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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Die völkerrechtliche Haftung der Staaten.
begangen worden sei, hafte auch stets der Staat, sonst wäre jene
Handlung nicht völkerrechtswidrig, so wollten wir also nicht sagen:
Der Staat sei jedesmal zu besonderer Wiedergutmachung, in
moralischem und ökonomischem Sinne verpflichtet. Was die
rechtliche Folge der Völkerrechtswidrigkeit ist, läßt sich nicht
zum vornherein und allgemeingültig ausmachen; es kann sein, daß
der Staat zu gar nichts anderem verpflichtet ist, als wozu er kraft
Landesrechts, auch im Falle der Verletzung ähnlicher inländischer
Interessen verhalten wäre, z. B. zur Offenhaltung des Rechtsweges.
Aber das wird dann auch seine völkerrechtliche Pflicht sein, z. B.
kraft des völkerrechtlichen, vielleicht vertraglichen Grundsatzes,
daß die Ausländer gleich zu behandeln seien wie die Inländer. Das
ist auch eine völkerrechtliche Folge der Rechtsverletzung, wenn
sie sich gleich nicht in besonderen Leistungen zu erkennen gibt.
Und irgend eine rechtliche Folge muß die "Völkerrechtsverletzung"
haben, sonst ist sie keine Völkerrechtsverletzung in dem einzigen
praktischen Sinn, den dieses Wort haben kann. Die "Völkerrechts-
verletzung" bleibt dann völkerrechtlich ganz wirkungs- und be-
deutungslos.

Man wird vielleicht noch fragen, ob der Staat nicht verpflichtet
sei, die völkerrechtswidrigen Handlungen seiner Angehörigen (oder
besser Landesbewohner) zu verhindern und ob er nicht auch aus
der Unterlassung dieser Pflicht hafte. Darauf ist zu antworten:
Wenn ein paar junge Leute einen Gesandten beschimpfen und die
Polizei untätig zusieht, so ist dieses Verhalten der Polizei auch
ein Verhalten, für das der Staat haften wird; und wenn Polizei-
diener einen Gesandten beschimpfen und der vorgesetzte Minister
untätig gewähren läßt, so ist das wieder ein Verhalten, für das der
Staat haftet und noch schärfer als für das Verhalten der Polizei-
diener. Aber es ist immer das Haften für individuelles Verhalten;
der "Staat" konnte die jungen Leute nicht verhaften und der
"Staat" konnte der Polizei keine Befehle geben. Aber die organi-
sierte Gesamtheit des Staates haftet völkerrechtlich dafür anderen
Staaten gegenüber, daß solches Verhalten und besonders das Ver-
halten der beamteten Angehörigen nicht vorkomme. Auch seine
Pflicht, andere an ihren Ausschreitungen zu verhindern, ist nichts
anderes als die Haftung dafür, daß die zuständigen Beamten sich
in bestimmter Weise (objektiv völkerrechtsmäßig) verhalten.

Die völkerrechtliche Haftung der Staaten.
begangen worden sei, hafte auch stets der Staat, sonst wäre jene
Handlung nicht völkerrechtswidrig, so wollten wir also nicht sagen:
Der Staat sei jedesmal zu besonderer Wiedergutmachung, in
moralischem und ökonomischem Sinne verpflichtet. Was die
rechtliche Folge der Völkerrechtswidrigkeit ist, läßt sich nicht
zum vornherein und allgemeingültig ausmachen; es kann sein, daß
der Staat zu gar nichts anderem verpflichtet ist, als wozu er kraft
Landesrechts, auch im Falle der Verletzung ähnlicher inländischer
Interessen verhalten wäre, z. B. zur Offenhaltung des Rechtsweges.
Aber das wird dann auch seine völkerrechtliche Pflicht sein, z. B.
kraft des völkerrechtlichen, vielleicht vertraglichen Grundsatzes,
daß die Ausländer gleich zu behandeln seien wie die Inländer. Das
ist auch eine völkerrechtliche Folge der Rechtsverletzung, wenn
sie sich gleich nicht in besonderen Leistungen zu erkennen gibt.
Und irgend eine rechtliche Folge muß die „Völkerrechtsverletzung“
haben, sonst ist sie keine Völkerrechtsverletzung in dem einzigen
praktischen Sinn, den dieses Wort haben kann. Die „Völkerrechts-
verletzung“ bleibt dann völkerrechtlich ganz wirkungs- und be-
deutungslos.

Man wird vielleicht noch fragen, ob der Staat nicht verpflichtet
sei, die völkerrechtswidrigen Handlungen seiner Angehörigen (oder
besser Landesbewohner) zu verhindern und ob er nicht auch aus
der Unterlassung dieser Pflicht hafte. Darauf ist zu antworten:
Wenn ein paar junge Leute einen Gesandten beschimpfen und die
Polizei untätig zusieht, so ist dieses Verhalten der Polizei auch
ein Verhalten, für das der Staat haften wird; und wenn Polizei-
diener einen Gesandten beschimpfen und der vorgesetzte Minister
untätig gewähren läßt, so ist das wieder ein Verhalten, für das der
Staat haftet und noch schärfer als für das Verhalten der Polizei-
diener. Aber es ist immer das Haften für individuelles Verhalten;
der „Staat“ konnte die jungen Leute nicht verhaften und der
„Staat“ konnte der Polizei keine Befehle geben. Aber die organi-
sierte Gesamtheit des Staates haftet völkerrechtlich dafür anderen
Staaten gegenüber, daß solches Verhalten und besonders das Ver-
halten der beamteten Angehörigen nicht vorkomme. Auch seine
Pflicht, andere an ihren Ausschreitungen zu verhindern, ist nichts
anderes als die Haftung dafür, daß die zuständigen Beamten sich
in bestimmter Weise (objektiv völkerrechtsmäßig) verhalten.

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[445/0460] Die völkerrechtliche Haftung der Staaten. begangen worden sei, hafte auch stets der Staat, sonst wäre jene Handlung nicht völkerrechtswidrig, so wollten wir also nicht sagen: Der Staat sei jedesmal zu besonderer Wiedergutmachung, in moralischem und ökonomischem Sinne verpflichtet. Was die rechtliche Folge der Völkerrechtswidrigkeit ist, läßt sich nicht zum vornherein und allgemeingültig ausmachen; es kann sein, daß der Staat zu gar nichts anderem verpflichtet ist, als wozu er kraft Landesrechts, auch im Falle der Verletzung ähnlicher inländischer Interessen verhalten wäre, z. B. zur Offenhaltung des Rechtsweges. Aber das wird dann auch seine völkerrechtliche Pflicht sein, z. B. kraft des völkerrechtlichen, vielleicht vertraglichen Grundsatzes, daß die Ausländer gleich zu behandeln seien wie die Inländer. Das ist auch eine völkerrechtliche Folge der Rechtsverletzung, wenn sie sich gleich nicht in besonderen Leistungen zu erkennen gibt. Und irgend eine rechtliche Folge muß die „Völkerrechtsverletzung“ haben, sonst ist sie keine Völkerrechtsverletzung in dem einzigen praktischen Sinn, den dieses Wort haben kann. Die „Völkerrechts- verletzung“ bleibt dann völkerrechtlich ganz wirkungs- und be- deutungslos. Man wird vielleicht noch fragen, ob der Staat nicht verpflichtet sei, die völkerrechtswidrigen Handlungen seiner Angehörigen (oder besser Landesbewohner) zu verhindern und ob er nicht auch aus der Unterlassung dieser Pflicht hafte. Darauf ist zu antworten: Wenn ein paar junge Leute einen Gesandten beschimpfen und die Polizei untätig zusieht, so ist dieses Verhalten der Polizei auch ein Verhalten, für das der Staat haften wird; und wenn Polizei- diener einen Gesandten beschimpfen und der vorgesetzte Minister untätig gewähren läßt, so ist das wieder ein Verhalten, für das der Staat haftet und noch schärfer als für das Verhalten der Polizei- diener. Aber es ist immer das Haften für individuelles Verhalten; der „Staat“ konnte die jungen Leute nicht verhaften und der „Staat“ konnte der Polizei keine Befehle geben. Aber die organi- sierte Gesamtheit des Staates haftet völkerrechtlich dafür anderen Staaten gegenüber, daß solches Verhalten und besonders das Ver- halten der beamteten Angehörigen nicht vorkomme. Auch seine Pflicht, andere an ihren Ausschreitungen zu verhindern, ist nichts anderes als die Haftung dafür, daß die zuständigen Beamten sich in bestimmter Weise (objektiv völkerrechtsmäßig) verhalten.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/460>, abgerufen am 21.11.2024.