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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Das Völkerrecht.

"Organe" nennt, sind vereinbarte Formen der Verständigung
über die Ausführung des Vertrages oder vereinbarte Formen
der Vertretung der Mitglieder nach außen.

Wie steht es aber mit der Gültigkeit der Verträge selbst?

Wenn die Verträge der Staaten untereinander rechtsgültig
sein sollen, so kann es nur sein kraft eines objektiven Rechts-
satzes, der sagt, daß die Verträge verbindlich sind1. Pacta sunt
servanda, sagt man gewöhnlich; dieser Satz (wenigstens) sei aner-
kanntes, geltendes Völkerrecht2. Allein die objektive Ordnung,
welche die Voraussetzung der Verbindlichkeit der Verträge ist,
kann nicht der Satz sein, daß die Verträge verbindlich sind.
Denn was ein (verbindlicher) Vertrag sei, gilt es ja eben festzustellen.

Die Satzung des Völkerbundes (1921) 59, wo der Völkerbund als Gesamt-
handverhältnis bezeichnet wird.
1 Wie unbestreitbar ist und auch oft anerkannt worden ist. Man kann
nicht, wie es häufig geschieht, die Verbindlichkeit eines gegebenen Ver-
sprechens, eines geschlossenen Vertrages, aus dem Willen des zustimmenden
Staates ableiten, indem man argumentiert: der Staat, der einmal zugestimmt,
seine Verpflichtung also anerkannt hat, kann diese Verpflichtung nicht ohne
Widerspruch nachträglich ableugnen; oder indem man etwa bekräftigend
hinzufügt: da es im Völkerrecht keine höhere Instanz als den einzelnen
(souveränen) Staat gäbe, müsse auch das verbindlich sein, was diese Instanz
entscheide. Das sind Scheinargumente. Das erste will aus dem logischen
Gebote des Nichtwiderspruches das rechtliche Gebot der Verbindlichkeit der
vertraglichen Abreden herausnehmen; allein die Frage ist nicht, ob der
Staat, der heute bestreitet, was er gestern zugestanden hat, sich wider-
spreche, sondern ob er sich in dieser Weise widersprechen dürfe, oder besser,
ob er an sein einmal gegebenes Wort nicht nur logisch, sondern rechtlich
gebunden sei, was nur das Werk eines Rechtssatzes sein kann. Und die
zweite Argumentation erschleicht den Satz, daß die Staaten "Instanzen"
des Völkerrechts seien; an dem Satze, daß sie die höchsten Instanzen des
Völkerrechts seien, ist nämlich nur das Negative richtig, daß es über ihnen
keine Instanzen gibt, aber keineswegs das Positive, daß sie, jeder Staat,
Instanzen des Völkerrechts seien. Sie sind vielmehr die Rechtsgenossen
dieser Ordnung, aber nicht (jeder) ein zur verbindlichen Feststellung, An-
wendung und Erzwingung des Völkerrechts von Rechts wegen berufenes Or-
gan; sie können nichts rechtsverbindlich "entscheiden", nicht einmal für
sich selbst, wie G. Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatsverträge (1880)
7, 14 ff., und andere meinen. Es bleibt deshalb immer unentschieden, ob
das, wozu ein Staat erklärt hat, sich zu verpflichten, rechtsverbindlich ist
und bleibt.
2 Vgl. oben S. 377, Anm. 1.
Das Völkerrecht.

„Organe“ nennt, sind vereinbarte Formen der Verständigung
über die Ausführung des Vertrages oder vereinbarte Formen
der Vertretung der Mitglieder nach außen.

Wie steht es aber mit der Gültigkeit der Verträge selbst?

Wenn die Verträge der Staaten untereinander rechtsgültig
sein sollen, so kann es nur sein kraft eines objektiven Rechts-
satzes, der sagt, daß die Verträge verbindlich sind1. Pacta sunt
servanda, sagt man gewöhnlich; dieser Satz (wenigstens) sei aner-
kanntes, geltendes Völkerrecht2. Allein die objektive Ordnung,
welche die Voraussetzung der Verbindlichkeit der Verträge ist,
kann nicht der Satz sein, daß die Verträge verbindlich sind.
Denn was ein (verbindlicher) Vertrag sei, gilt es ja eben festzustellen.

