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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Das Völkerrecht.
Entschließung einzelner Rechtsgenossen, wie es auch nicht
entstehen oder wieder aufgehoben werden könnte; eine zufällige
Erscheinung.

Aus denselben Gründen ist die Lehre von den gesetzesähn-
lichen Verträgen oder Vereinbarungen nicht annehmbar, denn
ob man diese Abreden Verträge oder Vereinbarungen nenne, sie
bleiben immer zufällige Entschließungen der rechtsunterworfenen
Staaten mit beschränkter Wirkung auf die Teilnehmer und ver-
schiedenem, widerspruchsvollem Inhalt; daß es eine völkerrecht-
liche Norm geben sollte, welche irgendwelche Staaten ermächtigte,
zu irgendwelcher Zeit irgendwelche Grundsätze als objektives
Recht zu begründen, kann ohne Widerspruch nicht angenommen
werden; und doch setzt die Befugnis, durch Vereinbarung Recht
zu setzen, eine solche Zuständigkeit voraus. "Vereinbarungen"
sollen allerdings (in der Meinung der vereinbarenden Staaten) dem
Mangel positiven Rechts abhelfen; aber sie können es nicht1.

Was die Staaten also untereinander vereinbaren, ist nicht
objektives Recht, sondern Vertragsrecht. Als solches gilt aber
auch gleichmäßig alles, was sie verabreden. Da es keine über-
staatliche Autorität gibt, welche darüber entscheiden könnte,
was verbindliches Recht unter den Staaten sein soll, entscheiden
sie letztinstanzlich selbst darüber, die Rechtsgenossen dieser
Gemeinschaft2. Und deshalb muß alles, was die Staaten, alle oder
einzelne, unter sich als verbindlich anerkannt haben, sofern man
Verträge überhaupt als positivrechtlich verpflichtend ansieht,
gleichmäßig als verbindlich gelten. Dieser Umstand ist es,

clausula rebus sic stantibus (1911) 170. Aber das ist das Todesurteil des
Völkerrechts wie der Völkerrechtsgemeinschaft. Bergbohm a. a. O. 82.
1 Vgl. Mausbach, Naturrecht und Völkerrecht (1918) 103 ff., kri-
tisiert mit Recht den Satz v. Liszts: "Das Völkerrecht ist Vertrag, nicht
Gesetz, aber gerade als Vertrag positives Recht." Oben S. 143. Bergbohm
a. a. O. 60.
2 Was allerdings widerspruchsvoll ist; der Widerspruch liegt aber in
der Sache, nicht in der Lehre, die ihn aufdeckt, was Kelsen, Souveränität
103, und Verdroß, Einheit 59, und andere verkennen. Es ist allerdings die
Aufgabe der Rechtswissenschaft, alle geltenden Rechtssätze in ein System
zu bringen, sofern das möglich ist. Das steht aber nicht von vornherein fest,
wie oben S. 187, 350 bemerkt. Vgl. auch die Bemerkungen von Erich
Kaufmann,
Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie (1921) 26.

Das Völkerrecht.
Entschließung einzelner Rechtsgenossen, wie es auch nicht
entstehen oder wieder aufgehoben werden könnte; eine zufällige
Erscheinung.

Aus denselben Gründen ist die Lehre von den gesetzesähn-
lichen Verträgen oder Vereinbarungen nicht annehmbar, denn
ob man diese Abreden Verträge oder Vereinbarungen nenne, sie
bleiben immer zufällige Entschließungen der rechtsunterworfenen
Staaten mit beschränkter Wirkung auf die Teilnehmer und ver-
schiedenem, widerspruchsvollem Inhalt; daß es eine völkerrecht-
liche Norm geben sollte, welche irgendwelche Staaten ermächtigte,
zu irgendwelcher Zeit irgendwelche Grundsätze als objektives
Recht zu begründen, kann ohne Widerspruch nicht angenommen
werden; und doch setzt die Befugnis, durch Vereinbarung Recht
zu setzen, eine solche Zuständigkeit voraus. „Vereinbarungen“
sollen allerdings (in der Meinung der vereinbarenden Staaten) dem
Mangel positiven Rechts abhelfen; aber sie können es nicht1.

