Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. 3. Kapitel. Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Einzelnen. Der Staat, sagten wir, ist gegenüber anderen Staaten ver- Während noch Landesrecht neben den privaten Genossen- 1 Über die Einsetzung eines int. Gerichtshofes über einzelne Völker- rechtsbrecher vgl. z. B. Politis, La Justice internationale 1924, 251 f. 2 Der Einzelne ist kein Subjekt des Völkerrechts, wie manche an-
nehmen; z. B. Fiore, Le droit international codifie 33; Krabbe, Die mo- derne Staatsidee (1919) 273; Kelsen, Souveränität 162 f. III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. 3. Kapitel. Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Einzelnen. Der Staat, sagten wir, ist gegenüber anderen Staaten ver- Während noch Landesrecht neben den privaten Genossen- 1 Über die Einsetzung eines int. Gerichtshofes über einzelne Völker- rechtsbrecher vgl. z. B. Politis, La Justice internationale 1924, 251 f. 2 Der Einzelne ist kein Subjekt des Völkerrechts, wie manche an-
nehmen; z. B. Fiore, Le droit international codifié 33; Krabbe, Die mo- derne Staatsidee (1919) 273; Kelsen, Souveränität 162 f. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0461" n="446"/> <fw place="top" type="header">III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.</fw> <div n="3"><lb/> <head>3. <hi rendition="#g">Kapitel</hi>.<lb/> Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Einzelnen.</head><lb/> <p>Der Staat, sagten wir, ist gegenüber anderen Staaten ver-<lb/> antwortlich; der Einzelne ist es nicht. Darin besteht die völker-<lb/> rechtliche Persönlichkeit des Staates, daß <hi rendition="#g">er</hi> und niemand anders<lb/> gegenüber anderen Staaten für das Verhalten aller Mitglieder der<lb/> staatlichen Gemeinschaft haftet, und daß, umgekehrt, er allein<lb/> andere Staaten haftbar machen kann. Durch die Organisation<lb/> erhält die Gesamtheit die Fähigkeit, mit anderen Staaten rechts-<lb/> geschäftlich zu verkehren, welche Fähigkeit wir völkerrechtliche<lb/> Persönlichkeit nennen. Das staatliche Recht bestimmt die interne<lb/> Zuständigkeitsordnung und damit die Gehorsamspflicht der Staats-<lb/> genossen. Für den Einzelnen sind die staatlichen Anordnungen<lb/> allein maßgebend und letztlich verbindlich, ob sie nun völker-<lb/> rechtsmäßig seien oder nicht. Der Einzelne, der als solcher unter<lb/> der innerstaatlichen Ordnung steht, kann daher nicht für die<lb/> Völkerrechtswidrigkeit seines Verhaltens (von anderen Staaten)<lb/> verantwortlich gemacht werden, denn er muß auch völkerrechts-<lb/> widrige Anordnungen seines Staates befolgen. Der Staat hat be-<lb/> grifflich die volle und ausschließliche Befehlsgewalt über ihn.<lb/> Ebendeshalb muß der Staat nach außen auch die volle und aus-<lb/> schließliche Verantwortlichkeit für ihn übernehmen<note place="foot" n="1">Über die Einsetzung eines int. Gerichtshofes über einzelne Völker-<lb/> rechtsbrecher vgl. z. B. <hi rendition="#g">Politis,</hi> La Justice internationale 1924, 251 f.</note>. Der Staat,<lb/> die zur Wahrung des Rechts organisierte Gesamtheit, kann<lb/> souverän das Verhalten seiner Angehörigen bestimmen, aber er<lb/> ist auch verantwortlich dafür, wie und mit welchem Erfolg er es<lb/> bestimmt<note place="foot" n="2">Der Einzelne ist kein Subjekt des Völkerrechts, wie manche an-<lb/> nehmen; z. B. <hi rendition="#g">Fiore,</hi> Le droit international codifié 33; <hi rendition="#g">Krabbe,</hi> Die mo-<lb/> derne Staatsidee (1919) 273; <hi rendition="#g">Kelsen,</hi> Souveränität 162 f.</note>.</p><lb/> <p>Während noch Landesrecht neben den privaten Genossen-<lb/> schaften als solchen für Rechtsverletzungen auch die einzelnen<lb/> Mitglieder verantwortlich sein können, kumulativ, alternativ oder<lb/> subsidiär, kennt das Völkerrecht nur den Staat; dem einen Staat<lb/> tritt nur der andere als berechtigt und verpflichtet gegenüber.<lb/> Jeder Staat ist die abschließende rechtliche Gemeinschaft der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [446/0461]
III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
3. Kapitel.
Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Einzelnen.
Der Staat, sagten wir, ist gegenüber anderen Staaten ver-
antwortlich; der Einzelne ist es nicht. Darin besteht die völker-
rechtliche Persönlichkeit des Staates, daß er und niemand anders
gegenüber anderen Staaten für das Verhalten aller Mitglieder der
staatlichen Gemeinschaft haftet, und daß, umgekehrt, er allein
andere Staaten haftbar machen kann. Durch die Organisation
erhält die Gesamtheit die Fähigkeit, mit anderen Staaten rechts-
geschäftlich zu verkehren, welche Fähigkeit wir völkerrechtliche
Persönlichkeit nennen. Das staatliche Recht bestimmt die interne
Zuständigkeitsordnung und damit die Gehorsamspflicht der Staats-
genossen. Für den Einzelnen sind die staatlichen Anordnungen
allein maßgebend und letztlich verbindlich, ob sie nun völker-
rechtsmäßig seien oder nicht. Der Einzelne, der als solcher unter
der innerstaatlichen Ordnung steht, kann daher nicht für die
Völkerrechtswidrigkeit seines Verhaltens (von anderen Staaten)
verantwortlich gemacht werden, denn er muß auch völkerrechts-
widrige Anordnungen seines Staates befolgen. Der Staat hat be-
grifflich die volle und ausschließliche Befehlsgewalt über ihn.
Ebendeshalb muß der Staat nach außen auch die volle und aus-
schließliche Verantwortlichkeit für ihn übernehmen 1. Der Staat,
die zur Wahrung des Rechts organisierte Gesamtheit, kann
souverän das Verhalten seiner Angehörigen bestimmen, aber er
ist auch verantwortlich dafür, wie und mit welchem Erfolg er es
bestimmt 2.
Während noch Landesrecht neben den privaten Genossen-
schaften als solchen für Rechtsverletzungen auch die einzelnen
Mitglieder verantwortlich sein können, kumulativ, alternativ oder
subsidiär, kennt das Völkerrecht nur den Staat; dem einen Staat
tritt nur der andere als berechtigt und verpflichtet gegenüber.
Jeder Staat ist die abschließende rechtliche Gemeinschaft der
1 Über die Einsetzung eines int. Gerichtshofes über einzelne Völker-
rechtsbrecher vgl. z. B. Politis, La Justice internationale 1924, 251 f.
2 Der Einzelne ist kein Subjekt des Völkerrechts, wie manche an-
nehmen; z. B. Fiore, Le droit international codifié 33; Krabbe, Die mo-
derne Staatsidee (1919) 273; Kelsen, Souveränität 162 f.
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