Die Satzung des Völkerbundes (1921) 59, wo der Völkerbund als Gesamt-
handverhältnis bezeichnet wird.
1 Wie unbestreitbar ist und auch oft anerkannt worden ist. Man kann
nicht, wie es häufig geschieht, die Verbindlichkeit eines gegebenen Ver-
sprechens, eines geschlossenen Vertrages, aus dem Willen des zustimmenden
Staates ableiten, indem man argumentiert: der Staat, der einmal zugestimmt,
seine Verpflichtung also anerkannt hat, kann diese Verpflichtung nicht ohne
Widerspruch nachträglich ableugnen; oder indem man etwa bekräftigend
hinzufügt: da es im Völkerrecht keine höhere Instanz als den einzelnen
(souveränen) Staat gäbe, müsse auch das verbindlich sein, was diese Instanz
entscheide. Das sind Scheinargumente. Das erste will aus dem logischen
Gebote des Nichtwiderspruches das rechtliche Gebot der Verbindlichkeit der
vertraglichen Abreden herausnehmen; allein die Frage ist nicht, ob der
Staat, der heute bestreitet, was er gestern zugestanden hat, sich wider-
spreche, sondern ob er sich in dieser Weise widersprechen dürfe, oder besser,
ob er an sein einmal gegebenes Wort nicht nur logisch, sondern rechtlich
gebunden sei, was nur das Werk eines Rechtssatzes sein kann. Und die
zweite Argumentation erschleicht den Satz, daß die Staaten „Instanzen“
des Völkerrechts seien; an dem Satze, daß sie die höchsten Instanzen des
Völkerrechts seien, ist nämlich nur das Negative richtig, daß es über ihnen
keine Instanzen gibt, aber keineswegs das Positive, daß sie, jeder Staat,
Instanzen des Völkerrechts seien. Sie sind vielmehr die Rechtsgenossen
dieser Ordnung, aber nicht (jeder) ein zur verbindlichen Feststellung, An-
wendung und Erzwingung des Völkerrechts von Rechts wegen berufenes Or-
gan; sie können nichts rechtsverbindlich „entscheiden“, nicht einmal für
sich selbst, wie G. Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatsverträge (1880)
7, 14 ff., und andere meinen. Es bleibt deshalb immer unentschieden, ob
das, wozu ein Staat erklärt hat, sich zu verpflichten, rechtsverbindlich ist
und bleibt.
2 Vgl. oben S. 377, Anm. 1.
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[387/0402] Das Völkerrecht. „Organe“ nennt, sind vereinbarte Formen der Verständigung über die Ausführung des Vertrages oder vereinbarte Formen der Vertretung der Mitglieder nach außen. Wie steht es aber mit der Gültigkeit der Verträge selbst? Wenn die Verträge der Staaten untereinander rechtsgültig sein sollen, so kann es nur sein kraft eines objektiven Rechts- satzes, der sagt, daß die Verträge verbindlich sind 1. Pacta sunt servanda, sagt man gewöhnlich; dieser Satz (wenigstens) sei aner- kanntes, geltendes Völkerrecht 2. Allein die objektive Ordnung, welche die Voraussetzung der Verbindlichkeit der Verträge ist, kann nicht der Satz sein, daß die Verträge verbindlich sind. Denn was ein (verbindlicher) Vertrag sei, gilt es ja eben festzustellen. 1 1 Wie unbestreitbar ist und auch oft anerkannt worden ist. Man kann nicht, wie es häufig geschieht, die Verbindlichkeit eines gegebenen Ver- sprechens, eines geschlossenen Vertrages, aus dem Willen des zustimmenden Staates ableiten, indem man argumentiert: der Staat, der einmal zugestimmt, seine Verpflichtung also anerkannt hat, kann diese Verpflichtung nicht ohne Widerspruch nachträglich ableugnen; oder indem man etwa bekräftigend hinzufügt: da es im Völkerrecht keine höhere Instanz als den einzelnen (souveränen) Staat gäbe, müsse auch das verbindlich sein, was diese Instanz entscheide. Das sind Scheinargumente. Das erste will aus dem logischen Gebote des Nichtwiderspruches das rechtliche Gebot der Verbindlichkeit der vertraglichen Abreden herausnehmen; allein die Frage ist nicht, ob der Staat, der heute bestreitet, was er gestern zugestanden hat, sich wider- spreche, sondern ob er sich in dieser Weise widersprechen dürfe, oder besser, ob er an sein einmal gegebenes Wort nicht nur logisch, sondern rechtlich gebunden sei, was nur das Werk eines Rechtssatzes sein kann. Und die zweite Argumentation erschleicht den Satz, daß die Staaten „Instanzen“ des Völkerrechts seien; an dem Satze, daß sie die höchsten Instanzen des Völkerrechts seien, ist nämlich nur das Negative richtig, daß es über ihnen keine Instanzen gibt, aber keineswegs das Positive, daß sie, jeder Staat, Instanzen des Völkerrechts seien. Sie sind vielmehr die Rechtsgenossen dieser Ordnung, aber nicht (jeder) ein zur verbindlichen Feststellung, An- wendung und Erzwingung des Völkerrechts von Rechts wegen berufenes Or- gan; sie können nichts rechtsverbindlich „entscheiden“, nicht einmal für sich selbst, wie G. Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatsverträge (1880) 7, 14 ff., und andere meinen. Es bleibt deshalb immer unentschieden, ob das, wozu ein Staat erklärt hat, sich zu verpflichten, rechtsverbindlich ist und bleibt. 2 Vgl. oben S. 377, Anm. 1. 1 Die Satzung des Völkerbundes (1921) 59, wo der Völkerbund als Gesamt- handverhältnis bezeichnet wird.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/402>, abgerufen am 21.11.2024.