Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. scheinbar verbindliche (oder vorläufig verbindliche) Anordnungentreffen, welche vielleicht vollzogen werden und fremde Interessen verletzen. Allein das sind private Handlungen der zufälligen In- haber des betreffenden Amtes, entsprungen der subjektiven Ein- gebung ihrer Begehren oder der mangelhaften Anstrengung ihres Willens, Handlungen, die sie nicht kraft staatlicher Ermächtigung, also zuständigerweise, vornehmen, sondern (wie vorausgesetzt) unzuständigerweise, also nicht in amtlicher Eigenschaft; denn man wird die in amtlicher und in privater Eigenschaft vorgenom- menen Handlungen nur dadurch unterscheiden können, daß sie innerhalb oder außerhalb des Bereiches der Zuständigkeit liegen. Außerhalb dieses Bereiches gibt es nicht verschiedene Grade der Unzuständigkeit, von denen die geringeren noch mit der amtlichen Eigenschaft des anordnenden Beamten vereinbar wären, die höhe- ren nicht mehr. Amtlich handelt der Beamte nur, wenn er in seiner Zuständigkeit handelt1. Es kann also nicht davon die Rede sein, daß der Staat für Damit soll selbstverständlich nicht gesagt sein, der Staat 1 Schw. B.-Ger. 8 149. -- Die Vorstellung eines Unrechtes des Staates,
sagt Kelsen, Souveränität 146, sei ein Widerspruch in sich selbst. III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. scheinbar verbindliche (oder vorläufig verbindliche) Anordnungentreffen, welche vielleicht vollzogen werden und fremde Interessen verletzen. Allein das sind private Handlungen der zufälligen In- haber des betreffenden Amtes, entsprungen der subjektiven Ein- gebung ihrer Begehren oder der mangelhaften Anstrengung ihres Willens, Handlungen, die sie nicht kraft staatlicher Ermächtigung, also zuständigerweise, vornehmen, sondern (wie vorausgesetzt) unzuständigerweise, also nicht in amtlicher Eigenschaft; denn man wird die in amtlicher und in privater Eigenschaft vorgenom- menen Handlungen nur dadurch unterscheiden können, daß sie innerhalb oder außerhalb des Bereiches der Zuständigkeit liegen. Außerhalb dieses Bereiches gibt es nicht verschiedene Grade der Unzuständigkeit, von denen die geringeren noch mit der amtlichen Eigenschaft des anordnenden Beamten vereinbar wären, die höhe- ren nicht mehr. Amtlich handelt der Beamte nur, wenn er in seiner Zuständigkeit handelt1. Es kann also nicht davon die Rede sein, daß der Staat für Damit soll selbstverständlich nicht gesagt sein, der Staat 1 Schw. B.-Ger. 8 149. — Die Vorstellung eines Unrechtes des Staates,
sagt Kelsen, Souveränität 146, sei ein Widerspruch in sich selbst. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0435" n="420"/><fw place="top" type="header">III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.</fw><lb/> scheinbar verbindliche (oder vorläufig verbindliche) Anordnungen<lb/> treffen, welche vielleicht vollzogen werden und fremde Interessen<lb/> verletzen. Allein das sind private Handlungen der zufälligen In-<lb/> haber des betreffenden Amtes, entsprungen der subjektiven Ein-<lb/> gebung ihrer Begehren oder der mangelhaften Anstrengung ihres<lb/> Willens, Handlungen, die sie nicht kraft staatlicher Ermächtigung,<lb/> also zuständigerweise, vornehmen, sondern (wie vorausgesetzt)<lb/> unzuständigerweise, also nicht in amtlicher Eigenschaft; denn<lb/> man wird die in amtlicher und in privater Eigenschaft vorgenom-<lb/> menen Handlungen nur dadurch unterscheiden können, daß sie<lb/> innerhalb oder außerhalb des Bereiches der Zuständigkeit liegen.<lb/> Außerhalb dieses Bereiches gibt es nicht verschiedene Grade der<lb/> Unzuständigkeit, von denen die geringeren noch mit der amtlichen<lb/> Eigenschaft des anordnenden Beamten vereinbar wären, die höhe-<lb/> ren nicht mehr. Amtlich handelt der Beamte nur, wenn er <hi rendition="#g">in</hi><lb/> seiner Zuständigkeit handelt<note place="foot" n="1">Schw. B.