924, Art. 7, 8; A. S. <hi rendition="#b">51,</hi> 51.</note>. Wo das<lb/> rechtmäßige Verhalten aber nicht sicher erzwungen werden kann,<lb/> wo die Norm also übertreten werden kann, ist die Strafe not-<lb/> wendig. Ein Verbot aufzustellen und es dem Zufall zu überlassen,<lb/> ob der Verpflichtete es fertig bringt, die Zwangsmaßregeln des<lb/> Staates zu umgehen, ist ein Kompromiß, der mit der rechtlichen<lb/> Verbindlichkeit des Verbotes (oder Gebotes) unvereinbar ist und<lb/> wie ihn nur das unvollkommene Völkerrecht dulden kann, z. B.<lb/> bei der Behandlung der Kriegskonterbande, der Blockade, der<lb/> Spione u. a. m.<note place="foot" n="3">Vgl. Politisches Jahrbuch 1917 S. 21.</note>.</p><lb/> <p>Der Staat kann nicht eine Handlung schlechthin verbieten<lb/> und, wenn sie trotzdem (absichtlich) begangen wird, zur Tages-<lb/> ordnung übergehen; das steht mit der Natur des Rechts als einer<lb/> Zwangsnorm in Widerspruch (vgl. oben S. 255, 280).</p><lb/> <p>Deshalb darf die mit Strafe bedrohte Übertretung einer Norm<lb/> auch stets verhindert werden<note place="foot" n="4">Wo sie mit den zulässigen Abwehrmitteln (der Polizei) verhindert<lb/> werden kann (vgl. S. 285, Anm. 1 u. 2); man vgl. z. B. die Schranken<lb/> des Hausrechts.</note>; denn die Strafe ist nur ein Ersatz<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0303]
II. Teil. Die staatliche Verfassung.
tauglichen Mitteln nicht bestraft wird: Was objektiv unmöglich
ist, braucht nicht verboten zu werden; wenn es aber nicht verboten
ist, braucht es auch nicht verhindert oder, weil es nicht verhindert
werden kann, bestraft zu werden 1.
Wo aber nicht sicher erzwungen werden kann, muß Strafe
angedroht werden. Die Zollgrenze wird überwacht; aber da es
nicht unmöglich ist, durchzuschlüpfen, muß darauf eine Strafe ge-
setzt werden; denn derjenige, der nicht gezwungen werden kann,
seine Rechtspflicht zu erfüllen, darf nicht der Erfüllung ledig sein.
Wo die Erzwingung unmöglich ist, muß Strafe an die Stelle treten.
Mit anderen Worten: wo die Übertretung einer Norm nach ver-
nünftiger Voraussicht und mit einem vernünftigen Aufwand von
Mitteln verhindert werden kann, ist die Strafandrohung unberech-
tigt; dann soll die Norm unmittelbar erzwungen werden 2. Wo das
rechtmäßige Verhalten aber nicht sicher erzwungen werden kann,
wo die Norm also übertreten werden kann, ist die Strafe not-
wendig. Ein Verbot aufzustellen und es dem Zufall zu überlassen,
ob der Verpflichtete es fertig bringt, die Zwangsmaßregeln des
Staates zu umgehen, ist ein Kompromiß, der mit der rechtlichen
Verbindlichkeit des Verbotes (oder Gebotes) unvereinbar ist und
wie ihn nur das unvollkommene Völkerrecht dulden kann, z. B.
bei der Behandlung der Kriegskonterbande, der Blockade, der
Spione u. a. m. 3.
Der Staat kann nicht eine Handlung schlechthin verbieten
und, wenn sie trotzdem (absichtlich) begangen wird, zur Tages-
ordnung übergehen; das steht mit der Natur des Rechts als einer
Zwangsnorm in Widerspruch (vgl. oben S. 255, 280).
Deshalb darf die mit Strafe bedrohte Übertretung einer Norm
auch stets verhindert werden 4; denn die Strafe ist nur ein Ersatz
1 Gerade umgekehrt, von einem anderen Standpunkt aus, Baum-
garten, Die Wissenschaft vom Recht und ihre Methode I (1920) 311.
2 Unzulässig ist es z. B., wenn die Polizei ruhig zusieht, wie die Wirte
die Polizeistunde überschreiten, um sie nachher büßen zu lassen; die Strafe
darf nicht Mittel zum Zweck (einer fiskalischen Einnahme) sein. Vgl. da-
gegen Bundesgesetz vom 16. Oktober 1924, Art. 7, 8; A. S. 51, 51.
3 Vgl. Politisches Jahrbuch 1917 S. 21.
4 Wo sie mit den zulässigen Abwehrmitteln (der Polizei) verhindert
werden kann (vgl. S. 285, Anm. 1 u. 2); man vgl. z. B. die Schranken
des Hausrechts.
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