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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.

Das geschieht einerseits durch die Vorschriften über die formalen
Voraussetzungen eines gültigen Vertrages, die Vertragsfähigkeit
und die Zustimmungserklärung, und andererseits durch die Vor-
schriften über den möglichen Inhalt eines gültigen Vertrages.

Diese Grundsätze müssen aber zwingendes Recht sein, sie
mögen nun inhaltlich so weit sein, als sie wollen. Denn es kann
nicht vom Willen der Vertragsparteien selbst abhängen, zu be-
stimmen, wann ihre Abrede verbindlich sein soll und wann nicht.
Die Grenzen der Vertragsfreiheit können weder durch Vertrag
aufgerichtet noch durch Vertrag abgeändert werden; sie müssen
für die Paziszenten vorhanden und verbindlich sein (S. 25). Die
Grenze möglichen Vertragsinhaltes bilden (im Landesrecht) alle
die Sätze des öffentlichen Rechtes, die durch Vertrag nicht abge-
ändert werden können: des Polizeirechts, des Strafrechts, der Ver-
waltungspflege, des (zwingenden) Familienrechtes u. a. m., welche
gewöhnlich in der Vorschrift des Obligationenrechts zusammen-
gefaßt werden, daß Verträge, deren Inhalt widerrechtlich ist, nichtig
sind, mit der weiteren Klausel, daß sie auch nicht gegen die guten
Sitten verstoßen dürfen (Schweiz. OR Art. 20)1.

Gibt es nun solche zwingende Rechtssätze im Völkerrecht?

Zwingendes Recht ist von Amtes wegen anzuwendendes
Recht. Zwingende Sätze aufzustellen, ohne eine Behörde, die sie
von Amtes wegen zu verwirklichen hätte, die feststellt, ob sie
befolgt und daß sie ausgeführt werden, wäre ein Widersinn. Wer
wollte aber im Namen der Rechtsordnung für die Verwirklichung
der zwingenden Sätze des Völkerrechts sorgen? Es könnte nur
eine von den Staaten dazu beauftragte Instanz sein, eine In-

1 Strupp, Theorie und Praxis des Völkerrechts (1925) 69, meint, der
Satz "pacta sunt servanda" sei der einzige völkerrechtliche Satz juris
cogentis. Allein damit wird, wie häufig, zweierlei vermengt: 1. die Frage,
welche Abreden als gültige, verbindliche Verträge anzusehen seien: sie muß
sicher durch zwingendes Recht geordnet werden; aber der Satz "pacta sunt
servanda" gibt darauf keine Antwort, und 2. die (überflüssige) Frage: ob
die so getroffenen Abreden gehalten werden müssen: sie ist die selbstver-
ständliche Voraussetzung der Regelung der ersten Frage; aber daß die so
abgeschlossenen Verträge auch gehalten werden müssen, ist sicher nicht
zwingendes Recht; denn die Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen, ist eine
eminent privatrechtliche. Vgl. W. Burckhardt, Der Vertrag a. a. O. 5,
und oben S. 25 ff.
III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.

Das geschieht einerseits durch die Vorschriften über die formalen
Voraussetzungen eines gültigen Vertrages, die Vertragsfähigkeit
und die Zustimmungserklärung, und andererseits durch die Vor-
schriften über den möglichen Inhalt eines gültigen Vertrages.

Diese Grundsätze müssen aber zwingendes Recht sein, sie
mögen nun inhaltlich so weit sein, als sie wollen. Denn es kann
nicht vom Willen der Vertragsparteien selbst abhängen, zu be-
stimmen, wann ihre Abrede verbindlich sein soll und wann nicht.
Die Grenzen der Vertragsfreiheit können weder durch Vertrag
aufgerichtet noch durch Vertrag abgeändert werden; sie müssen
für die Paziszenten vorhanden und verbindlich sein (S. 25). Die
Grenze möglichen Vertragsinhaltes bilden (im Landesrecht) alle
die Sätze des öffentlichen Rechtes, die durch Vertrag nicht abge-
ändert werden können: des Polizeirechts, des Strafrechts, der Ver-
waltungspflege, des (zwingenden) Familienrechtes u. a. m., welche
gewöhnlich in der Vorschrift des Obligationenrechts zusammen-
gefaßt werden, daß Verträge, deren Inhalt widerrechtlich ist, nichtig
sind, mit der weiteren Klausel, daß sie auch nicht gegen die guten
Sitten verstoßen dürfen (Schweiz. OR Art. 20)1.

Gibt es nun solche zwingende Rechtssätze im Völkerrecht?