-Ger. 8 149. — Die Vorstellung eines Unrechtes des Staates,<lb/> sagt <hi rendition="#g">Kelsen,</hi> Souveränität 146, sei ein Widerspruch in sich selbst.</note>.</p><lb/> <p>Es kann also nicht davon die Rede sein, daß der Staat für<lb/><hi rendition="#g">seine</hi> unrechtmäßigen Handlungen haften müßte, denn die An-<lb/> ordnungen der staatlichen Behörden gelten, soweit sie staatliche<lb/> sind, stets als rechtmäßig, und soweit sie als unrechtmäßig gelten<lb/> können, sind sie nicht oder nicht mehr staatliche. Der Staat<lb/> könnte also nur für rechtmäßige Handlungen als für seine Hand-<lb/> lungen haften, da ihm nur rechtmäßige Handlungen zugeschrieben<lb/> werden können. Wenn der Staat für die Folgen (subjektiv oder<lb/> nur objektiv) rechtswidriger Handlungen seiner Beamten ein-<lb/> stehen muß, kann man von Haftung sprechen, nicht aber wenn er<lb/> rechtmäßig gehandelt hat. Für die Anwendung des Rechts kann<lb/> der Staat nicht „haftbar“ gemacht werden; das ist ein wider-<lb/> spruchsvoller Gedanke.</p><lb/> <p>Damit soll selbstverständlich nicht gesagt sein, der Staat<lb/> hafte nie oder soll nie haften für rechtswidriges Verhalten seiner<lb/> Beamten, oder genauer: der natürlichen Personen, welche mit<lb/> staatlichen Ämtern bekleidet sind. Das moderne Recht statuiert<lb/> diese Haftung in weitem Umfange und mit gutem Grund. Aber<lb/> man muß sich bewußt bleiben, daß es die Haftung für privates<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [420/0435]
III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
scheinbar verbindliche (oder vorläufig verbindliche) Anordnungen
treffen, welche vielleicht vollzogen werden und fremde Interessen
verletzen. Allein das sind private Handlungen der zufälligen In-
haber des betreffenden Amtes, entsprungen der subjektiven Ein-
gebung ihrer Begehren oder der mangelhaften Anstrengung ihres
Willens, Handlungen, die sie nicht kraft staatlicher Ermächtigung,
also zuständigerweise, vornehmen, sondern (wie vorausgesetzt)
unzuständigerweise, also nicht in amtlicher Eigenschaft; denn
man wird die in amtlicher und in privater Eigenschaft vorgenom-
menen Handlungen nur dadurch unterscheiden können, daß sie
innerhalb oder außerhalb des Bereiches der Zuständigkeit liegen.
Außerhalb dieses Bereiches gibt es nicht verschiedene Grade der
Unzuständigkeit, von denen die geringeren noch mit der amtlichen
Eigenschaft des anordnenden Beamten vereinbar wären, die höhe-
ren nicht mehr. Amtlich handelt der Beamte nur, wenn er in
seiner Zuständigkeit handelt 1.
Es kann also nicht davon die Rede sein, daß der Staat für
seine unrechtmäßigen Handlungen haften müßte, denn die An-
ordnungen der staatlichen Behörden gelten, soweit sie staatliche
sind, stets als rechtmäßig, und soweit sie als unrechtmäßig gelten
können, sind sie nicht oder nicht mehr staatliche. Der Staat
könnte also nur für rechtmäßige Handlungen als für seine Hand-
lungen haften, da ihm nur rechtmäßige Handlungen zugeschrieben
werden können. Wenn der Staat für die Folgen (subjektiv oder
nur objektiv) rechtswidriger Handlungen seiner Beamten ein-
stehen muß, kann man von Haftung sprechen, nicht aber wenn er
rechtmäßig gehandelt hat. Für die Anwendung des Rechts kann
der Staat nicht „haftbar“ gemacht werden; das ist ein wider-
spruchsvoller Gedanke.
Damit soll selbstverständlich nicht gesagt sein, der Staat
hafte nie oder soll nie haften für rechtswidriges Verhalten seiner
Beamten, oder genauer: der natürlichen Personen, welche mit
staatlichen Ämtern bekleidet sind. Das moderne Recht statuiert
diese Haftung in weitem Umfange und mit gutem Grund. Aber
man muß sich bewußt bleiben, daß es die Haftung für privates
1 Schw. B.-Ger. 8 149. — Die Vorstellung eines Unrechtes des Staates,
sagt Kelsen, Souveränität 146, sei ein Widerspruch in sich selbst.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |