Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.Die privaten Verbände. den Einzelnen) trennen, und das eine ohne das andere denken; ja,es ist positivrechtlich möglich (und vorgekommen), daß das eine ohne das andere rechtens sei wie bei nichteingetragenen Genossen- schaften und früher auch Vereinen; (Schweiz. OR vom 14. Juni 1881, Art. 653 und 716). Logisch ist diese Regelung nicht unmög- lich, aber teleologisch ist sie fehlerhaft. Läßt der Gesetzgeber das eine zu, so muß er folgerichtigerweise auch das andere zulassen. Wie wenig jene Beschränkung der Organisation auf das innere Verhältnis dem Zweck der gemeinschaftlichen Organisation ent- spricht, zeigt sich, wenn ein (oder einige) Mitglieder persönlich Rechte erwerben und Pflichten eingehen müssen, die doch be- stimmt sind, der Gemeinschaft zugute zu kommen oder sie zu belasten. Der Laie ist so fest überzeugt, daß hier "der Verein" oder "die Genossenschaft" erwerben und sich verpflichten sollte, daß er auch da im Namen des Verbandes oder mit dem Verbande handelt, wo nach positivem Recht dem Verein oder der Genossen- schaft das "Recht der Persönlichkeit", d. h. wo der Organisation die Befugnis, nach außen als Einheit aufzutreten, nicht zukommt1. Der Gesetzgeber wird sich also fragen müssen, ob er die spezi- Eine Schwierigkeit bleibt aber hier noch zu lösen: wir nannten 1 Gierke, Genossenschaftstheorie 83; Der Entwurf eines BGB und
das deutsche Recht (1889) 145 ff. Die privaten Verbände. den Einzelnen) trennen, und das eine ohne das andere denken; ja,es ist positivrechtlich möglich (und vorgekommen), daß das eine ohne das andere rechtens sei wie bei nichteingetragenen Genossen- schaften und früher auch Vereinen; (Schweiz. OR vom 14. Juni 1881, Art. 653 und 716). Logisch ist diese Regelung nicht unmög- lich, aber teleologisch ist sie fehlerhaft. Läßt der Gesetzgeber das eine zu, so muß er folgerichtigerweise auch das andere zulassen. Wie wenig jene Beschränkung der Organisation auf das innere Verhältnis dem Zweck der gemeinschaftlichen Organisation ent- spricht, zeigt sich, wenn ein (oder einige) Mitglieder persönlich Rechte erwerben und Pflichten eingehen müssen, die doch be- stimmt sind, der Gemeinschaft zugute zu kommen oder sie zu belasten. Der Laie ist so fest überzeugt, daß hier „der Verein“ oder „die Genossenschaft“ erwerben und sich verpflichten sollte, daß er auch da im Namen des Verbandes oder mit dem Verbande handelt, wo nach positivem Recht dem Verein oder der Genossen- schaft das „Recht der Persönlichkeit“, d. h. wo der Organisation die Befugnis, nach außen als Einheit aufzutreten, nicht zukommt1. Der Gesetzgeber wird sich also fragen müssen, ob er die spezi- Eine Schwierigkeit bleibt aber hier noch zu lösen: wir nannten 1 Gierke, Genossenschaftstheorie 83; Der Entwurf eines BGB und
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Die privaten Verbände.
den Einzelnen) trennen, und das eine ohne das andere denken; ja,
es ist positivrechtlich möglich (und vorgekommen), daß das eine ohne
das andere rechtens sei wie bei nichteingetragenen Genossen-
schaften und früher auch Vereinen; (Schweiz. OR vom 14. Juni
1881, Art. 653 und 716). Logisch ist diese Regelung nicht unmög-
lich, aber teleologisch ist sie fehlerhaft. Läßt der Gesetzgeber
das eine zu, so muß er folgerichtigerweise auch das andere zulassen.
Wie wenig jene Beschränkung der Organisation auf das innere
Verhältnis dem Zweck der gemeinschaftlichen Organisation ent-
spricht, zeigt sich, wenn ein (oder einige) Mitglieder persönlich
Rechte erwerben und Pflichten eingehen müssen, die doch be-
stimmt sind, der Gemeinschaft zugute zu kommen oder sie zu
belasten. Der Laie ist so fest überzeugt, daß hier „der Verein“
oder „die Genossenschaft“ erwerben und sich verpflichten sollte,
daß er auch da im Namen des Verbandes oder mit dem Verbande
handelt, wo nach positivem Recht dem Verein oder der Genossen-
schaft das „Recht der Persönlichkeit“, d. h. wo der Organisation
die Befugnis, nach außen als Einheit aufzutreten, nicht zukommt 1.
Der Gesetzgeber wird sich also fragen müssen, ob er die spezi-
fische Wirkung der Organisation, die juristische Persönlichkeit,
nur unter den Mitgliedern oder nur gegenüber Dritten oder in
beiden Beziehungen zugleich anerkennen will; das ist eine Frage
richtiger Ordnung, die jeder Gesetzgeber zusammen mit der ganzen
Ordnung privater Vergemeinschaftung erledigen muß. Uns kam
es bloß darauf an, festzustellen, daß die Unterscheidung begrifflich
möglich ist, daß das positive Recht ohne logischen Widerspruch
bestimmen kann, daß das Vertretungsverhältnis der „Juristischen
Person“ bloß in der einen oder in der anderen Richtung gilt, im
Gegensatz zur Lehre, daß die Juristische Person eine „wirkliche“
Person ist, wie die natürlichen Personen, womit allerdings die
Vorstellung nicht wohl vereinbar wäre, daß sie gegenüber gewissen
Personen bestehen, gegenüber anderen nicht bestehen sollte.
Eine Schwierigkeit bleibt aber hier noch zu lösen: wir nannten
die organmäßige Vertretung Mehrerer (oder die Organisation
dieser Mehrheit) die Einrichtung, kraft welcher mit Wirkung für
1 Gierke, Genossenschaftstheorie 83; Der Entwurf eines BGB und
das deutsche Recht (1889) 145 ff.
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