Zwingendes Recht ist von Amtes wegen anzuwendendes
Recht. Zwingende Sätze aufzustellen, ohne eine Behörde, die sie
von Amtes wegen zu verwirklichen hätte, die feststellt, ob sie
befolgt und daß sie ausgeführt werden, wäre ein Widersinn. Wer
wollte aber im Namen der Rechtsordnung für die Verwirklichung
der zwingenden Sätze des Völkerrechts sorgen? Es könnte nur
eine von den Staaten dazu beauftragte Instanz sein, eine In-

1 Strupp, Theorie und Praxis des Völkerrechts (1925) 69, meint, der
Satz „pacta sunt servanda“ sei der einzige völkerrechtliche Satz juris
cogentis. Allein damit wird, wie häufig, zweierlei vermengt: 1. die Frage,
welche Abreden als gültige, verbindliche Verträge anzusehen seien: sie muß
sicher durch zwingendes Recht geordnet werden; aber der Satz „pacta sunt
servanda“ gibt darauf keine Antwort, und 2. die (überflüssige) Frage: ob
die so getroffenen Abreden gehalten werden müssen: sie ist die selbstver-
ständliche Voraussetzung der Regelung der ersten Frage; aber daß die so
abgeschlossenen Verträge auch gehalten werden müssen, ist sicher nicht
zwingendes Recht; denn die Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen, ist eine
eminent privatrechtliche. Vgl. W. Burckhardt, Der Vertrag a. a. O. 5,
und oben S. 25 ff.
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[388/0403] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. Das geschieht einerseits durch die Vorschriften über die formalen Voraussetzungen eines gültigen Vertrages, die Vertragsfähigkeit und die Zustimmungserklärung, und andererseits durch die Vor- schriften über den möglichen Inhalt eines gültigen Vertrages. Diese Grundsätze müssen aber zwingendes Recht sein, sie mögen nun inhaltlich so weit sein, als sie wollen. Denn es kann nicht vom Willen der Vertragsparteien selbst abhängen, zu be- stimmen, wann ihre Abrede verbindlich sein soll und wann nicht. Die Grenzen der Vertragsfreiheit können weder durch Vertrag aufgerichtet noch durch Vertrag abgeändert werden; sie müssen für die Paziszenten vorhanden und verbindlich sein (S. 25). Die Grenze möglichen Vertragsinhaltes bilden (im Landesrecht) alle die Sätze des öffentlichen Rechtes, die durch Vertrag nicht abge- ändert werden können: des Polizeirechts, des Strafrechts, der Ver- waltungspflege, des (zwingenden) Familienrechtes u. a. m., welche gewöhnlich in der Vorschrift des Obligationenrechts zusammen- gefaßt werden, daß Verträge, deren Inhalt widerrechtlich ist, nichtig sind, mit der weiteren Klausel, daß sie auch nicht gegen die guten Sitten verstoßen dürfen (Schweiz. OR Art. 20) 1. Gibt es nun solche zwingende Rechtssätze im Völkerrecht? Zwingendes Recht ist von Amtes wegen anzuwendendes Recht. Zwingende Sätze aufzustellen, ohne eine Behörde, die sie von Amtes wegen zu verwirklichen hätte, die feststellt, ob sie befolgt und daß sie ausgeführt werden, wäre ein Widersinn. Wer wollte aber im Namen der Rechtsordnung für die Verwirklichung der zwingenden Sätze des Völkerrechts sorgen? Es könnte nur eine von den Staaten dazu beauftragte Instanz sein, eine In- 1 Strupp, Theorie und Praxis des Völkerrechts (1925) 69, meint, der Satz „pacta sunt servanda“ sei der einzige völkerrechtliche Satz juris cogentis. Allein damit wird, wie häufig, zweierlei vermengt: 1. die Frage, welche Abreden als gültige, verbindliche Verträge anzusehen seien: sie muß sicher durch zwingendes Recht geordnet werden; aber der Satz „pacta sunt servanda“ gibt darauf keine Antwort, und 2. die (überflüssige) Frage: ob die so getroffenen Abreden gehalten werden müssen: sie ist die selbstver- ständliche Voraussetzung der Regelung der ersten Frage; aber daß die so abgeschlossenen Verträge auch gehalten werden müssen, ist sicher nicht zwingendes Recht; denn die Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen, ist eine eminent privatrechtliche. Vgl. W. Burckhardt, Der Vertrag a. a. O. 5, und oben S. 25 ff.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/403>, abgerufen am 21.11.2024.