Was die Staaten also untereinander vereinbaren, ist nicht
objektives Recht, sondern Vertragsrecht. Als solches gilt aber
auch gleichmäßig alles, was sie verabreden. Da es keine über-
staatliche Autorität gibt, welche darüber entscheiden könnte,
was verbindliches Recht unter den Staaten sein soll, entscheiden
sie letztinstanzlich selbst darüber, die Rechtsgenossen dieser
Gemeinschaft2. Und deshalb muß alles, was die Staaten, alle oder
einzelne, unter sich als verbindlich anerkannt haben, sofern man
Verträge überhaupt als positivrechtlich verpflichtend ansieht,
gleichmäßig als verbindlich gelten. Dieser Umstand ist es,

clausula rebus sic stantibus (1911) 170. Aber das ist das Todesurteil des
Völkerrechts wie der Völkerrechtsgemeinschaft. Bergbohm a. a. O. 82.
1 Vgl. Mausbach, Naturrecht und Völkerrecht (1918) 103 ff., kri-
tisiert mit Recht den Satz v. Liszts: „Das Völkerrecht ist Vertrag, nicht
Gesetz, aber gerade als Vertrag positives Recht.“ Oben S. 143. Bergbohm
a. a. O. 60.
2 Was allerdings widerspruchsvoll ist; der Widerspruch liegt aber in
der Sache, nicht in der Lehre, die ihn aufdeckt, was Kelsen, Souveränität
103, und Verdroß, Einheit 59, und andere verkennen. Es ist allerdings die
Aufgabe der Rechtswissenschaft, alle geltenden Rechtssätze in ein System
zu bringen, sofern das möglich ist. Das steht aber nicht von vornherein fest,
wie oben S. 187, 350 bemerkt. Vgl. auch die Bemerkungen von Erich
Kaufmann,
Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie (1921) 26.
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[383/0398] Das Völkerrecht. Entschließung einzelner Rechtsgenossen, wie es auch nicht entstehen oder wieder aufgehoben werden könnte; eine zufällige Erscheinung. Aus denselben Gründen ist die Lehre von den gesetzesähn- lichen Verträgen oder Vereinbarungen nicht annehmbar, denn ob man diese Abreden Verträge oder Vereinbarungen nenne, sie bleiben immer zufällige Entschließungen der rechtsunterworfenen Staaten mit beschränkter Wirkung auf die Teilnehmer und ver- schiedenem, widerspruchsvollem Inhalt; daß es eine völkerrecht- liche Norm geben sollte, welche irgendwelche Staaten ermächtigte, zu irgendwelcher Zeit irgendwelche Grundsätze als objektives Recht zu begründen, kann ohne Widerspruch nicht angenommen werden; und doch setzt die Befugnis, durch Vereinbarung Recht zu setzen, eine solche Zuständigkeit voraus. „Vereinbarungen“ sollen allerdings (in der Meinung der vereinbarenden Staaten) dem Mangel positiven Rechts abhelfen; aber sie können es nicht 1. Was die Staaten also untereinander vereinbaren, ist nicht objektives Recht, sondern Vertragsrecht. Als solches gilt aber auch gleichmäßig alles, was sie verabreden. Da es keine über- staatliche Autorität gibt, welche darüber entscheiden könnte, was verbindliches Recht unter den Staaten sein soll, entscheiden sie letztinstanzlich selbst darüber, die Rechtsgenossen dieser Gemeinschaft 2. Und deshalb muß alles, was die Staaten, alle oder einzelne, unter sich als verbindlich anerkannt haben, sofern man Verträge überhaupt als positivrechtlich verpflichtend ansieht, gleichmäßig als verbindlich gelten. Dieser Umstand ist es, 3 1 Vgl. Mausbach, Naturrecht und Völkerrecht (1918) 103 ff., kri- tisiert mit Recht den Satz v. Liszts: „Das Völkerrecht ist Vertrag, nicht Gesetz, aber gerade als Vertrag positives Recht.“ Oben S. 143. Bergbohm a. a. O. 60. 2 Was allerdings widerspruchsvoll ist; der Widerspruch liegt aber in der Sache, nicht in der Lehre, die ihn aufdeckt, was Kelsen, Souveränität 103, und Verdroß, Einheit 59, und andere verkennen. Es ist allerdings die Aufgabe der Rechtswissenschaft, alle geltenden Rechtssätze in ein System zu bringen, sofern das möglich ist. Das steht aber nicht von vornherein fest, wie oben S. 187, 350 bemerkt. Vgl. auch die Bemerkungen von Erich Kaufmann, Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie (1921) 26. 3 clausula rebus sic stantibus (1911) 170. Aber das ist das Todesurteil des Völkerrechts wie der Völkerrechtsgemeinschaft. Bergbohm a. a. O. 82.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/398>, abgerufen am 22.11.2024.